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Echte Reue nach jugendlicher Dummheit - Gnade mit zwei jungen Straftätern

Drei junge Männer begehen einen Betrug - doch noch vor dem Strafprozess gegen sie unternehmen sie alles, den Schaden wiedergutzumachen.

Von Markus van Appeldorn
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Zwei reuige junge Straftäter finden am Amtsgericht Zittau richterliche Gnade.
Zwei reuige junge Straftäter finden am Amtsgericht Zittau richterliche Gnade. © dpa/Arne Dedert

Mehr Reue war wahrscheinlich nie am Amtsgericht Zittau als am Donnerstag in einem Prozess wegen Betrugs und Beleidigung. Denn dass sich Täter im Gerichtssaal salbungsvoll entschuldigen und Besserung geloben - das ist Alltag. Dass aber Täter reuevolle Abbitte bei ihren Opfern und Schadenwiedergutmachung geleistet haben, lange bevor es zum Prozess kommt - das hat absoluten Seltenheitswert. Unterschiedliche Auffassungen gab es dagegen zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft, was unter "jugendtypischem Verhalten" zu verstehen ist.

Auf der Anklagebank hätten drei junge Männer sitzen müssen. Weil einer erkrankt war, wurde das Verfahren gegen ihn abgetrennt. Gemeinsam waren die drei im Oktober 2023 in den Obi-Markt in Ebersbach gegangen. Dort leerten sie einen Karton, in dem Filter für 12,49 Euro verpackt waren und legten stattdessen zwei Ersatz-Akkus im Wert von beinahe 300 Euro hinein. Einer steckte sich noch zwei Möbelfüße im Wert von 21 Euro in seine Kapuze. An der Kasse zahlten sie dann bloß die vorgeblichen Filter, die Möbelfüße gar nicht. Außerdem wurde den beiden vorgeworfen, Polizisten den "Stinkefinger" gezeigt zu haben. Der eine soll das im Oktober 2023 in Görlitz getan haben, der andere im Dezember in der Grenzkontrolle an der Friedenstraße in Zittau. Angeklagt war das als gemeinschaftlicher Betrug und Diebstahl und eben bei jedem eine Beleidigung.

Tätige Reue kurz nach der Tat

Was die zur Tatzeit 18- und 20-Jährigen bei ihrer Tat im Obi-Markt nicht bedacht hatten: Sie stahlen vor laufender Überwachungskamera und wurden deswegen später erkannt. Als sie dann aber kurz darauf Post von der Polizei bekamen, handelten sie sofort. "Wir sind alle gemeinsam in den Obi-Markt zum Marktleiter gegangen, haben die Waren bezahlt und zusätzlich noch 100 Euro Strafe", erklärte einer der beiden, und: "Wir haben den Marktleiter auch um Verzeihung gebeten. Es war einfach sehr dumm von uns." Und natürlich war dieser Moment für alle drei peinlich - aber ehrlich.

Und was im Falle des einen den "Stinkefinger" bei der Grenzkontrolle betraf, erklärte der junge Angeklagte, er habe zwar nicht den Stinkefinger gezeigt, aber ja, er habe sich respektlos und beleidigend gegenüber dem Polizisten verhalten. Mittlerweile aber sei er geläutert - durch seinen Beruf. Er hat nämlich erst vor kurzem eine dreimonatige Ausbildung als Rettungssanitäter abgeschlossen und fährt jetzt auf einem Rettungswagen mit. Und erst neulich traf er bei einem Unfall auf genau den Polizisten, den er damals beleidigt hatte. "Ich habe ihn um Verzeihung gebeten. Ich habe durch meinen Beruf dazugelernt", sagte er und erklärte, dass er weiter lernen wolle: "Ich will jetzt noch die dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter absolvieren."

Und auch sein Kumpel zeigte sich reuig. Er legt dem Gericht eine Mail vor, die er bereits vor geraumer Zeit den betroffenen Polizisten in Görlitz geschickt habe. Darin hieß es wörtlich: "Ich möchte mich aufrichtig entschuldigen. Ich schäme mich. Sie machen professionelle und gute Arbeit."

"Männlich, jugendlich, großkotzig"

Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe nannte die Taten "jugendtypisches Verhalten". Die tätige Reue der jungen Männer zeige, dass keine erzieherischen Maßnahmen nötig seien und schlug vor, das Verfahren einzustellen - das hatte auch der Richter (gegen eine Geldauflage) angeregt. Das passte der Staatsanwältin nicht: "Ich habe ein Problem mit dem Begriff "jugendtypisches Verhalten". Wenn die Jugendgerichtshilfe meint, hier seien keine erzieherischen Maßnahmen erforderlich, sehe ich das anders." Sie forderte für den Rettungssanitäter eine Geldauflage in Höhe eines halben Monatsgehalts von 800 Euro. Die Entschuldigung des anderen bei den Polizisten mochte sie nicht anerkennen und forderte für diesen 120 gemeinnützige Arbeitsstunden.

Der Verteidiger des Sanitäters dagegen sprach von einem geradezu prototypischen jugendlichen Verhalten. "Dusseliger geht's nicht. Die stehen da im Obi vor der Kamera, feixen und finden sich wahnsinnig komisch", sagte er und die Beleidigung betreffend: "Was wäre das Synonym für männlich jugendlich wenn nicht großkotzig." Er plädierte für seinen Mandanten auf eine Verwarnung.

Das Urteil: 400 Euro Geldauflage für den Rettungssanitäter, zahlbar an den Kinderschutzbund Görlitz. 120 gemeinnützige Arbeitsstunden für den anderen, ersatzweise, sobald er eine Beschäftigung gefunden hat, 50 Euro wöchentlich über drei Monate, zahlbar an den Internationalen Bund in Görlitz.