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SZ + Löbau

Hochwasser: B99 am Montag dicht, "blaues Auge" am Wochenende

Im Süden des Landkreises Görlitz stiegen die Pegelstände der Flüsse am Wochenende teilweise rasant an, vor allem an der Neiße bleibt es noch angespannt.

Von Anja Beutler & Frank-Uwe Michel & Markus van Appeldorn & Petra Laurin & Fabian Schaar
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Am Wochenende waren vielerorts die Flüsse stark angeschwollen.
Am Wochenende waren vielerorts die Flüsse stark angeschwollen. © Blaulichtreport Zittau/tb

Nach Ostritz zu gelangen, ist am Montagmorgen ein Kunststück: Von Zittau aus geht's auf der B99 wegen der aktuellen Baustelle nicht direkt weiter. Und zwischen Görlitz und Hagenwerder macht sich die Neiße auf der Straße "breit". Seit kurz vor 3 Uhr am Montagmorgen ist die Straße einmal beim Ortsausgang Görlitz etwa beim Abzweig nach Kunnerwitz gesperrt. Auch von der anderen Seite - aus Richtung Zittau kommend - geht es beim Ortseingang Hagenwerder nicht weiter. Dem Vernehmen nach haben die Behörden die Sperrung angeordnet, um größere Wendemanöver an der Engstelle beim Abzweig Kunnerwitz zu vermeiden. Wie lange die Sperrung aufrecht erhalten werden müsse, werde immer wieder geprüft, hieß es von Seiten des Landkreises und der Polizei.

Wer auf diese Strecke angewiesen war, musste deshalb Umwege fahren - so wie eine Mitarbeiterin der Stadt Ostritz: "Sie wohnt in Görlitz und ist über die B6 in Markersdorf und Friedersdorf über den Eigen zur Arbeit gekommen", sagt Bürgermeisterin Stephanie Rikl (parteilos). Die Erreichbarkeit der Stadt war auch übers Wochenende ein bisschen komplizierter, schildert sie: "Wir mussten am Sonnabend bereits die Fußgängerbrücke zum Bahnhof für Ostritz, der auf der polnischen Seite liegt, sperren", erklärt sie. Das Wasser der Neiße rauschte gefährlich nah unter der maroden Brücke durch, die Brücke hielt dennoch Stand. Damit die Stadt dennoch mit dem Zug erreichbar blieb, musste am Wochenende nach der Sperrung dann ein Schienenersatzverkehr eingerichtet werden, der Fahrgäste aus Zittau und Görlitz gen Ostritz transportierte. Nach Angaben der Odeg wird diese Ersatzverkehrregelung voraussichtlich noch bis Mittwoch andauern.

Lage an Neiße labiler

Die Pließnitzbrücke bei Hagenwerder am Montag. Der Fluss ist deutlich angeschwollen.
Die Pließnitzbrücke bei Hagenwerder am Montag. Der Fluss ist deutlich angeschwollen. © SZ/Sebastian Beutler
Hier, am Ortsausgang Hagenwerder ist die B99 ab Montagmorgen gegen 3 Uhr dicht. Die Neiße ist bei Weinhübel über die Straße gelaufen.
Hier, am Ortsausgang Hagenwerder ist die B99 ab Montagmorgen gegen 3 Uhr dicht. Die Neiße ist bei Weinhübel über die Straße gelaufen. © SZ/Sebastian Beutler

Generell aber ist der Süden des Landkreises Görlitz mit einem "blauen Auge" über das Wochenende gekommen, wobei sich deutlich zeigte, dass die Lage an der Neiße durch die enormen Zuflüsse aus Polen und Tschechien labiler war als im Flussgebiet der Spree, zu dem beispielsweise auch das Löbauer Wasser gehört. In den drei großen Städten Löbau, Zittau und Ebersbach-Neugersdorf haben Stadtverwaltungen und Feuerwehren zwar auch übers Wochenende die Lage genau verfolgt. Bis auf das Beseitigen einiger umgekippter Bäume - wie in Lautitz bei Löbau, wo ein Baumstamm sich an einer Brücke verhakt hatte - waren aber keinerlei Hochwassereinsätze nötig gewesen, hieß es auf SZ-Nachfrage.

Vorsorge haben viele Gemeinden dennoch getroffen - vor allem die, die in den vergangenen Jahren schmerzhafte Hochwassererfahrungen gesammelt haben: In Ostritz wurden beispielsweise die Hochwasserschutzwände aufgebaut, "auch wenn sie am Ende nicht geschlossen werden mussten", sagt Bürgermeisterin Rikl. Auch Bernstadt hatte vorsorglich die frisch ausgebauten und sanierten Regenrückhaltebecken zeitweise eingestaut. Da aber auch das Hochwasserrückhaltebecken in Rennersdorf in Betrieb war, blieb die Lage an der Pließnitz für Bernstadt und Schönau-Berzdorf insgesamt ruhig. Auch im benachbarten Herrnhut habe es keine nennenswerten Vorfälle gegeben.

Ostritz hat die Hochwasserschutzwände vorsorglich aufgebaut - musste sie aber nicht schließen.
Ostritz hat die Hochwasserschutzwände vorsorglich aufgebaut - musste sie aber nicht schließen. © Blaulichtreport Zittau/tb
Man kann es erkennen: Die Neiße fließt dicht unter der Ostritzer Fußgängerbrücke. Normalerweise sind hier mehrere Meter Platz.
Man kann es erkennen: Die Neiße fließt dicht unter der Ostritzer Fußgängerbrücke. Normalerweise sind hier mehrere Meter Platz. © Markus van Appeldorn
In Leuba brauchte die Neiße am Wochenende viel Platz.
In Leuba brauchte die Neiße am Wochenende viel Platz. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Oberland: Kein Grund zur Besorgnis

Auch am Landwasser in Oderwitz und Eibau ist die Feuerwehr am Wochenende in Hab-Acht-Stellung gewesen. „Wir hatten am Freitag von 10 bis 22 Uhr das Gerätehaus besetzt und dann am Wochenende erhöhte Bereitschaft“, sagt der Oderwitzer Gemeindewehrleiter Alexander Pollier. Aber zu einem “scharfen Alarm“ sei es nicht gekommen. "Hier war alles im ‚grünen Bereich‘“, sagt er erleichtert. Der Höchststand des Landwassers in Oderwitz habe 87 Zentimeter betragen – weit weg von den Werten vergangener Jahre, als die Fluten zu Überschwemmungen in der Gemeinde geführt hatten. In Vorbereitung des von den Meteorologen angekündigten Hochwassers hatten die Oderwitzer Kameraden die Hochwasserschutzpläne noch einmal überprüft, die Technik kontrolliert und die Einsatzkräfte so koordiniert, dass sie erreichbar waren. Darüber hinaus wurden vorsorglich Sandsäcke befüllt und an Bürger verteilt.

Auch an Kottmar ging das Unwetter vorüber, ohne dass das Landwasser Schäden an den umliegenden Häusern verursachte. Ralf Röhle, Gemeindewehrleiter von Kottmar: „Wir hatten in der Gemeinde eine sogenannte ‚kleine Bereitschaft‘ ausgerufen. Das betraf die Verwaltung, den Bauhof und die Freiwillige Feuerwehr.“ Allerdings habe niemand alarmiert werden müssen. Auch in Ebersbach-Neugersdorf und un Neusalza-Spremberg hieß es von der Feuerwehr, dass die Lage weitgehend ruhig geblieben sei und keine kritischen Pegelstände gemeldet wurden. Größeren Grund zur Besorgnis habe es nicht gegeben, bilanzierte Hauptamtsleiterin Rica Wittig in Ebersbach-Neugersdorf.

In Polen hohe Pegelstände

Auch in Großschweidnitz war Bürgermeister Jons Anders (parteilos) entspannt: Zwar sah der Pegel des Löbauer Wassers mit über 1,30 Metern enorm aus, das habe aber seinen Grund im Zufluss der Litte, die kurz vor der Messung ins Löbauer Wasser mündet. "Im Oberdorf hatten wir aber nicht so hohe Pegelstände, sodass das kein Problem war", sagt Anders. Er betont ausdrücklich, dass der Hochwasserschutz, den Landestalsperrenverwaltung und Gemeinde gemeinsam in den vergangenen Jahren gestemmt haben, an solchen Wochenenden wie diesem auszahle.

Ein paar Kilometer weiter, im polnischen Grenzgebiet, sah das in den vergangenen Tagen anders aus. Am Sonntag hatte Wojciech Dobrołowicz, der Bürgermeister von Bogatynia (Reichenau), eine ab 14 Uhr geltende Hochwasserwarnung herausgegeben und damit den bereits seit Freitagnacht geltenden Hochwassernotstand noch einmal verschärft. Grund dafür war die angespannte Lage an der Lausitzer Neiße und dem kleinen Flüsschen Miedzianka. Dort hatten die Fluten einen Alarmpegel überschritten. Am Pegel Turosow lag der Pegel der Miedzianka am Sonntagabend gegen 19 Uhr bei 5,60 Metern - das ist mehr als das Doppelte dessen, was vor dem Unwettertief in den Tagen zuvor gemessen wurde.

Liberecer Haushalte ohne Strom

In der Region Liberec war vor allem der Friedländer Zipfel mit seinen 24.000 Bewohner vom Hochwasser betroffen. Die größten Probleme gebe es an der Smědá (Wittig) und in Řasnice, sagte der Hauptmann der Region Liberec Martin Půta. Er rief am Sonntagabend für die 18 betroffene Ortschaften den Gefahrenzustand aus, der weiterhin hält. Mehr als 50 Menschen wurden aus den Dörfern evakuiert und einige Schulen blieben heute geschlossen. Die meisten von ihnen sind heute in ihre Häuser zurückgekehrt.

Bislang ist der Fluss Smědá nur bis zur zweiten Hochwasserstufe gesunken. Daher hat die Gemeinde nur eine grobe Übersicht über den Schaden erstellt: „Das Wasser hat etwa 40 Gebäude beschädigt und hat 20 Gebäude geflutet, darunter auch Garagen und Schuppen. Das genaue Schadensausmaß werden wir natürlich von den Bürgern erfahren“, sagte der Bürgermeister von Višňová Michael Scheidl. In der Region Liberec waren heute Morgen zudem etwa 400 Haushalte ohne Strom.

Die Liberecer Lebensmittelbank sammelt deshalb Lebensmittel für die von den Überschwemmungen Betroffenen und für die Retter, die in den betroffenen Gebieten im Einsatz sind. Gesucht werden vor allem Tafelwasser und Lebensmitteln für den sofortigen Verbrauch.