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Zweites Ermittlungsverfahren nach Riesenradbrand beim Highfield-Festival eingeleitet

16 Menschen werden beim Brand eines Riesenrades auf einem Rockfestival verletzt. Jetzt gibt es weitere Ermittlungen. Im Fokus stehen die Evakuierungsmaßnahmen.

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Besucher des Highfield-Festivals und Helfer blicken am 17. August auf das Riesenrad, an dem Flammen zu in zwei Gondeln sehen sind.
Besucher des Highfield-Festivals und Helfer blicken am 17. August auf das Riesenrad, an dem Flammen zu in zwei Gondeln sehen sind. © -/spm-gruppe/dpa

Großpösna. Nach dem Riesenradbrand beim Highfield-Festival am Störmthaler See nahe Leipzig hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ausgeweitet. Es sei ein zweites Verfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung eingeleitet worden, teilte die Polizei auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Dabei soll untersucht werden, ob bei der Evakuierung des Riesenrades alles richtig abgelaufen sei. Gegen wen sich dieses Verfahren richtet, teilte die Polizei nicht mit.

Am späten Samstagabend hatte zunächst eine der 24 Gondeln des Riesenrades Feuer gefangen, bevor die Flammen auf eine weitere Gondel übergriffen. Insgesamt 65 Menschen wurden anschließend ärztlich versorgt. Die Rettungskräfte brachten 16 Menschen mit zum Teil schweren Brandverletzungen in Krankenhäuser. Nach Polizeiangaben waren zwölf weibliche und vier männliche Personen im Alter zwischen 18 und 44 Jahren betroffen.

Direkt nach dem Brand hatte die Polizei Ermittlungen wegen fahrlässiger Brandstiftung eingeleitet. Diese richten sich gegen Unbekannt, wie es hieß. Nähere Angaben zur Unglücksursache wurden nicht gemacht. Die Ermittler gehen derzeit davon aus, dass das Feuer durch ein Versehen verursacht wurde. Demnach war auf bislang nicht bekannte Art und Weise Material unterhalb des Fahrgeschäfts in Brand geraten. Um welches Material es sich handelte, wollte eine Polizeisprecherin mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht mitteilen.

Veranstalter lobt "vorbildliches" Verhalten

Trotz des Schocks und der Bilder, die davon seit Samstagabend in den Medien zu sehen sind, wurde das Festival nicht abgebrochen, sondern nach zwei Stunden Unterbrechung bis Sonntag zu Ende gefeiert.

"Wir möchten uns dafür bedanken, dass alle Anwesenden auch in einer schwierigen Situation eindrucksvoll gezeigt haben, wie Zusammenhalt funktioniert", erklärt Stephan Thanscheidt, Geschäftsführer des Veranstalters FKP Scorpio, in einer Abschlussmitteilung am Montag. Die Besucher der dreitägigen Musikveranstaltung hätten sich "vorbildlich" verhalten und so die "Rettungsarbeiten maßgeblich erleichtert".

Dass Schlimmeres verhindert werden konnte, sei Ersthelfern des Ordnungsdienstes, der Festivalcrew sowie Kräften des Rettungsdienstes, der Polizei und Feuerwehr zu verdanken. Schnell sei dafür gesorgt worden, dass alle Insassen des Riesenrades in Sicherheit gebracht werden Konnten. Zudem sei das Feuer in nur wenigen Minuten unter Kontrolle gebracht worden, so Thanscheidt.

Einige der Ersthelfer und mindestens vier Polizeibeamte befinden sich auch unter den Verletzten, sie werden auf mögliche Rauchgasvergiftungen untersucht. Insgesamt seien nach Polizeiangaben 65 Menschen nach dem Vorfall ärztlich versorgt worden. Die gute Nachricht, die nach dem Vorfall über allem steht: Keiner wurde lebensgefährlich verletzt, auch niemand von den 16, die ins Krankenhaus kamen.

Rapper Ski Aggu setzte Auftritt fort, um Massenpanik zu verhindern

Besonders in den Mittelpunkt stellt der Veranstalter in seiner Erklärung auch die Leistung der Künstler, die während und nach dem Unglück aufgetreten sind. Damit dürfte vor allem der Rapper Ski Aggu gemeint sein. Während seines Auftritts war das Riesenrad in etwa 100 Meter Entfernung zur Bühne in Brand geraten.

In einer Instagram-Story schrieb der 26-Jährige kurze Zeit später: "Ich bin absolut bestürzt und schockiert über den Riesenradbrand während meiner Show auf dem Highfield. Mir wurde nur aufs Ohr gesagt, dass ich unter keinen Umständen die Show abbrechen, sondern zunächst mit euch im Dialog bleiben sollte, damit keine Massenpanik entsteht."

Priorität sei gewesen, dass die Situation nicht weiter eskaliere, erklärte Ski Aggu. Das habe zum Glück auch funktioniert. "Danke, dass ihr alle so ruhig geblieben seid und dadurch eventuell Schlimmeres verhindert habt." Entscheidend dafür sei vor allem die Arbeit der Rettungskräfte gewesen, die schnell reagiert hätten. "Vielen Dank für euren Dienst!! Ich wünsche allen Betroffenen, dass es euch bald besser geht", schrieb der Rapper aus Berlin, der mit bürgerlichem Namen August Jean Diederich heißt und dessen Markenzeichen eine Skibrille ist.

Das Festival konnte nach dem Unglück fortgesetzt werden, die zuvor ausgelassene Stimmung herrschte dann allerdings nicht mehr. Ein Festivalbesucher namens Ricky, der aus dem Harz angereist war, zeigte sich nach dem Brand zunächst unschlüssig, ob die Konzerte weitergehen sollten. Der 27-Jährige empfand die Stimmung als gedrückt, lobte jedoch die Veranstalter: "Es gab klare Ansagen und wir wussten, was passiert ist."

Besucher des Highfield-Festivals bei Leipzig blicken auf ein Riesenrad, an dem Flammen zu sehen sind.
Besucher des Highfield-Festivals bei Leipzig blicken auf ein Riesenrad, an dem Flammen zu sehen sind. © dpa
Zwei Gondeln hatten Feuer gefangen.
Zwei Gondeln hatten Feuer gefangen. © SPM-Gruppe/dpa
Das Festival wurde daraufhin zunächst unterbrochen.
Das Festival wurde daraufhin zunächst unterbrochen. © dpa
Rund 30 Personen wurden verletzt.
Rund 30 Personen wurden verletzt. © SPM-Gruppe/dpa
Vollkommen ausgebrannt: die beiden betroffenen Gondeln, in denen glücklicherweise niemand saß.
Vollkommen ausgebrannt: die beiden betroffenen Gondeln, in denen glücklicherweise niemand saß. © Heiko Rebsch/dpa
Das Riesenrad am Tag danach.
Das Riesenrad am Tag danach. © David Breidert/dpa

Auch Bastian aus Leipzig schilderte, die Rettungskräfte seien schnell vor Ort gewesen. Er hatte nach dem Vorfall das Gefühl, dass es viele Besucher nun zu ihren Zelten ziehe - und man eher dort den Abend ausklingen lassen wolle, um über das Erlebte zu reden, so der 33-Jährige.

Festivalbesucher: Plötzlich war es totenstill

Festivalbesucher Guido aus Köln berichtete, das Riesenrad sei plötzlich schneller gefahren. Die brennenden Gondeln hätten dann ganz oben gestanden. "Dann herrschte Totenstille", schilderte der 58-Jährige.

Die 40-jährige Stephanie aus dem sächsischen Werdau war geschockt. Sie war nach eigenen Angaben nur wenige Minuten vor dem Brand noch selbst auf dem Riesenrad gewesen. "Wir haben irgendwie Plastik gerochen und dachten, das kommt vom Zeltplatz", schilderte sie. Als sie dann die Flammen an den Gondeln sah, konnte sie kaum glauben, wie knapp sie davongekommen war.

Brandermittlung abgeschlossen - kein Hinweis auf vorsätzliches Verhalten

Noch in der Nacht war der Brandort weiträumig abgesperrt worden. Die Ermittlungen zur Ursache hatten direkt nach dem Unglück am Samstag gegen 21 Uhr begonnen, ein Brandexperte untersuchte das Riesenrad. Einer ersten Einschätzung zufolge war Material unterhalb des Fahrgeschäfts auf noch nicht bekannte Art und Weise in Brand geraten. Das Feuer griff dann auf eine Gondel über.

Die Polizei geht derzeit davon aus, dass das Feuer durch ein Versehen verursacht wurde. Ein technischer Defekt am Riesenrad als Brandursache wurde zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen. Es werden Zeugen gesucht, die dabei helfen können, ein mögliches fahrlässiges Fehlverhalten aufzuklären. Spekulationen darüber, dass eine Zigarette den Brand versucht haben könnte, bestätigte die Polizei nicht.

Die Kriminalpolizei sucht Zeugen, die insbesondere die Geschehnisse nahe des Riesenrades um die Zeit des Brandausbruches mitbekommen haben. Unter dieser Webadresse wurde Hinweisportal eingerichtet: https://sn.hinweisportal.de/.

Betreiber des Riesenrads: "So etwas ist noch nie passiert"

Nach Angaben des Betreibers brach das Feuer beim Fahrgastwechsel aus. "Meine Mitarbeiter sagten mir, dass keine Menschen in der Gondel saßen, als das Feuer ausbrach", sagte Sebastian Hannstein aus Bremen. Er sei schockiert und fassungslos. "Seit Generationen betreibt meine Familie Riesenräder. So etwas ist noch nie passiert", betonte er.

Seine Mitarbeiter hätten geistesgegenwärtig reagiert, als sie die Flammen sahen, erläuterte Hannstein. "Sie haben das Riesenrad beschleunigt und so die Evakuierung der anderen Gondeln beschleunigt."

Nach Angaben des Betreibers ist das Riesenrad 38 Meter hoch und hat 24 Gondeln. "Das Fahrgerät ist sieben Jahre alt. Das ist kein Alter für ein Riesenrad. Ich habe eines, das ist 30 Jahre alt." (dpa mit SZ/hek/fad)