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Feuilleton

„Tagesschau“-Sprecher Schreiber kommt mit einer Krimi-Show nach Sachsen

Interview mit Constantin Schreiber über sein Faible für Sachsen und Twitter & Co. als mediale Jauchegruben.

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Constantin Schreiber ist Autor von Büchern wie „Glück im Unglück – wie ich trotz schlechter Nachrichten optimistisch bleibe“.
Constantin Schreiber ist Autor von Büchern wie „Glück im Unglück – wie ich trotz schlechter Nachrichten optimistisch bleibe“. © dpa/Thomas Schulze

Constantin Schreiber ist Journalist, „Tagesschau“-Sprecher, Sachbuchautor und Schriftsteller. Seit Januar 2017 ist er bei ARD-aktuell tätig und moderiert Ausgaben der Tagesschau und des „Nachtmagazins“. Seit Anfang 2021 spricht der heute 45-Jährige die Hauptausgabe der „Tagesschau“ um 20 Uhr. Für die Moderation der deutsch-arabischen n-tv-Sendung „Marhaba – Ankommen in Deutschland“ wurde er 2016 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Ein Gespräch mit ihm über sein Faible für Sachsen, seine Krimi-Show, und warum er Twitter und Facebook als mediale Jauchegruben und als eine Ursache der Überforderung ansieht.

Herr Schreiber, wie kommentieren Sie als „Tagesschau“-Moderator den Ausgang der Landtagswahlen in Sachsen?

Gar nicht. Ich begleite die Wahlergebnisse nachrichtlich und informiere als Sprecher darüber. Das ist mein Job.

Constantin Schreiber in der "Tagesschau". Viele Zuschauer finden, dass er einem Superman ähnlich sieht.
Constantin Schreiber in der "Tagesschau". Viele Zuschauer finden, dass er einem Superman ähnlich sieht. © ARD-Mediathek

Sie kommen demnächst nach Sachsen, denn Sie touren mit der völlig unpolitischen Crime-Show „Angeklagt – schuldig oder nicht?“ durch Deutschland. Warum gehen Sie neben Ihrer journalistischen Arbeit mit einer gespielten Gerichtsverhandlung auf die Bühne?

Die Idee ist, gemeinsam mit dem Strafverteidiger Alexander Stevens zu erklären, wie Rechtsfindung in Deutschland funktioniert, was hinter Paragrafen steckt. Das Publikum kann über den Fall abstimmen, ist also Teil des Prozesses.

Es geht um einen konkreten Fall, den Dreifachmord von Starnberg, der sich in der Nacht zum 11. Januar 2020 ereignete. Ist es für Sie kein Problem, dass Sie hier Mord zum Theater machen?

Ich bin mir des Spannungsfeldes durchaus bewusst. Aber es handelt sich nicht um Theater, sondern um eine Bühnenshow, die zeigt, wie das deutsche Rechtssystem funktioniert, dass es um die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit geht. Ich habe selbst Jura studiert, bin in diesem Fall der Ankläger, Alexander Stevens der Verteidiger. Wir werden sehr konkret, verwenden viel Originalmaterial. Außerdem gehört die Faszination des Bösen, die Herausforderung, einen Kriminalfall oder ein Rätsel zu lösen, ja zum Leben dazu.

Das Publikum darf, wie Geschworene im amerikanischen Rechtssystem, während der Show unter anderem entscheiden, ob der Fahrer, der den Mörder von Starnberg zum Tatort fuhr, eine Mitschuld trägt oder nicht. Entscheidet das Publikum in Deutschland unterschiedlich?

Ja, da gibt es eine Art Nord-Süd-Gefälle. In Hannover zum Beispiel sprach das Publikum ihn mehrheitlich frei, in Bayern wurde er immer schuldig gesprochen.

Was denken Sie, wie es in Sachsen läuft?

Vielleicht wird es ähnlich wie in Bayern sein. Aber das weiß ich nicht.

In diesen Tagen erscheint Ihr neues Buch „Lasst uns offen reden – warum Demokratie furchtlose Debatten braucht“. Wollen Sie in dem Buch Menschen ebenfalls etwas erklären, fühlen Sie sich als Journalist zum Erklärer oder Aufklärer berufen?

Hier geht es eher darum, aufzufordern, zu reden, sich mehr zu trauen, denn Debatten finden meines Erachtens eingeschränkt statt. Bei Facebook oder Twitter verkämpfen sich Menschen mit verschiedenen weltanschaulichen Positionen, ein Meinungsaustausch findet nicht mehr statt. Es geht nur noch darum, sich gegenseitig niederzubrüllen. Das Niveau ist unterirdisch. Soziale Medien sind zu medialen Jauchegruben geworden. Ich empfinde es nicht als Verlust, dort nur noch wenig Zeit zu verbringen. Ich bemerke einen verengten Diskussionskorridor.

Haben Sie nicht den Eindruck, dass sich zum Beispiel im Landtagswahlkampf manch einer sehr viel traute und der von Ihnen beschriebene Korridor eher breit ist?

Mir geht es um die Kultur der Debatte, um Diskursfähigkeit, das offene Gespräch. Es geht mir darum, dass wir uns gegenseitig wieder zuhören, dass sich Absender und Rezipient miteinander austauschen. Insbesondere bei den Themen Zuwanderung, sexuelle Identität oder beim Gendern gibt es zumeist gar keinen kommunikativen Austausch mehr, sondern nur noch entweder, oder. Der öffentliche Diskurs wird immer stärker durch Schwarz-Weiß- und Freund-Feind-Denken geprägt.

Was meinen Sie, ist der Grund für diesen gesellschaftlichen Zustand?

Vielleicht handelt es sich um Überforderung. Klimakrise, Kriege, Inflation, Migration – die grundlegenden Veränderungen in vielen Bereichen des Lebens, der Umbruch in der Welt, allgegenwärtige, intensive Informationen, die hohe Geschwindigkeit des Wandels führt möglicherweise dazu, dass Menschen das nicht mehr verarbeiten können. Außerdem befinden sich viele in Algorithmen, die letztlich ihre eigenen Vorurteile immer wiederholen und somit bestätigen. Wer einmal nach dem Weltuntergang fragt, der bekommt ihn regelmäßig angeboten.

Sie selbst haben mehrfach Anfeindungen erlebt, eine Torte wurde auf Sie geworfen, es gab Morddrohungen. Wie halten Sie das aus?

Als ich noch bei n-tv arbeitete und eine, nennen wir es, Integrationssendung moderierte…

… das TV-Format „Marhaba – Ankommen in Deutschland“, wofür Sie mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurden …

… da drohten mir Rechtsradikale unter anderem damit, dass ich zersägt werden soll. Als ich mich intensiver und auch kritisch in Büchern wie „Inside Islam“ oder „Kinder des Koran“ äußerte, wurde ich als Nazi und Rassist beschimpft. Seit ich beschlossen habe, mich zu allem, was mit dem Islam auch nur im Entferntesten zu tun hat, nicht mehr zu äußern, weder in Büchern noch in Talkshows, ist Ruhe.

Ist Ihr Rückzug Selbstschutz oder feige?

Feige ist das falsche Wort, ich muss das einfach nicht aushalten. Ich will mich nicht die ganze Zeit mit Hassbotschaften aufhalten, darauf habe ich einfach keine Lust. Deshalb habe ich unter anderem mein neues Buch geschrieben, in dem ich mich gegen eine toxische Debattenkultur wende.

Der frühere „Tagesthemen“-Moderator Hanns Joachim Friedrichs prägte den Satz, dass man einen guten Journalisten daran erkenne, „dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.“ Gehen Sie damit konform?

Ich stehe Haltungsjournalismus absolut kritisch gegenüber. Als Nachrichtensprecher habe ich objektiv zu sein. Nicht zuletzt deshalb mein Aufruf, dass alles zu besprechen ist. Da sollte es keine Tabus geben.

Sie haben 2019 in Leipzig die „Deutsche Toleranzstiftung“ gegründet. Wie kamen Sie als „Tagesschau“-Sprecher auf die Idee, in Sachsen aktiv zu werden?

Mit meiner Arbeit hat das zunächst nur bedingt zu tun. Ich sehe das als meinen Beitrag an, mich gesellschaftlich zu engagieren. Eben in dem Bereich, in dem ich mich auskenne. Und auf Sachsen liegt nun mal der öffentliche Fokus. Wenn es etwa um Rassismus geht, um eine Spaltung in Rechts und Links, Ost und West, dann geht es leider auch immer um Sachsen. Außerdem bin ich privat sehr gerne und viel in Sachsen.

Um unter anderem den Vorwurf der „Lügenpresse“ zu entkräften, arbeitet die Stiftung mit dem Projekt „Triff mich!“. Was tun Sie da?

Ich und andere Journalisten sind in Schulen unterwegs gewesen. Ich glaube, dass wir in einer immer digitaleren, virtuelleren Welt dem persönlichen Kontakt mehr Bedeutung schenken sollten und müssen. Hinzu kommt, dass Schüler unter Anleitung von Journalisten für eine Mediathek Videobeiträge erstellen über Meinungs- oder Religionsfreiheit. Das Projekt kam leider durch die Pandemie zum Erliegen, aber hoffentlich geht es 2025 mit „Triff mich!“ in sächsischen Schulen wieder los.

Interview: Peter Ufer

Veranstaltung: Constantin Schreiber und Alexander Stevens kommen mit ihrer Crime-Show „Angeklagt – schuldig oder nicht?“ am 24. September in den Alten Schlachthof nach Dresden und am 25. September ins Haus Leipzig nach Leipzig. Karten gibt es hier.