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„Woyzeck“ ist der neue „Faust“, und die „Zauberflöte“ triumphiert

Die Bühnenstatistik zeigt: Die Aufführungs- und Besucherzahlen steigen wieder. Aber es gibt neue Krisen und Themen.

Von Bernd Klempnow
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Starbass  Rene Pape sang die Premiere der aktuellen "Zauberflöten"-Inszenierung der Semperoper, die es auch als Stream gab.
Starbass Rene Pape sang die Premiere der aktuellen "Zauberflöten"-Inszenierung der Semperoper, die es auch als Stream gab. © Sächsische Staatsoper Dresden

Schnee von gestern – aber interessant. Der Deutsche Bühnenverein hat – wie immer mit zeitlichem Rückstand – jetzt seine Werkstatistik für die Spielzeit 2022/23 vorlegt: Er konstatiert eine postpandemische Erholung, denn die Zahlen zu Aufführungen und Zuschauern in der ersten „normalen“ Saison nach Corona steigen wieder und nähern sich den Zahlen von 2018/19 an. „Sie deuten aber im Vergleich zu den Zahlen vor der Pandemie auf neue Krisen hin. Und auf neue Themen auf den Bühnen“, so der Bühnenverein.

Vor allem die Oper hat Zuschauer verloren

Die Zahl aller Inszenierungen der Spielzeit lag in Deutschland bei 6.773 mit 74.412 Aufführungen, in der letzten Vor-Corona-Saison 2018/19 gab es 7.125 Inszenierungen mit 82.052 Aufführungen. Allerdings kamen zuletzt nur 18.586.302 Besucher – 19 Prozent weniger als vor Corona.

Dabei ist die Entwicklung der Sparten unterschiedlich: Während das Musiktheater ein Viertel des Publikums verloren hat, sind es im Schauspiel und im Kinder- und Jugendtheater jeweils um die zehn Prozent. Im Tanz liegen die Zahlen dagegen fast gleichauf. All dies geht aus der Werkstatistik für die gut 350 subventionierten und Privattheater hervor. Gründe dafür liefert der Bühnenverein nicht. Allerdings berichten für 22/23 auch sächsische Häuser von dem Trend. Eine Erklärung: Der Musiktheatereintritt ist in der Regel teurer – die globalen Krisen dürften für Zurückhaltung sorgen. In dieser Saison änderte sich das. Die Semperoper erreichte wieder eine Auslastung von über 90 Prozent.

Noch eine "Zauberflöte", die der Oper Leipzig.
Noch eine "Zauberflöte", die der Oper Leipzig. © Oper Leipzig/Tom Schulze

Interessant sind andere Verschiebungen. Klarer Trend im Schauspiel: Der deutsche Klassiker, Goethes „Faust“, wird – jedenfalls im Originaltext – immer seltener gespielt. In der Saison 2022/23 gab es acht laufende Inszenierungen, in der Saison zuvor waren es elf, in der Vor-Corona-Spielzeit noch 20. Der neue Klassiker im Schauspiel heißt „Woyzeck“. Diese Entwicklung liegt an den geänderten Lehrplänen an Gymnasien. „Faust“ gehört seltener zum Abiturstoff, „Woyzeck“ häufiger. Georg Büchners Fragment kam nun auf 24 Inszenierungen, gefolgt von den zwei Shakespeare-Stücken „Sommernachtstraum“ und „Hamlet“ mit je 16 Inszenierungen.

Shakespeares 1. Platz unter den Dramatikern

Insgesamt finden sich unter den 25 meistinszenierten Schauspielen der Saison immerhin noch 14 Klassiker. „Abgewirtschaftet haben die alten Herren also noch nicht“, so der Bühnenverein. Shakespeare mit seinen zahlreichen Komödien und Tragödien führt mit 95 Inszenierungen nach wie vor die Liste der meistgespielten Dramatiker an. Unter den ersten zehn taucht Goethe nicht auf, wohl aber bei den Autoren von Literaturvorlagen. Durch „Die Leiden des jungen Werther“ kommt Goethe hier mit 22 Inszenierungen knapp nach Franz Kafka mit 24 Inszenierungen. In der Oper hingegen ändert sich in dieser Hinsicht statistisch nach wie vor nicht so viel. „Die Zauberflöte“ ist die meistinszenierte Oper (23 Inszenierungen) vor „Hänsel und Gretel“ (20 Inszenierungen) und „Die Hochzeit des Figaro“ (18 Inszenierungen). Zeitgenössische Oper taucht in den Hitlisten nicht auf.

Mehr Frauen führen Regie

Spartenübergreifend sind die drei Werke die Hits beim Publikum: das Bochumer Musical „Starlight Express“ mit 440.497 Besuchern, das Bad Segeberger Freilichtspektakel „Winnetou I“ mit 430.321 Fans und „ARISE Grand Show“ vom Berliner Friedrichstadt Palast mit 422.419 Zuschauern. Ein Vergleich: Die „Zauberflöte“ als Oper mit den meisten Zuschauern hatte nur 181.475 Besucher vor der „Dreigroschenoper“ mit 156.200 Besuchern.

Mehr Gleichberechtigung gibt es an den Regiepulten. 55 Prozent der Inszenierenden waren Männer, 42 Prozent Frauen, die restlichen drei Kollektive. Vor drei Jahren lag der Frauenanteil noch fünf Prozent niedriger, der Männeranteil entsprechend fünf Prozent höher.