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Wie das Internet unser Sprechen über Frauen verändert

Von Nimm-Mich-Frauen und Traditionsweibern: Im Netz entsteht eine eigene Sprache, die immer tiefer in den Alltag sickert. Auch in den sexistischen.

Von Elisa Schulz
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Mit dem Rechtsruck immer stärker im Trend: "Trad Wifes" (traditionelle Damen), die ihre Frauenrolle wie in den Fünfzigern definieren und Kinder, Kochen, Kehren als wichtigste Lebensinhalte betrachten.
Mit dem Rechtsruck immer stärker im Trend: "Trad Wifes" (traditionelle Damen), die ihre Frauenrolle wie in den Fünfzigern definieren und Kinder, Kochen, Kehren als wichtigste Lebensinhalte betrachten. © Thred.com

Soziale Netzwerke verbinden und spalten zugleich. Sie werden immer mächtiger, gerade in der Politik. Sie verändern unser Leben – und unser Reden. Immer mehr Worte schwappen aus Instagram oder Tiktok in den alltäglichen Sprachgebrauch über. Und da Englisch auch das Idiom der Sozialen Medien ist, werden amerikanische Begriffe einfach übernommen und verändern unser Sprachbild. Was besonders auffällt: Die meisten Wörter, die in den sozialen Medien erfolgreich sind, bezeichnen Frauen. Und: viele davon sind nicht unbedingt nett.

Auf der Suche nach Partnern fürs Leben und fürs Bett

So gibt es Pick me Girls, Vanilla Girls, That Girls, Trad Wifes und Karens. Pick me Girls sind junge Frauen, die nach meist männlicher Aufmerksamkeit suchen. "Pick me" heißt zu Deutsch "nimm mich". Sie stehen auf Fußball, Videospiele und Autos, sie wissen nicht, wie man sich schminkt oder kennen sich nicht mit Mode aus – Hauptsache, sie sind anders.

Blasser Teint, helle Kleidung und dezentes Make-up: Vanilla Girls sind auf Instagram, TikTok und Co. gerade richtig im Trend. Allerdings ist der Begriff nicht unbedingt etwas Gutes, denn in Amerika steht "plain vanilla" für Gewöhnlichkeit. Vanilla Girls zeigen sich in den sozialen Netzwerken im seidenen Schlafanzug zwischen beigefarbener Bettwäsche; sie tragen natürliches Make-up und goldenen Schmuck, haben blonde lange Haare und verbringen ihre Freizeit mit Tagebuchschreiben oder Lesen – "plain vanilla" also, wenn auch mit einem exklusiven Beigeschmack.

Erfolg im Job oder lieber Putzen, Kochen, Backen?

Nur eine Stufe darüber stehen die That Girls. Der Begriff beschreibt junge Frauen, die selbstoptimiert durch den Tag gehen. Sie stehen früh auf, machen noch vor dem Frühstück das erste Workout und versuchen, auch den restlichen Tag so effektiv wie möglich zu sein. Auf Instagram und TikTok kommt das super an.

Die ältere Version der Vanilla Girls ist dann wohl schon das Trad Wife. Diese "traditionellen Hausfrauen" kochen, backen, putzen, hüten Kinder im Sinne einer perfekten stereotypischen Hausfrau der 50er-Jahre, und das alles für das Internet von heute. Soll es Käsebrot geben, fangen sie erstmal an, selbst Käse herzustellen und Brot zu backen.

Und dann gäbe es da noch Karen. Vor allem in Amerika ist sie zu einem Synonym für eine bestimmte Typ-Frau geworden. Karens führen sich in der Öffentlichkeit wegen Kleinigkeiten unmöglich auf. Karen ist mittleren Alters. Sie ist dünnhäutig. Sie ist privilegiert, weiß und hat Geld. Sie trägt eine freche, praktische Bob-Frisur und ist streitlustig.

Boy-Math hat nichts mit Jungs-Mathe zu tun

Wäre das noch nicht genug, haben Frauen auch ihre eigene Mathematik erfunden: das sogenannte Girl Math. Diese "Mädchenrechnerei" genannte Matheform, soll vor allem Impulskäufe rechtfertigen. Bezahlt man zum Beispiel schon in diesem Jahr den Urlaub, ist es ja nächstes Jahr eigentlich umsonst. Das lässt sich auch auf Gegenstände ummünzen. 150 Euro für ein Paar Schuhe, die man dann 150 Tage trägt? Dann kostet der Schuh ja nur ein Euro am Tag – günstig, oder?

Kurz nachdem Girl Math in den sozialen Medien zum Trend wurde, folgte Boy Math – auch von Frauen initiiert. Dies hat noch weniger mit Zahlen zu tun. Stattdessen listen Nutzerinnen peinliche oder seltsame Logiken auf, die Männer ihrer Meinung nach an den Tag legen. So heißt es etwa auf Twitter "Boy Math ist, wenn 1 Kompliment macht und dafür 1 Sex erwartet".

Doch nicht nur für Frauen gibt es Begriffe aus der Welt der Sozialen Medien. So wird ein junger Mann doch gern mal mit einem Golden Retriever verglichen. Die Golden Retriever Boyfriends sind Partner, die besonders unterstützend, fürsorglich und liebevoll sind – genau das Gleiche wird auch der beliebten Hunderasse nachgesagt.

Auch die ältere Generation bekommt im Internet einen eigenen Begriff. Als Boomer werden diejenigen bezeichnet, die zwischen 1946 und 1964 geboren worden sind. In der Sprache des Internets sind es vor allem Männer, die unzeitgemäße, meist sehr konservative Ansichten und Meinungen zu Klimawandel, Gendern und vieles mehr haben. Auf Twitter gibt ein Nutzer ein Beispiel: "Boomer: Gendern macht die Sprache kaputt. Auch Boomer: Stück mal ein Rück, ich muss noch an meinen Schlepptop!"

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