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Feuilleton

Radebeuler Festival klärt auf: Warum manche Stradivari besser nicht gespielt wird

Mehr als Konzerte: Das Musik Festival Radebeul hat sich nach nur drei Ausgaben auch mit Lesungen und Vorträgen etabliert. Erstmals wird eine Winter-Edition vor Dampfloks aufgelegt.

Von Bernd Klempnow
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Festivalleiter Albrecht Menzel spielt selbst eine Stradivari.
Festivalleiter Albrecht Menzel spielt selbst eine Stradivari. © Anne Hornemann

Immer wieder ein Erlebnis: Nur mittels wiederholender Staccati baut Antonio Vivaldi einen dissonanten Akkord auf, der eine markante kältestarrende Atmosphäre auslöst – so beginnt sein „Winter“ aus dem Violinkonzert-Zyklus „Die vier Jahreszeiten“. Dann greift die virtuose Solovioline an und unterbricht mit „erbarmungslosem“ Wind, irgendwann hört man ein regelrechtes Zähneklappern. So erlebt am Sonntag im Historischen Güterboden neben dem Bahnhof Radebeul Ost am vermutlich letzten Sommertag mit 30 Grad. Es war das Abschlusskonzert des diesjährigen Musik Festivals Radebeul. Festivalchef Albrecht Menzel musizierte mit Solisten und Stipendiaten der Anne-Sophie-Mutter-Stiftung und der Deutschen Stiftung Musikleben den Vivaldi so derart fulminant, dass das Publikum die Künstler feierte.

Musizierten wieder vor Schülern und erklärten ihre Instrumente: Künstler des Radebeuler Musik Festivals um Albrecht Menzel (r.).
Musizierten wieder vor Schülern und erklärten ihre Instrumente: Künstler des Radebeuler Musik Festivals um Albrecht Menzel (r.). © Norbert Millauer

Seit dem 25. August hatte es bei der nunmehr dritten Auflage des kleinen Festivals spannende Konzerte gegeben, eine Lesung, Vorträge und Schulaufführungen vor 200 Kindern. Das Erstaunliche bei dem Festival ist nicht nur, dass ein junger 30-Jähriger es so aus dem Nichts gegründet und dank vieler Unterstützer in kürzester Zeit etabliert hat. Vor allem bei der Wahl der Spielorte zeigt er Gespür für außergewöhnliche Plätze – sei es der Industriecharme der Zerma-Halle, sei es der fantastisch ausgebaute und gut klingende Güterboden.

Die Geheimnisse der Stradivaris

Dem Spiel Menzels auf seiner Violine lauschten die Zuhörer umso intensiver, denn wohl die meisten hörten das Instrument mit anderen Ohren. Der Grund: Vor dem Vivaldi hatte der Geigenexperten Rainer Cocron von Ingles&Hayday, einem der renommiertesten Auktionshäuser für Streichinstrumente, das Publikum in die Geheimnisse der Stradivaris eingeweiht. Stradivari, so der Experte, schuf vermutlich etwa 1.100 Instrumente, von denen noch rund 600 Geigen erhalten sind. Viele sind im Besitz von Stiftungen oder Mäzenen, die die wertvollen Instrumente Stargeigern und großen Talenten überlassen. Auch Albrecht Menzel spielt eine solche von 1709, aus der „Goldenen Periode“ Stradivaris, in der die besten Instrumente entstanden waren.

Großes Staunen, langer Applaus

Cocron erläuterte Unterschiede und Besonderheiten, nannte schwindelerregende Preise und überraschte: Es sei gut, wenn manche Stradivari gar nicht gespielt werde, wie die „Lady Blunt“ von 1721, die überwiegend im Besitz von Sammlern war. „Damit ist sie quasi im Originalzustand, was sie für künftige Generationen von Geigenexperten für deren Forschungen besonders wertvoll macht.“ Großes Staunen, langer Applaus – mehr solch’ Insiderwissen.

„Mal sehen, was uns für das Festival 2025 einfällt“, nahm Albrecht Menzel den Publikumswunsch auf und kündigte zugleich eine Novität an. Erstmals wird es am 14. Dezember einen Musikalischen Winterabend geben. Im Historischen Güterboden Radebeul vor Dampfloks erklingen Klaviertrios von Chopin, Mendelssohn und Schumann. Mit dabei sind Albrecht Menzel und seine Stradivari sowie Sandra Lied Haga, die ein Cello aus der berühmten Werkstatt von Joannes F. Guidantus spielt.