Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Löbau

Bierzug-Schießen: "Anzeige verleumderisch und von zweifelhafter Herkunft"

Wegen der schweren Vorwürfe gibt unter anderem der Löbauer OB Gubsch eine Ehrenerklärung für einen betroffenen Schützen ab. Wie ein Ex-Mitglied bei der Behörde gegen die Schützen keilt.

Von Markus van Appeldorn
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Eibauer Bierzug. Nach dem Salutschießen der Eibauer Schützen mit Böllergewehren zum Auftakt 2023 gab's Ärger.
Der Eibauer Bierzug. Nach dem Salutschießen der Eibauer Schützen mit Böllergewehren zum Auftakt 2023 gab's Ärger. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Der Eibauer Bierzug begann in diesem Jahr erstmals ohne eine seit Jahrzehnten gepflegte Tradition: das Salutschießen des Eibauer Schützenvereins mit Böllergewehren.

Nach dem letzten Böllerschießen 2023 hatte ein Vereinsmitglied sechs Vereinskameraden bei der Waffenbehörde angezeigt - diese hätten zuvor nicht die für so ein Böllerschießen notwendige waffenrechtliche Genehmigung eingeholt.

In der Folge wurden der Schießstand der Schützen und die Wohnungen aller sechs Beteiligten von schwer bewaffneten Polizeikräften durchsucht, sämtlichen beteiligten Schützenbrüdern ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse entzogen. Darüber herrscht vielerorts Fassungslosigkeit. Und Löbaus Oberbürgermeister Albrecht Gubsch (parteilos) findet in einer Ehrenerklärung für einen der betroffenen Schützen klare Worte. Er bezeichnet die Anzeige in einem Schreiben an Landrat Stephan Meyer als "verleumderisch und nach ihrer Herkunft zweifelhaft".

Eberhard Pufe (76) Vorsitzender des Eibauer Schützenvereins und einer der Böllerschützen sagt: "Wir machen das seit 30 Jahren - jedes Jahr in Absprache mit den Behörden. Und nun will die Waffenbehörde davon plötzlich nichts mehr gewusst haben." Und sein ebenfalls beteiligter Schützenbruder Frank Engemann erklärt die Folgen des behördlichen Waffenverbots nach Anzeige und Durchsuchungen für alle Beteiligten: "Ich dürfte nicht einmal mehr auf dem Jahrmarkt an einer Bude mit einem Luftgewehr schießen", sagt er und fügt an: "Das Salutschießen zur Eröffnung des Eibauer Bierzugs ist damit tot."

Böser Vorwurf des "ungehemmten Alkoholkonsums"

Den Stein ins Rollen brachte eben ein ehemaliges Mitglied der Eibauer Schützen - vor dem Bierzug 2023 noch 2. Vorsitzender und damit Organ des Vereins. Doch statt seiner Organpflicht nachzukommen, die Schützenkameraden auf die Notwendigkeit einer waffenrechtlichen Genehmigung aufmerksam zu machen, erstattete er danach - am 25. Juli 2023 - Anzeige gegen die Vereinskameraden beim Ordnungsamt des Landkreises. Und ausweislich der SZ vorliegenden vom Ordnungsamt erstellten Gesprächsnotiz holte er dabei noch viel weiter gegen Verein und Kameraden aus.

So bezichtigte er etwa einige Schießleiter, diese würden sich aus einem mit Bier gefüllten Kühlschrank "im Eingangsbereich des Schießstands ungehemmt bedienen". Weiter heißt es in den Vorwürfen, "dass insbesondere Herr Pufe ständig trinkt". Auch mit den Vereinswaffen würde lax umgegangen. "Es gab auch schon Vorfälle, z.B. wurde eine geladene Waffe stehen gelassen", heißt es weiter in der Gesprächsnotiz. Doch laut den Schützenbrüdern habe die Waffenbehörde bei der im Oktober 2023 erfolgten Durchsuchung nur eines beanstandet: Jenen Kühlschrank, der aber nicht im "Eingangsbereich des Schießstandes" gestanden habe, sondern von diesem getrennt. Außerdem betont ein Schießleiter gegenüber der SZ bei der Inaugenscheinnahme der Anlage: "Niemand, der hier geschossen hat oder als Gast mit einer Waffe da war, hat aus diesem Kühlschrank alkoholische Getränke bekommen."

Nach der polizeilichen Durchsuchung war der Schießstand in Eibau für etwa drei Wochen behördlich geschlossen. Der Grund: Als Vorsitzender war Pufe Betriebserlaubnis-Verantwortlicher. Wegen des Entzugs der waffenrechtlichen Erlaubnisse darf er als solcher nicht mehr auftreten. Bis andere Schützenkameraden diese Aufgabe übernehmen konnten, musste der Schießbetrieb ruhen.

Ehrenerklärungen von allen Seiten

Löbaus OB Albrecht Gubsch fühlte sich verpflichtet, für Eberhard Pufe in die Bresche zu springen - Pufe war nämlich von 1970 bis 2008 Löbauer Stadtförster und auch danach immer noch als Jagdleiter für die Stadt tätig. Gubsch schreibt an den Landrat: "Er war in der Aufgabenwahrnehmung stets zuverlässig und korrekt. Nie gab es Sicherheitsprobleme, Unfälle oder Schwierigkeiten in diesem durchaus gefahrträchtigen und sensiblen Bereich." Pufe werde auch weiterhin von der Stadt Löbau als Jagdleiter gebraucht. Unterzeichnet ist diese Erklärung auch vom Löbauer Stadtförster Lars Morgenstern.

Auch Kottmars Bürgermeister Michael Görke (parteilos) gab dem Landrat gegenüber eine Ehrenerklärung für Eberhard Pufe ab. Er schreibt, ihm sei kein einziger Fall bekannt, in dem Pufe gegen Gesetze oder Bestimmungen verstoßen habe, es zu Unfällen oder Sicherheitsproblemen gekommen sei und bescheinigt ihm "seine hohe Zuverlässigkeit". Auch bei der geliebten Tradition des Salutschießens hätten die Schützen "peinlich auf Sicherheit geachtet". Der Jagdverband Oberlausitz bittet den Landrat in einer weiteren Ehrenerklärung darum, "dass bei der Beurteilung der Vorwürfe der tadellose Lebenslauf und das Lebenswerk von Eberhard Pufe angemessen berücksichtigt wird". Das entsprechende Verfahren gegen Pufe ist noch nicht abgeschlossen.

Polizei: "Kräfteeinsatz aus taktischer Sicht gerechtfertigt"

Viele der Betroffenen empfanden den massiven Polizeieinsatz im Schießstand und in den Wohnungen als zu martialisch. "Im Schießstand durchsuchten sie mit vorgehaltener Waffe, bei mir daheim nicht", schildert Pufe. SZ hat die Polizei daher zur Angemessenheit des Einsatzes befragt. Die Polizei antwortet, dass nicht wie im Gericht vorgetragen sogenannte Lebel-Kräfte (Spezialkräfte für lebensbedrohliche Einsatzlagen), sondern solche des sogenannten Einsatzzuges eingesetzt worden waren. "Die Waffenbehörde des Landkreises Görlitz beantragte Amtshilfe bei der PD Görlitz", begründet die Polizei das Vorgehen. Bei einzelnen Mitgliedern des Schützenvereins Eibau seien im Vorfeld waffenrechtliche Verstöße festgestellt worden. "Die Waffenbehörde holte daraufhin Durchsuchungsbeschlüsse für den Schießplatz Eibau sowie für sechs Wohnungen von Vereinsmitgliedern ein", so die Polizei. Dabei sollten waffenrechtliche Erlaubnisse und Waffen eingezogen werden. In einen dieser vom Amtsgericht Zittau erlassenen Durchsuchungsbeschlüsse hat die SZ Einsicht genommen. Er datiert von August 2023.

Bei sieben (Verein + 6 Wohnungen) zeitgleich zu durchsuchenden Wohnungen sei aus taktischer Sicht der vollzogene Kräfteansatz gerechtfertigt gewesen. Durchsuchungsbeginn sei am 17. Oktober um 17 Uhr m Vereinshaus/Schießplatz gewesen, anschließend bis um 21.10 Uhr Durchsuchungen der restlichen sechs Objekte.