Die Sächsische Schweiz hat Caspar David Friedrich nicht erst im Jahr seines 250. Geburtstages für sich wiederentdeckt. Schon vor über zwanzig Jahren haben der damalige Krippener Ortsvorsteher Gerd Englick und Frank Richter, früherer Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung, Bergsteiger, Fotograf und Autor den Motiven des Malers im Elbsandsteingebirge nachgespürt und einen Rundweg mit den Infotafeln anlegen lassen.
Jede Richtung ist die richtige
Der 250. Geburtstag von Caspar -David Friedrich war nun Anlass, die knapp fünfzehn Kilometer lange Wanderung in diesem Jahr neu auszuschildern und dreizehn neue Infotafeln aufzustellen. Seit vorigen Herbst steht in Krippen am Bächelweg eine Sandsteinstele mit Reliefs. Ein feiner Rastplatz ist das geworden, der perfekte Treffpunkt. Wer hier startet, hat die Qual der Richtungswahl: Runter zur Elbe, wo verloren am Radweg die Tafel Nr. 13 steht und den Blick zum Lilienstein anpreist, den man an anderer Stelle noch besser genießen kann? Oder den Püschelweg rauf?
Also das Wanderpferd von hinten aufgezäumt und „verkehrt rum“ gelaufen? Falsch kann das nicht sein, denn Caspar David Friedrich hat Menschen ja auch am liebsten von hinten gemalt. Und dass er es sich einfach gemacht hätte im Leben und mit dem Strom geschwommen sei als Künstler, das kann man ja nun wirklich nicht behaupten.
Im Bad Schandauer Ortsteil Krippen war Caspar David Friedrich 1802 zum ersten Mal zu Gast. 1813, als in Dresden Napoleons Truppen Krieg, Hunger, Not und ansteckende Krankheiten verbreiteten, kam Friedrich im März nach Krippen und blieb bis November. Sein Freund, der Dresdner Münzmeister Friedrich Gotthelf Kummer, hatte ihn eingeladen.
In einem Brief an den Leipziger Kunsthistoriker Ludwig Puttrich vermeldete Friedrich am 31. März 1813 seine Ankunft in Krippen, wo ihm das Malen aber nicht so gut von der Hand gehen wollte: „Ich habe schon seit länger als 14 Tagen Drd. verlassen und lebe hier in einer sehr angenehmen Gegend. Der hiesige Aufenthalt könnte für mich sehr nützlich sein, wenn nicht die Ereignisse der Zeit mein Gemüth so ganz verstimt hätten und mich unfähig machten etwas zu beginnen. Seit Ihrem letzten Besuch in Dresden habe ich nichts weiter gethan als die beiden Seestück vollendet.“
Die Männer, die den Mond betrachten
Am Püschelweg weist die Tafel mit der Nummer 12 auf das Dresdner Gemälde „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ hin, für das Friedrich sich hier die Inspiration geholt haben könnte. Zumindest ein Fels am Wegesrand legt das nahe. Eine Eiche, wie auf diesem „Porgrammbild der romantischen Naturbetrachtung“, gibt es hier nicht. Gab es vielleicht auch nie. Skizzen von Baum und Wurzelstock, ja, die gibt es. Aber der Felsbrocken da rechts am Wegesrand, an den sich im Gemälde die Eiche lehnt, der könnte damals schon dort herumgelegen haben.
Bäume waren in jener Zeit ein wichtiges Motiv für den Maler, für den „jede Erscheinung in der Natur, richtig und würdig und sinnig aufgefasst“, Gegenstand der Kunst werden konnte. Die Studien, die er im Wald zwischen Krippen und Reinhardtsdorf zeichnete, dienten ihm später als Vorlagen seiner Gemälde. Waren die Bäume für ihn doch die Seele der Landschaft, die er, ehe er sie in seinen Gemälden idealisierte, naturgetreu skizzierte. „Er atmete die Natur ein, um sie als Kunst wieder auszuatmen“ – besser als der Schriftsteller Florian Illies kann man es nicht beschreiben.
Am 4. Juli 1813 zeichnete Friedrich eine kahle Fichte. Heute blutet einem das Herz, wie viele Bäume man zu beiden Ufern der Elbe sterben sieht.
Auf geht einem das Herz dagegen, wenn man vor einem der berühmtesten seiner Gemälde steht, dem „Wanderer über dem Nebelmeer“. 1817 baute Friedrich in seinem Atelier in Dresden eine Traumlandschaft. Die setzte er zusammen aus dem Gamrig bei Rathen, dem Zirkelstein bei Schöna und dem Ruzovy Vrch, dem Rosenberg, in der Böhmischen Schweiz. Behauptet wird, dass die Gesamtanlage des Bildes am ehesten dem Ausblick von der Bastei entspricht. Muss man das wissen, um dieses Bild zu lieben?
Auf dem Felsen wie der Wanderer überm Nebelmeer
Der Felsen, auf dem der Wanderer steht, liegt unterhalb der zerklüfteten Kaiserkrone in Schöna, und beide, Felsblock und Berg, können ganz ohne Kletterseil bestiegen werden. Tolle Fotomotive bieten sich. Nur das mit dem Selfie auf dem Felsen funktioniert nicht. Oder hat schon mal jemand eine Rückenansicht von sich selbst fotografiert und sich dabei noch auf einen Stock gestützt?! Bleibt die Frage, warum dieses Gemälde am CDF-Weg gleich auf zwei Tafeln Thema ist? Wahrscheinlich, weil es so großartig ist, aber nicht in Dresden, sondern in Hamburg hängt.
Über den steilen Aschesteig geht es von Schöna wieder hinab. Kurz hinter der Burg Schöna im Hirschgrund zweigt unmittelbar an der Brücke der Pfad auf den Mittelhangweg ab. Das Schild ist leicht zu übersehen. Aber das ist auch schon der einzige Punkt auf fünfzehn vorbildlich markierten Kilometern, der einen daran erinnert, dass man „verkehrtrum“ läuft. Allzu häufig begangen scheint der sich im sanften Auf und Ab schlängelnde Pfad nicht zu sein, denn hier und da erobern sich Brombeeren, Farn und Brennesseln den schattigen Weg am Hang zurück.
Blicke über die Elbe zum Teufelsturm
Die Dichte der Info-Tafeln, die unscheinbare Felsblöcke aus Friedrichs Skizzen in der Landschaft verorten, nimmt am Mittelhangweg zu. Ab und an tun sich überraschende Ausblicke ans andere Elbufer auf, rüber zum Teufelsturm zum Beispiel, und zum Lilienstein in der Ferne. Auch ein Teil der vor zwei Jahren abgebrannten und die vom Borkenkäfer zerfressenen Wälder geraten immer wieder in den Blick. Ein Rastplatz wurde neu angelegt. Wem der Mittelhangweg nicht genug Action bietet, gönnt sich am besten noch die Abstecher zu den Aussichten an der Hunskirche und an der Kleinen Bastei.
Fünf Stunden sollte man mindestens einplanen für die Tour. Und da es in Krippen einen einzigen Wanderparkplatz mit nur vier Pkw-Stellplätzen gibt, empfiehlt sich die Anreise mit der S-Bahn.
Geführte Wanderungen auf dem CDF-Weg finden bis Oktober jeweils am Mittwoch statt. Anmeldung: Tel.: +49 35022 90030 Fax: +49 35022 90034 E-Mail: [email protected]