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Hochwasser: Neiße-Pegel in Görlitz kurz vor höchster Alarmstufe

Seit dem frühen Morgen steht Görlitz im Fokus der Hochwasserlage: Hier treffen die Welle der Neiße aus Zittau und über die Witka das Wasser aus dem Isergebirge zusammen.

Von Sebastian Beutler & Markus van Appeldorn
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Die Neiße in Görlitz an diesem Montagmorgen. Nach einem dramatischen Anstieg verharrt der Pegel nun knapp unter der Alarmstufe vier.
Die Neiße in Görlitz an diesem Montagmorgen. Nach einem dramatischen Anstieg verharrt der Pegel nun knapp unter der Alarmstufe vier. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Die Hochwassersituation an der Neiße in Görlitz hat sich in der Nacht zum Montag verschärft. Der Neiße-Pegel liegt hier jetzt mit Stand 7.45 Uhr bei 5,57 - drei Zentimeter unter der höchsten Alarmstufe vier. Das Landeshochwasserzentrum in Dresden hat in der Nacht eine neue Warnung veröffentlicht. Demnach übersteigt die Neiße in Görlitz auch die höchste Alarmstufe, ehe sie dann auf diesem Niveau verharrt und bis zum Abend wieder leicht fallen soll.

Nach Angaben des Görlitzer Landratsamtes ist die B99 bei Görlitz-Hagenwerder wegen Überflutung gesperrt.

Während die Lage in Görlitz kritisch ist, hat sie sich an Oberlauf der Neiße zwischen Liberec und Zittau entspannt. In Zittau liegt der Pegel am Montagmorgen knapp unter der Alarmstufe 1, bei weiter sinkender Tendenz.

In Görlitz ist jetzt nicht nur die Hochwasserwelle aus dem Oberlauf der Neiße eingetroffen, die sich Sonntagabend herausgebildet hatte, als in Zittau die Alarmstufe 3 erreicht wurde. Mittlerweile erhöht das abfließende Wasser aus dem Isergebirge oberhalb von Friedland den Druck in Görlitz. Es fließt über die Smeda und Witka bei Radomierzyce/Hagenwerder in die Neiße. Während die Pegel an der Smeda fallen, führt die Witka unterhalb des Staudamms noch immer enorm viel Wasser.

Auch das Czerwona Woda, das in Zgorzelec/Görlitz in die Neiße kommt, und eigentlich ein kleiner Wasserlauf ist, führt derzeit sehr viel Wasser.

Übers Wochenende hatte das Hochwasser kaum Schäden an Gebäuden im Landkreis Görlitz angerichtet, auch kamen keine Personen zu Schaden. Nur die Neißeauen südlich von Görlitz stehen unter Wasser, aber dafür sind sie im Hochwasserfall auch da. Auch in Radmeritz hat sich die Neiße auf die dafür vorgesehenen Wiesen ausgebreitet.

Die Odeg hatte für den Schienenverkehr auf der Strecke Görlitz-Zittau am Sonntagmorgen noch erhebliche wetterbedingte Verzögerungen gemeldet, die Störungsmeldung aber später aufgehoben. In Ostritz ist die Fußgängerbrücke über die Neiße gesperrt.

Der Görlitzer Pegel der Neiße erreichte am Sonntagmorgen 4,63 Meter und damit Alarmstufe 3. Am Nachmittag zeigte der Pegel eine sinkende Tendenz, für die Nachtstunden rechnet die Stadt aber wieder mit einem Anstieg. Der rasante Anstieg in der Nacht zum Sonntag dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die polnische Seite im Witka-Stausee Platz für die erwarteten neuerlichen Wassermassen aus dem Isergebirge im Verlauf des Sonntags geschaffen hat. Tatsächlich steigen die Pegel der Smeda bei Friedland wie der Neiße in Liberec wieder und teilweise sehr schnell. Die Lage an den Zuflüssen auf deutscher Seite blieb am Sonntagvormittag zunächst überschaubar.

Neißepegel Zittau erreicht Alarmstufe 3

Der Neißepegel in Zittau war bis zum Sonntagmorgen auf unter 1,50 Meter gesunken, überstieg aber am Nachmittag wieder die 2,50-Meter-Marke - Alarmstufe 2. Wegen der steigenden Tendenz wurde die Höchstmarke vom Sonnabend schnell überschritten. Um 19.30 Uhr zeigte der Pegel bereits 2,85 Meter und hatte schon bei 2,80 Metern Alarmstufe 3 überschritten - Tendenz steigend. Bei einem Pegelstand von 3,96 Metern war die Lage in Görlitz zunächst zu diesem Zeitpunkt auf die Alarmstufe 1 zurückgegangen - aber die Welle läuft natürlich auf Görlitz zu.

Kommunalpolitiker waren am Sonnabend bemüht, einerseits auf den Ernst der Lage hinzuweisen, andererseits aber Panik zu vermeiden. Der Görlitzer Landrat Stephan Meyer hatte sich bereits am Morgen auf Instagram vom Zusammenfluss von Neiße und Mandau bei Zittau gemeldet und sprach von einer „noch recht entspannten Lage“, um zugleich die Bürger auf eine zweite Welle am Sonntag vorzubereiten.

Der Görlitzer Oberbürgermeister trat selbst bei einer Nachricht am Nachmittag auf Instagram nicht in Erscheinung, teilte aber mit, dass bei der jetzigen Lage „für Görlitz und seine Ortsteile keine Gefahr ausgeht. Bisher bleibt der Pegelstand deutlich unter den vorausgesagten Höhen für heute.“

Dennoch waren in Görlitz die Kameraden der Berufsfeuerwehr sowie der Ortsfeuerwehren Innenstadt und Kunnerwitz am Sonntagmorgen kurz vor 3 Uhr in der Hotherstraße im Einsatz und haben dort mit Sandsäcken die Sicherungsmaßnahmen in einem Wohnhaus unterstützt. Das Wasser drückte von unten in den Keller. Die Hotherstraße selbst ist momentan nicht überschwemmt. In Hagenwerder ist, wie immer bei einer angekündigten Hochwasserlage, der Neißeradweg an den üblichen Stellen gesperrt.

Am Sonnabend hatten sich nach dem starken Regen die kleinen Flüsse wie das Landwasser in Niederoderwitz, das Löbauer Wasser in Großschweidnitz, der Schwarze und Weiße Schöps sowie die Pließnitz und die Mandau recht schnell beruhigt. Ihre Pegel lagen am Sonnabendabend zum Teil nur bei der Hälfte der Höhe aus der Nacht zum Sonnabend und führten auch deutlich weniger Wasser. Auch am Oberlauf der Spree zwischen Ebersbach und Neusalza-Spremberg hieß es überall: kein Hochwasser.

Ein kleiner Junge blickt auf das beginnende Hochwasser der Neiße an der Altstadtbrücke Görlitz.
Ein kleiner Junge blickt auf das beginnende Hochwasser der Neiße an der Altstadtbrücke Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Trotzdem herrscht derzeit Unsicherheit, wie die Lage sich entwickelt. Das hängt zum einen mit kleineren polnischen und tschechischen Zuflüssen in die Neiße ab. Dort sinken die Pegel deutlich langsamer. Das trifft auf die Witka, die Smeda und die Miedzianka zu, die teilweise direkt aus dem Isergebirge kommen. Auch das Czerwona Woda in Zgorzelec führt deutlich mehr Wasser als normal, aus Sulikow im Kreis Zgorzelec werden deswegen laut dem Internet-Portal "zgorzelec.info" vereinzelt Überschwemmungen gemeldet.

Zum anderen ist die Gefahr noch real, weil weitere Regenfälle ab Sonntag an der Neiße, aber auch in Tschechien und Südostpolen erwartet werden. Sie fallen laut dem Deutschen Wetterdienst zwar geringer aus als zwischen Freitag und Sonnabend. 30 bis 50 Liter pro Quadratmeter sind für Ostsachsen möglich, von Freitag bis Sonntagmittag waren es laut Landeshochwasserzentrum im tschechischen Bergland deutlich über 100 Liter pro Quadratmeter.

Blick auf die Altstadtbrücke und das Neiße-Hochwasser in Görlitz am Sonntag.
Blick auf die Altstadtbrücke und das Neiße-Hochwasser in Görlitz am Sonntag. © Paul Glaser/glaserfotografie.de (4), Markus van Appeldorn (3)
In Ostritz ist die Neißebrücke hinüber zum Bahnhof gesperrt.
In Ostritz ist die Neißebrücke hinüber zum Bahnhof gesperrt. © Markus van Appeldorn
An der Bahnhofstraße in Ostritz hat die Feuerwehr eine Flutschutzwand installiert.
An der Bahnhofstraße in Ostritz hat die Feuerwehr eine Flutschutzwand installiert. © Markus van Appeldorn
Auch zwischen Hagenwerder und Radomierzyce in Polen ist die Neiße über die Ufer getreten.
Auch zwischen Hagenwerder und Radomierzyce in Polen ist die Neiße über die Ufer getreten. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
In Radmeritz hat sich die Neiße auf die Uferwiesen ausgebreitet.
In Radmeritz hat sich die Neiße auf die Uferwiesen ausgebreitet. © Markus van Appeldorn
Der Neißeradweg ist auf Grund der überfluteten Neißewiesen in Görlitz-Weinhübel gesperrt.
Der Neißeradweg ist auf Grund der überfluteten Neißewiesen in Görlitz-Weinhübel gesperrt. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Das leerstehende Grundstück neben der Altstadtbrücke steht während des Neiße-Hochwassers ebenfalls unter Wasser.
Das leerstehende Grundstück neben der Altstadtbrücke steht während des Neiße-Hochwassers ebenfalls unter Wasser. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Problematisch an den noch erwarteten Regenfällen sei, dass diese auf bereits wassergesättigte Böden und stark wasserführende Flüsse treffen würden. "Dabei ist an der Neiße das Überschreiten der Richtwerte der Alarmstufe 3 von vier möglichen Alarmstufen nach aktuellem Stand nicht auszuschließen", heißt es beim Landeshochwasserzentrum Sachsen.

Der Neißezufluss Smeda ist in Tschechien vielerorts über die Ufer getreten. Foto:Hasici Raspenava
Der Neißezufluss Smeda ist in Tschechien vielerorts über die Ufer getreten. Foto:Hasici Raspenava © Hasici Raspenava

Notstand in Tschechien ausgerufen

In 18 Dörfern in der tschechischenRegion Frýdlant (Friedland) gilt seit Sonntagnachmittag der Notstand. "In dem Gebiet leben etwa 24.000 Menschen", sagte Filip Trdla, Sprecher der Region Liberec. „Wir haben keine klare Wettervorhersage, die einen Rückgang der Wassermenge bis heute Abend bedeuten könnte “, ergänzte der Hauptmann Martin Půta. Die Ausrufung des Notzustandes ermöglicht es vor allem, die Menschen aus den am stärksten gefährdeten Gebieten zu evakuieren und den Zugang oder die Zufahrt in diese Gebiete zu verbieten. Um 18.00 Uhr am Sonntag trat der regionale Katastrophenschutzstab zusammen.

Die Smědá (Wittig) hatte schon am Sonnabend die Gemeinde Višňová vom Rest der Region abgeschnitten. Drei Häuser wurden dort überflutet. Während der Nacht beruhigte sich die Lage etwas, ab Sonntagmorgen kamen neue kräftige Niederschläge und starker Wind dazu. Die Talsperren in der Region Liberec sind zu 60 bis 90 Prozent gefüllt. Über die Straße läuft das Wasser auch in Mníšek (Einsiedel), die Autos dürfen dort nicht über die Brücke fahren. Die Feuerwehr leistete in der Nacht 300 Einsätze, überwiegend wegen umgestürzter Bäume. 22.000 Haushalte im Bezirk sind ohne Strom. (mit Petra Laurin)