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SZ + Löbau

Straßenbau für den Lkw-Stau?

Vor 40 Jahren wurde in Neugersdorf die gesamte Hauptstraße für den Transitverkehr ertüchtigt. Zuvor war ein Grenzübergang eröffnet worden.

Von Bernd Dreßler
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Mai 1978: Der erste Transit-Lkw fährt den gerade übergebenen Grenzübergang am Eiskellerberg in Neugersdorf an.
Mai 1978: Der erste Transit-Lkw fährt den gerade übergebenen Grenzübergang am Eiskellerberg in Neugersdorf an. © Heimat- und Geschichtsverein Neugersdorf

Neugersdorfs wohl wichtigste Straßenkreuzung ist derzeit gesperrt. Wegen des Einbaus einer Fernwärmeleitung kann die Haupstraße nahe der Postkreuzung nicht befahren werden. Ein ähnliches Szenario gab es vor rund 40 Jahren. Da war der Verkehrsknoten von der Grunderneuerung der gesamten Hauptstraße betroffen. Die Kreuzung wurde erweitert und bekam 1987 eine Ampelanlage. Mit dieser Grunderneuerung, die vom damaligen Textilhaus „Finesse“ am Abzweig Lutherstraße bis zur Brandströmstraße unweit des heutigen Kreisverkehrs reichte, versuchte man den Belastungen des wachsenden Transit- und Schwerlastverkehrs zu entsprechen, der zum CSSR-Grenzübergang Neugersdorf-Aloisov (Rumburg-Aloisdorf) am Eiskellerberg rollte. Eine 1829/1830 gebaute und mit Natursteinpflaster belegte Straße war dafür nicht mehr geeignet.

Der Grenzübergang war am 30. Mai 1978 in Anwesenheit des stellvertretenden DDR-Verkehrsministers Horst Schlimper eröffnet worden. Um Baufreiheit zu schaffen, musste die Wachtschenke, dieser riesige verfallene Gebäudekomplex direkt am Jacobimarktgelände, abgerissen werden. Anfang April 1978 war der Koloss aus Stein verschwunden. Auch das Umgebindehaus Hauptstraße 67 griffen sich die Bagger. Mit den Abbruchmassen wurden alte Sand- und Kiesgruben entlang der Seifhennersdorfer Straße verfüllt. Außerdem war eine Straßenverbreiterung nötig, um eine zusätzliche Spur für den Grenzverkehr zu schaffen. Zuvor mussten Gas-, Elektro-, Telefon- und Trinkwasserleitungen neu verlegt, eine größere Abwasserkanalisation gebaut werden. Hinzu kam, dass die Neugersdorfer Bahnbrücke ertüchtigt werden musste. Dafür reichte zunächst eine halbseitige Sperrung, ehe von April bis August 1978 die Reichsbahnüberquerung voll gesperrt werden musste. Weiträumige Umleitungen waren nötig. Auch andere Einschränkungen mussten die Anwohner verkraften. Mitunter kam es zu kurzzeitigen Stromabschaltungen. Einmal hatte ein Baggerfahrer in der Spätschicht eine PVC-Gasleitung aus dem Boden gerissen. Die Havarie blieb zum Glück ohne Folgen.

Bauleute arbeiteten in zwei Schichten

Vor der Inbetriebnahme des Grenzübergangs wurde die Ruine der Wachtschänke abgerissen.
Vor der Inbetriebnahme des Grenzübergangs wurde die Ruine der Wachtschänke abgerissen. © Heimat- und Geschichtsverein Neugersdorf
Im August 1985 wurde die Hauptstraße auch an der Postkreuzung grundhaft instandgesetzt. Ende 1986 war das Bauvorhaben abgeschlossen.
Im August 1985 wurde die Hauptstraße auch an der Postkreuzung grundhaft instandgesetzt. Ende 1986 war das Bauvorhaben abgeschlossen. © SZ-Archiv/P. Stache

Inzwischen waren fünf Jahre vergangen. Der Transitverkehr rollte durch Neugersdorf und nahm zu. Doch ab Einmündung Lutherstraße bergab Richtung Löbau war die Hauptstraße, die Landstraße I. Ordnung 148, die Alte geblieben. Es musste etwas geschehen. Im März 1983 ging es endlich mit der Grunderneuerung los. In zwei Abschnitten wurde gebaut. Zunächst vom Konsum-Textilhaus „Finesse“ bis zur Postkreuzung, wo die ortsbildprägende Winklersche Scheune und ein öffentliches WC verschwanden. Danach ging es weiter bis zur Bahnbrücke. „Am 5. November 1986 wurde der letzte Teil der grunderneuerten Straße übergeben. Die Fußwege waren allerdings noch fertigzustellen“, erinnert sich Gerhard Heinke, Vorsitzender des Neugersdorfer Heimat- und Geschichtsvereins. Am 10. Oktober 1985 hatte die „Sächsische Zeitung“ in einer Zwischenbilanz vor allem die Leistungen der in zwei Schichten tätigen Bauarbeiter des Löbauer Betriebes vom Verkehrs- und Tiefbaukombinat Dresden hervorgehoben. Die Einschnitte in den Verkehr waren auch in dieser Bauphase groß. An internationalen Fernlastverkehr über Neugersdorf war nicht zu denken. Immer wieder wiesen die Medien darauf hin, dass vorübergehend Neugersdorf nicht genutzt werden könne, sie empfahlen vor allem Zinnwald als Ausweichübergang.

Ende der 1980er-Jahre war die Hauptstraße in Neugersdorf komplett rekonstruiert. Doch die Lkw-Schlangen blieben und wurden lang und länger. Oft war die Stadt verstopft. Das führte zu Unmut der Einwohner, die beispielsweise am 6. März 1992 die Postkreuzung blockierten. Nur Notlösungen konnten hier Abhilfe schaffen. So der Zollplatz am heutigen Gewerbegebiet Kamerun. Von dort wurden die Brummis zu einer Art kontrollierter Weiterfahrt Richtung Grenzübergang geschickt. Oder eine Auffangzone, die vom „Goldenen Löwen“ bis Kottmarsdorf reichte und in der Dixi-Klos die Umweltverpestung nur geringfügig lindern konnten.

Eine Lösung brachte erst die Neugersdorfer Ortsumgehung. Begonnen im August 1997 vergingen Jahre, ehe sie endlich nutzbar war. Bis dahin rollten die „Transiter“ wie gehabt vom Zollplatz am Gewerbegebiet über die Postkreuzung bis zum Übergang am Eiskellerberg.