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Oberland: Mühlchen-Haus wird doch nicht verkauft - Tochter öffnet Handwerkshaus

Die Tochter von Schleifermeister Mühlchen wollte das Haus in Neugersdorf verkaufen und auswandern. Diese Pläne hat sie verworfen. Stattdessen gibt es neue Ideen - und zwei Tage der offenen Tür.

Von Romy Altmann-Kuehr
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Korbmachermeisterin Petra Mühlchen ist bekannt für ihre Flechtkunst.
Korbmachermeisterin Petra Mühlchen ist bekannt für ihre Flechtkunst. © PR-Foto

Wenn Kurt das sehen könnte - er wäre begeistert! Vor knapp drei Jahren ist der bekannte Neugersdorfer Schleifermeister Kurt Mühlchen verstorben, er war eine Institution im Oberland. Jetzt wird sein Haus zur Handwerker-Pension und soll Gäste anregen, selbst kreativ zu werden und handwerklich etwas anzupacken.

Seine Tochter Petra, selbst Meisterin im Korbmacherhandwerk, will das Haus an der Zittauer Straße auf diese Weise wieder beleben. Sie vermietete bereits die ehemalige Wohnung ihres Vaters direkt neben dem früheren Ladengeschäft und der Werkstatt unter dem Motto "Ferien beim Schleifer". Dann hatte sie andere Pläne, wollte das Elternhaus sogar verkaufen und ins Ausland gehen. Noch vor einem reichlichen Jahr sprach sie davon, in Spanien sesshaft werden zu wollen. Viele Male hat sie das Land bereist und dort auch Kunsthandwerks-Kurse gegeben. Das wollte sie ausbauen, auch einen kleinen Laden einrichten, um ihre handgefertigten Sachen zu verkaufen. "Aber das ist nicht so einfach, wie ich mir das vorgestellt hatte", resümiert sie.

Nun will sie einen Neuanfang starten - in Neugersdorf. "Ich bleibe hier, das Haus wird nicht verkauft", sagt sie entschlossen. Durch die Erfahrungen im Ausland sei ihr klar geworden, was ihr die Heimat bedeutet. "Ich habe Leute um mich herum, die mir helfen, die mich unterstützen. Die Oberlausitzer sind einfach nette Menschen." Große Stücke hält sie auf die hiesigen Handwerker. "Da genügt ein Anruf und es ist jemand zur Stelle." Diesen Stand müsse man sich woanders erst einmal wieder erarbeiten. "Dazu bin ich zu alt", sagt die quirlige 58-Jährige und lacht ihr erfrischendes Lachen.

Stattdessen hat sie sich einen festen Job in der Heimat gesucht, arbeitet als Pflegehelferin im Oderwitzer Pflegeheim. In dieser neuen Aufgabe geht sie auf, die Senioren sind ihr ans Herz gewachsen. "Diese Arbeit hat mich auch geerdet", sagt Petra Mühlchen.

Ferienwohnung im Handwerkerhaus

Nach außen ist das aus der Schleiferei Mühlchen in Neugersdorf beinahe unverändert.
Nach außen ist das aus der Schleiferei Mühlchen in Neugersdorf beinahe unverändert. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Auch die Werkstatt von Kurt Mühlchen ist noch voll eingerichtet. Hier finden Workshops statt.
Auch die Werkstatt von Kurt Mühlchen ist noch voll eingerichtet. Hier finden Workshops statt. © privat
Die ehemalige Schleifer-Wohnung ist jetzt Feriendomizil. Künftig soll das ganze Haus an Gäste vermietet werden.
Die ehemalige Schleifer-Wohnung ist jetzt Feriendomizil. Künftig soll das ganze Haus an Gäste vermietet werden. © privat

Ihre handwerklichen Angebote will sie aber beibehalten, ihre Spezialität ist das Flechten, sowohl mit Polypropylen als auch mit Naturmaterialien. Verschiedenste Deko-Elemente und sogar gemütliche Schaukeln stellt sie daraus her. In jedem Zimmer des Mühlchen-Hauses wird bald so eine Schaukel hängen. Denn zusätzlich zu Kurts Wohnung will sie künftig das ganze Handwerkerhaus an Gäste vermieten - vom Erdgeschoss bis zum Dachboden. Sie renoviert derzeit die Räume. Am kommenden Wochenende öffnet sie das Haus für Neugierige. An den beiden Tagen soll es gemäß dem Motto ums Handwerk gehen: Ein Schleifermeister ist da, bei Handwerksspielen wie zum Beispiel Zimmermannsnageln können sich die Besucher selbst versuchen. "Es soll ein positives, lustiges und fröhliches Wochenende werden", sagt die quirlige Unternehmerin.

Für das kommende Jahr hat sie schon Buchungen von Gästen, die mit der ganzen Familie herkommen wollen. Petra Mühlchen sieht Bedarf darin, ein Ferienhaus anzubieten, wo größere Gruppen gemeinsam unterkommen können. Etwa, wenn Weggezogene zu Familienfeiern herkommen. Dann wird es oft problematisch, alle an einer Stelle unterzubekommen, hat sie festgestellt. Vom Schlafzimmer mit opulentem Hängebett bis hin zur gemütlichen Dachkammer, von der aus man direkt auf den Kirchturm schaut, gibt es im gesamten Haus verteilt originelle Schlafplätze. Zusätzlich möchte sie mit Feriengästen Workshops durchführen. Flechten, Floristik und Schleifworkshops sind im Programm.

Generell liegt es ihr am Herzen, das Handwerk weiterzugeben. So betreut sie GTA-Angebote an Schulen. "Ich möchte mit schönen, dekorativen Dingen den jungen Leuten das Handwerk nahebringen." Sie will zeigen, dass man auch mit der Arbeit seiner Hände kreativ sein und etwas schaffen kann - abseits von Computer und Handy. "Das kommt gut an", hat sie die Erfahrung gemacht.

Und auch im Mühlchen-Haus will sie Besucher inspirieren. "Man kann mit ein paar Handgriffen und wenigen Mitteln viel gestalten." Das kunterbunte Haus, dem man sein fröhliches Innenleben von außen gar nicht ansieht, ist ein gutes Beispiel dafür.

Kurts Laden allerdings will Petra Mühlchen nicht mehr an festen Tagen öffnen. Zwar ist er komplett eingerichtet, Messer, Scheren und anderes können noch erworben werden. Allerdings nur nach Absprache. "Außerdem werde ich zwei, drei Aktionstage im Jahr organisieren, wo dann offen ist."

Eines wird aber auch am Wochenende so sein, wie es die Menschen von Schleifermeister Mühlchen kannten. "Es gibt die Kurt-Pralinen", sagt seine Tochter schmunzelnd. Wer zum Schleifer in den Laden kam, fand immer eine Schale mit einer bestimmten Sorte Schokoladen-Bonbons auf dem Tresen vor und konnte sich daraus bedienen. Ein liebgewonnenes Ritual bei vielen seiner Kunden. Die Schale mit den Pralinen wird auch zum offenen Wochenende am gewohnten Platz stehen.

  • Tag der offenen Tür bei Mühlchen: 14. und 15. September, jeweils 10 bis 18 Uhr.