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Rollen als Oberarzt und Anwalt sind für Henry Hübchen nich’ vorgesehen

Henry Hübchen ist einer der populärsten und beliebtesten deutschen Schauspieler. Jetzt kommt er als schmieriger Rüstungsmillionär und Investor ins Kino.

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Wer lächelt so markant wie in seinen Rollen: der Schauspieler Henry Hübchen.
Wer lächelt so markant wie in seinen Rollen: der Schauspieler Henry Hübchen. © dpa pa

Henry Hübchen, Jahrgang 1947, ist als Schauspielstar für fast alles zu haben. Nach langer Karriere im Film und am Theater gibt der unermüdliche Urberliner in der genüsslich schrägen Actionkomödie „The Investor“ einen schmierigen Multimillionär, der einst eine große Nummer im globalen Rüstungsgeschäft war und jetzt sein Geld in einen Parkplatz mit angeschlossener Surfstation in Wustrow auf dem Darß steckt. Aus diesem Anlass parlierte er in seiner Pankower Wohnung und in typischer Hübchen-Art über sein Leben, das Theater, seine Filme und warum er nie Musik gemacht hat.

Herr Hübchen, muss man als Schauspieler bei Klamauk besonders aufpassen?

Für mich ist „The Investor“ ja kein Klamauk, keine Alberei, kein verkrampftes Bemühen um Witze oder Scherze. Ich habe eine Figur kreiert und improvisiert. Das ist eine ernsthafte Beschäftigung, bei der man auch Spaß haben kann.

Henry Hübchen im neuen Film als Investor.
Henry Hübchen im neuen Film als Investor. © PR

Ihr guter Freund Michael Gwisdek meinte vor ein paar Jahren im SZ-Gespräch: „Wenn ich jetzt fünf Drehtage mitnehme und am Ende fünf Lacher habe und die Leute sagen, ja, der Gwisdek war wieder ein kleines Highlight, dann kann ich damit sehr gut alt werden.“ Wie geht es Ihrer Ambition?

Ach, der Micha! Der brauchte irgendwie immer ein Publikum, auch wenn er nicht gearbeitet hat. Ich bin da anders, ich muss das nicht so ausgeprägt haben. Eine Arbeit, die erfüllt und Spaß macht, muss auch bei mir nicht 50 Drehtage haben, da bin ich ganz bei ihm. Es geht nie um die Größe der Rolle, sondern um die Rolle selbst und die Szene. Ist sie klasse geschrieben und wird an einem Tag abgedreht, bin ich gern dabei. Kommt aber selten vor.

Haben sich Ihre Auswahlkriterien im Laufe der Zeit geändert?

Die sind über all die Jahre gleich geblieben. Ist der Stoff interessant? Ist das Drehbuch gut geschrieben? Kann die Arbeit in der Zeit, wenn man sich mit ihr beschäftigt, mein Leben bereichern? Da können auch Landschaft und Kollegen eine Rolle spielen. Ich bin kein Filmschauspieler, sondern ein Schauspieler, der auch Filme macht, aber auf der Theaterbühne sozialisiert wurde.

Mit dem Theater haben Sie schon Ende 2008 aufgehört. War es ein radikaler Schnitt oder eher ein Auslaufen?

Ein Auslaufen. Es wurde mir einfach zu anstrengend, all die stundenlangen Vorstellungen, die teilweise sehr kurzen Probenzeiten. Ich habe die Bühnenarbeit ja als Extremsport gesehen, als ganzkörperliche Arbeit, weil ich das Publikum immer mit ganzem Einsatz überraschen und Theater als Ereignis wollte. Da gibt es einfach Grenzen. Das Standbein-Spielbein-Theater war nie meins. Es ist wie bei einem Fußballer, irgendwann hört er auf...

… spielt aber manchmal noch „Alte Herren“.

Ja, können wir ja auch machen. Vielleicht finden sich ein paar Kollegen, mit denen das geht. Aber dann soll es bitte auch etwas Besonderes werden. Im Theater habe ich immer nach Regisseuren und Schauspielkollegen gesucht, die mich wirklich interessierten, um über längere Zeit mit ihnen zu arbeiten. Im Film ist solch eine Kontinuität viel schwerer zu erreichen. Da muss man eher Kompromisse machen, und manchmal redet man sich die Arbeit auch schön. Ich bin nicht der Typ Schauspieler, der an den Drehort kommt und fragt: Wo ist mein Kostüm? Wo muss ich stehen? Wann ist Mittag? Wie hoch ist meine Gage? Arbeit ist Lebenszeit!

Max Befort (l.) und Henry Hübchen 2021 am Set zu Dreharbeiten für die Serie "Ze Network" auf der Hospitalstraße in Görlitz.
Max Befort (l.) und Henry Hübchen 2021 am Set zu Dreharbeiten für die Serie "Ze Network" auf der Hospitalstraße in Görlitz. © Matthias Wehnert

Sie haben stets mit Bandbreite überzeugt, mit großen wie kleinen Rollen, ernsten, lustigen auf der Bühne, im Fernsehen, Kino, in Serien. Fehlt was?

Eine Figur, mit der man identifiziert wird. Heinz Schubert hat das geschafft mit „Ekel Alfred“ in „Ein Herz und eine Seele“. Von Charlie Chaplin, Buster Keaton, Louis de Funès und so weiter will ich gar nicht reden. Wenn du eine Figur erschaffen kannst, die diese Kraft hat und sich so einprägt, ist das stark. Und trotzdem gibt es Rollen, die sind scheinbar für mich nicht vorgesehen: Richter, Anwälte, Oberärzte und noch so einige, die mir gerade nicht einfallen.

Warum haben Sie als junger Mann das Physikstudium so früh abgebrochen?

Bei mir waren es am Anfang immer eher Fluchten. Ich wollte unbedingt Student sein und das Studentenleben zelebrieren, also habe ich mich für Physik eingeschrieben, dann aber gemerkt, dass diese Studienrichtung gar nicht taugt für mich. Also habe ich mich eher halbherzig an der Schauspielschule beworben. Ein Lebensplan war das nicht. Gut, im Vergleich zur Physik war Schauspiel eher Kindergarten, aber es gab wenigstens einen Abschluss. Blut geleckt habe ich so richtig erst am Theater in Magdeburg, weil ich dort eben auch wirklich wichtige Protagonistenrollen spielen durfte.

Der Klassiker scheidet also bei Ihnen aus: Schülertheater, Filmfreund, straffer Theatergänger.

Total! Was mich eher angefasst hat, war die frühe Begegnung mit dem Fernsehen. Da kam eines Tages ein Redakteur in unsere Schule in Köpenick und suchte nach einem Jungen für ein Kinderfernsehspiel. Das war ich, Henry, der Zehnjährige, und ich hatte Lust darauf. Dann habe ich auch noch als „Atze Icke“ eine Pionierkultursendung moderiert. Meine Nase hat da etwas gerochen, das mir gefallen hat. Es roch nach Studio, Kameras, Teppichen, Lampen. Die Kantine hieß dort Casino, die Tische hatten weiße Decken, der eine oder andere bekannte Ansager oder Schlagersänger lief durch die Gänge, das hat mich begeistert. Und die Regisseure haben mich beeindruckt mit ihren Lederjacken und schönen Schals, alle haben gemacht, was die gesagt haben.

Sie haben Ende der Achtziger begonnen, selbst am Theater Regie zu führen, es war aber nur eine fünfjährige Phase. Warum?

Aufgehört habe ich damit wieder, als die Zusammenarbeit mit Frank Castorf intensiver wurde. Ich wollte dann als Regisseur kein Castorf-Ableger sein, das Spielen und Ausleben in Rollen hatte mir mit ihm endlich wieder viel mehr Spaß gemacht. Es war einfach symbiotisch mit ihm und wirklich etwas Besonderes, das es in diesem Beruf selten gibt. Wir hatten auch den gleichen Humor und ähnliche Koordinatensysteme. Es ging um Ergänzung. Ich bin eher ein szenischer Typ, mir geht es vor allem um spielerische Ideen für eine Szene. Ich fühle mich nicht so sehr in eine Figur hinein und reagiere dann aus ihr heraus, höchstens beim Improvisieren. Wir haben wie eine Band gearbeitet, nicht wie ein Orchester, das für jedes Projekt neu zusammengestellt wird.

Sie hatten immer musikalische Ambitionen, am bekanntesten ist das Lied „Casablanca“, das Sie für City komponiert haben. Weshalb gab es nie eine Hübchen-Band?

Ich klimpere noch auf der Gitarre rum, ja. Aber, nee, eine richtige Band wollte ich nie wirklich. Kann man haben, muss man aber nicht. Mir fehlt da die Leidenschaft, und die braucht es nun mal, wenn man es richtig machen will. Es ist ja wie mit Büchern. Da liegen schon ein, zwei Projekte auf meinem Tisch, aber so richtig geht es nicht los damit. Ich drücke mich davor, da mache ich lieber den Fernseher an oder werde mit irgendetwas abgelenkt oder verbringe den Tag mit Müßiggang. Außerdem werde ich zwar früh, aber nur langsam wach. Hyperaktivität ist was anderes.

Sie sind jetzt 76. Wäre wichtigen Menschen zu danken?

Wo soll ich da anfangen? Von Schauspieler Jürgen Holtz habe ich schon beim Szenenstudium viel gelernt. Professor Rudolf Penka, der damalige Leiter der Schauspielschule „Ernst Busch“, hat mir wichtige Grundlagen vermittelt. Heiner Müller war natürlich wichtig, seine Art zu denken und zu formulieren. Danke, Heiner Müller! Matthias Langhoff, Fritz Marquardt, Benno Besson, der mich nach Berlin geholt hat – danke! Da waren aber auch all die großen Clowns wie Karl Valentin, Grock, Jango Edwards und natürlich die Stummfilm-Slapsticker, die in einer Phase für mich wichtig waren. Oder Pina Bausch, ihr Tanztheater war für mich ein Erlebnis – danke!

Das Gespräch führte Andreas Körner.

„The Investor“ startet kommende Woche im Kino und ist bei gängigen Video-on-Demand-Anbietern erhältlich.