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Zeugen im Ofarim-Prozess: Haben keine antisemitischen Rufe gehört

In dieser Woche wird der Prozess gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim vor dem Landgericht Leipzig fortgesetzt. Wie ist der aktuelle Stand und was ist zu erwarten?

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Der Musiker Gil Ofarim (l) sitzt im  Landgericht Leipzig neben seinem Rechtsanwalt Alexander Stevens. Hier läuft der Prozess gegen Ofarim wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung.
Der Musiker Gil Ofarim (l) sitzt im Landgericht Leipzig neben seinem Rechtsanwalt Alexander Stevens. Hier läuft der Prozess gegen Ofarim wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung. © EHL Media/Erik-Holm Langhof

Leipzig. Der Prozess gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung wird an diesem Dienstag fortgesetzt. Nach Angaben eines Sprechers des Leipziger Landgerichts sind zunächst Augenzeugen des Vorfalls in dem Leipziger Nobelhotel Westin vorgesehen.

Die Zeugen, zwei Geschäftsleute, gaben vor dem Landgericht Leipzig an, keine antisemitischen Bemerkungen in einem Leipziger Hotel wahrgenommen zu haben. Auch an die Kleidung oder den Schmuck des Angeklagten könnten sie sich nicht erinnern.

Der Musiker hatte im Oktober 2021 in einem viralen Video Antisemitismus-Vorwürfe gegen ein Leipziger Hotel erhoben. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Leipzig hatte sich der Vorfall aber nicht so zugetragen. Nach umfangreichen Ermittlungen folgte eine Anklage gegen Ofarim. Das Verfahren gegen den Hotelmanager wurde eingestellt.

Die beiden Zeugen berichteten, dass sich in der Hotellobby an dem besagten Tag eine Warteschlange am Check-in wegen technischer Probleme gebildet hatte. Weil sie Stammgäste gewesen seien, waren ihre Schlüsselkarten aber bereits vorbereitet und sie wurden vorgezogen. Darüber habe sich ein Gast in der Schlange beschwert, erläuterte ein 46 Jahre alter Geschäftsmann. "Na was ist denn an euch beiden so Besonderes, dass ihr schon die Karten bekommt?", habe der Gast seiner Erinnerung nach gesagt. Er habe die Person zwar wahrgenommen, wusste zu diesem Zeitpunkt aber nicht, dass es sich um Ofarim handelte, weil er diesen damals nicht gekannt habe.

Der Satz habe vorwurfsvoll und ein wenig beleidigt geklungen. Daraufhin habe sein Kollege dem Gast kurz den Grund erklärt und sie seien auf ihr Zimmer gegangen. Von den massiven Vorwürfen gegen das Hotel und den Folgen hätten beide Männer erst am folgenden Abend aus den Medien erfahren.

Für den Prozess hat das Landgericht bis 7. Dezember noch sieben weitere Termine angesetzt. Am Mittwoch wird unter anderem das forensische Gutachten zu den Videoaufnahmen in der Lobby erwartet.

Warum ist das Gutachten zu den Videoaufnahmen so wichtig?

Ein digitalforensischer Sachverständiger hatte die Videos der Hotelkameras gesichtet. Dabei sollte vor allem die Frage geklärt werden, ob Ofarim am fraglichen Abend beim Check-In im Leipziger Westin-Hotel die Kette mit dem Davidstern getragen hat. Der angebliche Vorfall wurde sogar stundenlang mit Statisten in der Hotellobby nachgestellt, um herauszufinden, ob es sich so zugetragen haben könnte.

In seinem millionenfach angesehenen Handyvideo hatte Ofarim behauptet, dass ein Manager des Hotels ihn antisemitisch beleidigt habe, indem er ihn aufgefordert hätte, seine Kette mit dem Davidstern abzunehmen, um einchecken zu dürfen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Ofarim gelogen hat.

Was ist im Prozess gegen Gil Ofarim bislang passiert?

Der wichtigste Zeuge der Anklage hatte den jüdischen Musiker in dem Prozess belastet. Der Hotelmanager gab auf Nachfrage des Gerichts an, dass weder der Davidstern Ofarims noch antisemitische Äußerungen bei dem Streit um das Einchecken in das Hotel eine Rolle gespielt hätten. Schmuck habe er während der Diskussion mit Ofarim nur an dessen Hand wahrgenommen, sonst nirgendwo, sagte der 35 Jahre alte Zeuge am Mittwoch. Auch Rufe von anderen Gästen oder Mitarbeitern habe er nicht gehört.

Gehört wurde vor Gericht am zweiten Prozesstag zudem die damalige Mitarbeiterin an der Rezeption des Hotels. Sie gab an, dass es habe keinerlei antisemitische Äußerungen beim Einchecken gegeben habe. Als Ofarim bei ihr am Schalter an der Reihe war, sei dieser wegen einer angeblichen Bevorzugung von anderen Gästen aufgebracht gewesen und habe sich wild gestikulierend beschwert. Sobald er auf dem Zimmer sei, gehe "viral, was für ein furchtbarer Laden" das Hotel sei, soll er gesagt haben. Der Manager habe daraufhin vom Hausrecht Gebrauch gemacht und den Gast des Hotels verwiesen, so die Mitarbeiterin im Prozess.

Wird Gil Ofarim im Prozess auch selbst aussagen?

Eigentlich war bereits am ersten Prozesstag ein Statement Ofarims angekündigt worden. Da der Verteidigung aber noch einige Akten fehlten, verzichtete er zunächst auf eine Aussage. Er überließ das Feld seinen Anwälten. Grundsätzlich kann sich Ofarim jederzeit selbst zu der Sache einlassen.

Was sagen Ofarims Anwälte?

In seinem Statement nach Verlesung der Anklage am ersten Prozesstag hatte Ofarims Rechtsanwalt Alexander Stevens betont, dass Aussage gegen Aussage stehe. Sei während des Vorfalls vor gut zwei Jahren nur ein einziges diskriminierendes Wort gefallen, so sei sein Mandant freizusprechen.

Möglich sei, dass es sich bei dem Fall um ein Missverständnis oder schlechten Humor handele - oder eben doch um eine "antisemitische Anspielung", sagte der Anwalt vor Gericht. Für die Gesellschaft sei es wichtig, dass das Gericht die Wahrheit ermittle. Außerdem betonte der Rechtsanwalt, es gehe "nicht um den Stern, sondern um die Diskriminierungserfahrung". Mobbing und Diskriminierung seien - besonders für Opfer - schwer nachzuweisen. Die öffentliche Meinung sei in dem Fall von mehreren Lügen bestimmt.

Wann wird das Urteil erwartet?

In dieser Woche sind bis Donnerstag drei Verhandlungstage angesetzt. Ab dem 28. November soll es dann erneut drei Verhandlungstage in Folge geben. Ein weiterer Prozesstag ist der 6. Dezember, bevor am 7. Dezember - nach derzeitigem Stand - das Urteil verkündet wird. (SZ/hek mit dpa)