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"Tatort"-Kommissar Martin Brambach: Kunst muss verführen

Er ist „Tatort“-Kommissar in Dresden, aber eigentlich ein Theatergewächs: Bald steht Martin Brambach in seiner Heimatstadt Dresden wieder auf der Bühne.

Von Johanna Lemke
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Schauspieler Martin Brambach schreibt gerade einen Reiseführer über Dresden, seine Geburtsstadt.
Schauspieler Martin Brambach schreibt gerade einen Reiseführer über Dresden, seine Geburtsstadt. © SZ/Veit Hengst

Martin Brambach ist zu Recherchezwecken in seiner Geburtsstadt. Ein Verlag hat ihn gebeten, einen Reiseführer über Dresden zu schreiben. Und Brambach ist zwar hier geboren, lebt aber seit vielen Jahren in Recklinghausen. Darum streift er nun durch Dresden, auf den Spuren seines Vaters, der hier 1945 die Bombardierung erlebt hat. Und stattet dem Boulevardtheater einen Besuch ab: Im November wird er dort auf der Bühne stehen.

Herr Brambach, Sie sächseln ja!

Das passiert automatisch, wenn ich hier bin. Im Ruhrgebiet, wo ich lebe, geht mir das eher selten so, da sächsele ich nur in emotionalen Momenten. Die ersten sechs, sieben Lebensjahre prägen eben, da kann ich nicht aus meiner Haut – aber das möchte ich auch gar nicht.

Ihre Familie zog nach Ost-Berlin, als sie ein Grundschulkind waren. Haben Sie sich den Dialekt dort abtrainiert?

Als Kind will man dazugehören, darum habe ich Berlinern gelernt.

Im November sind Sie in Dresden mit dem Theaterstück „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ von Erich Kästner im Boulevardtheater zu Gast. Viele kennen Sie vor allem als „Tatort“-Kommissar Schnabel, dabei sind Sie eigentlich ein Theatergewächs.

Ja, ich komme vom Theater. Ich bin in Bochum an die Schauspielschule gegangen, habe in Köln, Wien, Berlin gespielt – ich habe herrliche Theaterzeiten erlebt.

In denen Sie mit George Tabori, Einar Schleef, Klaus Peymann und vielen anderen Größen des deutschsprachigen Schauspiels gearbeitet haben – damals entstand das, was man heute Regietheater nennt. Was waren das für Zeiten?

Sie waren für das Theater schon besonders. Ich habe aber auch die Auswüchse des Machtmissbrauchs am Theater erlebt. Leute wurden angeschrien, Techniker mitten auf der Probe entlassen. Aber toll war die Freiheit, Kunst zu machen. Die wird heute von mehreren Seiten eingeschränkt: von Rechten, die einen neuen Konservatismus wollen, aber auch von Linken, die identitätspolitische Forderungen stellen: Darf man dieses spielen, darf man jenes so sagen? Das ist gar nicht so einfach.

„Der Gang vor die Hunde“ ist der einst verbotene Vorgänger von Kästners Roman „Fabian“, Sie gastieren damit seit 2019 in deutschen Theatern. Wieso ist die Inszenierung so erfolgreich?

Es geht um Jakob Fabian, der sich durch Berlin treiben lässt und zwischendurch tiefpsychologische Gespräche mit seinem Freund führt – eigentlich sehr schwer als Theaterstück aufzuführen. Darum halten wir uns zwar streng an den Text, lassen aber auch Musik einfließen und haben es als Revue inszeniert. Ich bin sehr gespannt, wie es in der Kästner-Stadt Dresden ankommen wird! Das Stück hat bei aller Unterhaltsamkeit eine politische Dimension und auch eine frappierende Aktualität.

Fabian gerät zwischen die Fronten links und rechts...

Wenn man heute auf diese Zeit der 30er-Jahre blickt, denkt man, eigentlich hätte jeder im Widerstand gewesen sein müssen. Aber so war es leider nicht, viele waren euphorisiert vom beginnenden National-sozialismus, gerade nach der Weltwirtschaftskrise: Plötzlich gab es eine Perspektive und ein Wir-Gefühl. So ähnlich ist es auch heute: Bestimmte Kräfte werden einfach nicht ernst genug genommen. Es kann schneller gehen, als man denkt, dass man in so eine Situation reinrutscht.

"Früher hat es viel mehr Mut gefordert, Dinge zu sagen"

Mit welchen Folgen?

Am Ende sagt die Ich-Figur, sie sei nicht zum "Akteur im Welttheater bestimmt", sondern nur zum Zuschauer. Das greift ein Lebensgefühl auf, das viele Menschen heute haben: "Die da oben sollen das für mich machen." Niemand in dem Stück hat die Antwort – genauso, wie auch heute niemand die Antwort hat, wie man die AfD verhindert. Niemand hat ein Patentrezept. „Der Gang vor die Hunde“ funktioniert aber ohne belehrenden Ton.

Zum Glück – denn viele fühlen sich derzeit oft belehrt oder haben sogar das Gefühl, sie könnten nichts mehr sagen. Eine Studie besagt, dass 44 Prozent der Menschen finden, sie dürften ihre Meinung nicht mehr sagen.

Das ist dramatisch.

Sie haben in der Coronazeit bei der Aktion „Allesdichtmachen“ mitgewirkt, bei der Filmschaffende die staatlichen Maßnahmen bemängelten. Nach heftiger Kritik zogen Sie Ihren Beitrag zurück. Darf man wirklich alles sagen?

Wir durften es ja sagen. Niemand hat uns dafür verhaftet. Es fiel nur in eine angespannte gesellschaftliche Stimmung, in der es viele verschiedene Meinungen gab. Ich habe meinen Beitrag zurückgezogen, weil ein Hospiz, für das ich Schirmherr bin, sich sorgte, die negative Presse könne auf es zurückfallen. Da war mir mein Engagement wichtiger als die Aktion. Man kann die Situation damals nicht mit der NS-Zeit und auch nicht mit der DDR-Diktatur vergleichen, als es noch viel mehr Mut gefordert hat, Dinge zu sagen, weil das Risiko von Konsequenzen viel größer war.