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Nach drei Generationen ist Schluss: Schleiferei Mühlchen wird verkauft

Die Schleiferei Mühlchen war eine Institution in Neugersdorf. Nach dem Tod des Inhabers hatte die Tochter Pläne. Warum das nicht klappte und wie es nun weitergeht.

Von Romy Altmann-Kuehr
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Die ehemalige Schleiferei Mühlchen in Neugersdorf steht zum Verkauf.
Die ehemalige Schleiferei Mühlchen in Neugersdorf steht zum Verkauf. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Noch sieht es fast so aus wie immer, wie seit Jahrzehnten: einladende, bunte Dekoration steht vor dem Geschäft und ziert auch die Fenster. Das Schleiferei-Schild hängt noch an der Fassade. In absehbarer Zeit aber wird die Schleiferei Mühlchen in Neugersdorf an der Zittauer Straße Geschichte sein. Nach drei Generationen sind Geschäft und Werkstatt inzwischen schon einige Zeit geschlossen - seit Schleifermeister Kurt Mühlchen verstorben ist. Seine Tochter Petra nimmt aber bislang noch Messer und Werkzeuge von Kunden an und schickte sie zu Kollegen zum Schleifen.

Nun aber hat sie einen Entschluss gefasst: Sie wird das Haus mit der ehemaligen Schleiferei verkaufen. Damit wird ein alteingesessener Handwerksbetrieb endgültig geschlossen. Ihr Vater Kurt Mühlchen hatte hier bis ins hohe Alter in der Werkstatt gestanden. Kurt Mühlchen war äußerst beliebt im Oberland, viele haben bei ihm ihre Küchenmesser und andere Werkzeuge auf Vordermann bringen lassen. Im Dezember 2021 verstarb er mit 84 Jahren. Seine Tochter wollte anschließend die Werkstatt nicht komplett aufgeben, sondern sein Lebenswerk in gewisser Weise weiterführen. Sie plante, in der noch voll eingerichteten Werkstatt, Workshops in dem alten Handwerk anzubieten. Kurt Mühlchens Wohnung vermietete sie unter dem Motto "Ferien beim Schleifer" als Ferienunterkunft.

"Ich habe versucht, das alles zu erhalten", sagt die quirlige Blondine für ihre Verhältnisse sehr nachdenklich. "Aber es geht nicht." Sie habe Feriengäste gehabt, aber zu wenige, um das Haus wirtschaftlich zu halten. Sie selbst hat noch ein Haus in Ebersbach. Und beide zu unterhalten, das schaffe sie allein einfach nicht. Sie wünscht sich, einen Käufer für das Zweifamilienhaus zu finden, der auch das Ladengeschäft nutzen möchte. Und vielleicht, so der kühne Traum, findet sich ja sogar jemand für die Schleiferwerkstatt. Die ist noch komplett eingerichtet. "Es würde mir sehr wehtun, die Maschinen womöglich verschrotten zu müssen", sagt Petra Mühlchen. Das rar gewordene Handwerk zu erlernen, sei durchaus noch möglich. "Man braucht ein ruhiges Wesen und Geduld. Und mehr Kraft, als man denkt", hat sie selbst die Erfahrung gemacht. Auch sie hat sich bei ihrem Vater mal im Schleiferhandwerk versucht. "Ich bin aber zu zappelig dafür", sagt sie lachend. Solange bis das Haus verkauft ist, wird sie weiterhin an zwei Tagen in der Woche Messer, Scheren und anderes zum Schleifen von Kunden annehmen.

Auch Deko-Ausstellungen gibt es nicht mehr

Im Garten der Schleiferei hat Petra Mühlchen (links) gern selbst mit Gästen gesessen - auf ihren selbst geflochtenen Stühlen. Sie vermietete die Schleifer-Wohnung auch als Ferienunterkunft.
Im Garten der Schleiferei hat Petra Mühlchen (links) gern selbst mit Gästen gesessen - auf ihren selbst geflochtenen Stühlen. Sie vermietete die Schleifer-Wohnung auch als Ferienunterkunft. © Matthias Weber/photoweber.de

Ihr Elternhaus aufzugeben bedeutet für die 57-Jährige jetzt in mehrerer Hinsicht eine Veränderung. Denn das Schleifer-Haus in Neugersdorf war auch immer der Sitz ihrer eigenen Firma. Die gelernte Korbmacherin ist seit vielen Jahren als Dekorateurin selbstständig und außerdem Flechtkünstlerin. Bekannt sind ihre handgefertigten Sitzmöbel aus Flechtwerk, unter anderem in Form von Schaukeln.

Im Mühlchen-Haus an der Zittauer Straße hatte sie ihre Deko-Werkstatt, hat regelmäßig zu Ausstellungen eingeladen, meist zu Ostern und Weihnachten mit entsprechender Saison-Ware. Auch diese Veranstaltungen waren eine Institution im Oberland. Ostern hat sie nun ihre letzte Schau mit Verkauf veranstaltet. Einen großen Teil der Deko-Sachen hat sie da verkaufen können. "Ausverkauf wegen Hausverkauf" - so hatte sie ihre letzte Ausstellung beworben. Das Kuriose: Die Leute kamen in Scharen und kauften ihre Dekorationen. Noch zur Weihnachtsausstellung, erzählt Petra Mühlchen, war sie beinahe verzweifelt, weil die Resonanz gering, der Umsatz mehr als mau gewesen war. Der Entschluss steht aber auch nach dem Erfolg der Oster-Schau. Das Haus wird verkauft, auch die Ausstellungen wird es künftig nicht mehr geben. Ihre Materialien hat Petra Mühlchen bereits ausgelagert und das Haus weitestgehend beräumt.

Die Deko-Branche hat es immer schwerer, sagt die gelernte Korbmacherin.
Die Deko-Branche hat es immer schwerer, sagt die gelernte Korbmacherin. © PR-Foto

Die Deko-Branche hat es schwer

Die Dekorations-Branche, so Petra Mühlchen, hat sich verändert. Die Leute kaufen ihre Deko bei großen Ketten oder - wie so vieles - im Internet. "Man sieht es ja auch daran, wie viele kleine Blumenläden aufgegeben haben." Von über 50 Kunden, bei denen sie regelmäßig beispielsweise Schaufenster oder Räume dekorierte, sind ihr fünf geblieben, erzählt sie.

Die Handwerkerin und Künstlerin will sich deshalb jetzt neue Aufgaben suchen und positiv in die Zukunft blicken. Sie hat sich in verschiedene Richtungen beworben. Noch ist nichts spruchreif. Auch über eine Selbstständigkeit im Ausland hatte sie nachgedacht. Spanien ist ihr Lieblingsgziel. Aber auch das sei nicht so leicht. Sicher ist, dass sie weiterhin Flecht- und Malkurse anbieten will in ihrem Haus in Ebersbach, das sie "Schloss des Windes" nennt - wegen der zugigen Lage auf einer Anhöhe. Das ist der neue Trend, sagt sie: Die Leute wollen selbst kreativ sein, vieles selber herstellen und sich dafür Anleitung holen.