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Das wichtigste Instrument des Rock'n'Roll - ein Bechstein

Die heute in Seifhennersdorf gefertigten Bechstein-Konzertflügel werden von Pianisten in aller Welt gefeiert - einer schrieb gar Rockmusik-Geschichte.

Von Markus van Appeldorn
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Mit den Beatles wurde ein Bechstein-Flügel zum bedeutendsten Instrument der Geschichte der Rock-Musik.
Mit den Beatles wurde ein Bechstein-Flügel zum bedeutendsten Instrument der Geschichte der Rock-Musik. © epa

Die Bechstein-Manufaktur in Seifhennersdorf ist der ganze Stolz der Stadt. Kein Wunder, denn hier lässt das Berliner Traditionsunternehmen seine Flügel von Weltrang fertigen. Etliche Spitzen-Pianisten spielen einen Bechstein - vorwiegend klassische Musik. Doch einen Bechstein-Flügel gab es, der laut Meinung einiger Experten zum wichtigsten Instrument der Rockmusik wurde - und es gibt wahrscheinlich niemanden, der seinen Klang nicht schon mal irgendwo gehört hat.

Der Erfolg dieses einen Bechstein-Flügels für die Rockmusik liegt letztlich begründet im allerersten Konzertflügel, den Carl Bechstein 1856 in Berlin fertigte. Im selben Jahr nämlich war der junge Mann, der bis dahin nur Klaviere gefertigt hatte, zu Besuch bei einem Konzert des österreichisch-ungarischen Komponisten und Pianisten Franz Liszt - dem seinerzeit Größten an den Tasten. Liszt revolutionierte damals die klassische Klaviermusik. Sein Spiel - und seine Werke - waren eine wahre Folter für die damaligen Pianos. Bei jenem Konzert in Berlin riss eine Klaviersaite nach der anderen unter seinem im Wortsinne "Hammer-Spiel".

Von der Klassik zum Rock'n'Roll

Carl Bechstein beschloss: Ich baue einen Flügel, der auch so einem wilden Spiel wie dem von Liszt gewachsen ist - womöglich eine Vorahnung, dass mal so etwas kommen würde wie Rock-Musik. 1860 verkaufte Bechstein dann auch erstmals einen dieser robusten Flügel an den Meister.

Ein Bechstein aus genau dieser Liszt-Epoche war es dann, der schließlich Musik-Weltgeschichte schrieb. 1968 nämlich gründete der britische Musiker Norman J. Sheffield im Londoner Stadtteil Soho sein "Trident Studio". Dort stellte er einen zu dieser Zeit bereits 100 Jahre alten Bechstein-Flügel hinein. "Ich hatte den Flügel gemietet", erzählte er später einmal, und: "Jeder hat ihn geliebt. Er wurde zum integralen Bestandteil des Studios."

Dank der Beatles der meistgehörte Bechstein aller Zeiten

Einer der ersten, der diesen Flügel liebte, war Paul Mc Cartney. In dem Studio wurden schon im ersten Jahr die Beatles vorstellig. Die hatten bislang beinahe sämtliche Platten in dem durch eines ihrer Platten-Cover weltberühmt gewordenen "Abbey Road Studio" aufgenommen. Wegen der fortschrittlicheren Aufnahmetechnik wollten sie aber für ihre Single des von Mc Cartney verfassten "Hey Jude" das Trident Studio ausprobieren. Das Lied, in dem auch der Bechstein zu hören ist, wurde zu einem Welt-Hit, rangierte weltweit monatelang auf Platz eins der Charts und gilt bis heute als bestverkaufte Single der "Fab Four". Danach entstand auch noch das legendäre "Weiße Album" mit Bechstein-Klängen im Trident Studio.

Nach den Beatles gaben sich die Stars der Rockmusik bei Trident die Klinke in die Hand. Elton John nahm 1970 dort auf dem Bechstein sein "Your Song" auf, David Bowie produzierte dort drei Alben. T.Rex ließen für ihr "Get it on" den Bechstein hämmern, Queen nahm dort einige seiner Hymnen auf, Carly Simon ihr "You're so vain". Und als "Boomtown Rats"-Frontmann Bob Geldof hier um eine Erklärung dafür bat, warum er den Montag nicht mag ("I don't like mondays"), tat er das unter den Klängen des Bechstein. Es folgten Supertramp, Genesis, die Bee Gees und viele mehr.

Selbst Apple setzt auf Bechstein-Klänge

Eine Online-Publikation erklärte jenen Bechstein zum wahrscheinlich wichtigsten Instrument in der Geschichte der Rockmusik. Andere Experten betonten die Tauglichkeit und Robustheit des Flügels für harte Anschläge - was ihn für Rockmusik besonders geeignet machte. Indes: Der Verbleib des Flügels ist ungeklärt. Es gibt Zeugenaussagen dafür, dass er bei einem Transport in den 80ern ein Stockwerk die Treppe hinabstürzte und schwer beschädigt wurde. Angeblich wurde er repariert und später als "Hey Jude"-Flügel bei einer Auktion für 200.000 britische Pfund verkauft. Wirklich belegt ist das nicht.

Auch andere große Musiker ihrer Zeit spielten einen Bechstein, so etwa Richard Wagner, Leonard Bernstein ("Westside Story") oder Star-Dirigent Wilhelm Furtwängler. In jüngerer Zeit brachte es ein anderer Bechstein-Künstler gewissermaßen zu einem Welterfolg. Der kanadische Pop-Pianist Chilly Gonzales nahm auf einem Bechstein die aus nur drei Noten(Fis, A, H) bestehende Endlos-Melodie "Never Stop" auf. Damit unterlegte Computer-Gigant Apple 2010 den weltweiten Werbespot für sein iPad der ersten Generation.