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Der Film "Zwei zu Eins": Als das DDR-Geld in den Schacht kam

Die Komödie „Zwei zu Eins“ erzählt sehr unterhaltsam und mit einem kräftigen Schlag Melancholie von Stimmungslagen und Übergangsbefindlichkeiten.

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Sandra Hüller gehört zum Team des starbesetzten Films „Zwei zu Eins“: Im Frühjahr 1990 begann die DDR-Staatsbank das Ost-Mark-Papiergeld in einem alten Stollen in Halberstadt hinter dicken Betonwänden einzulagern, es sollte dort verrotten. Der Film „Zwei
Sandra Hüller gehört zum Team des starbesetzten Films „Zwei zu Eins“: Im Frühjahr 1990 begann die DDR-Staatsbank das Ost-Mark-Papiergeld in einem alten Stollen in Halberstadt hinter dicken Betonwänden einzulagern, es sollte dort verrotten. Der Film „Zwei © X Verleih AG

Von Andreas Körner

Und so begab es sich, dass im verdampfenden Land plötzlich sogar Babys 2.000 Mark auf dem Konto hatten. Verwandte, Freunde und selbst eher entfernte und sehr gern ältere Nachbarn rückten auf seltsame Weise zusammen und vertrauten sich gegenseitig ihr zumeist mühsam Erspartes an. Ausschöpfen wurde im Sommer 1990 zum Volkssport. Obergrenzen von 2.000, 4.000 und 6.000 DDR-Mark, je nach Geburtstermin angesetzt, sollten erreicht werden. Zu verschenken hatte der Bürger nichts. Nichts jedenfalls, was nicht im Verhältnis Eins zu Eins Westgeld werden konnte. Nur vage überliefert ist, ob es dann in jedem Fall mit der Rückgabe reibungslos funktioniert hat, doch das wäre eine andere Geschichte.

Zauberwort: Währungsunion

Das Zauberwort hieß Währungsunion. Ein Sonntagskindergefühl waberte über den östlich-deutschen Ländereien, die im Herbst des Jahres 1990 schon „Neue Bundesländer“ heißen und diesen Namen bis heute noch nicht abgelegt haben sollten. Der 1. Juli 1990 war ein Sonntag. Bis zum Freitag davor herrschte reges Treiben in Sparkassen und Banken – hüben wie drüben. Denn für den, der das Umschichten verpasst hatte, zählte Zwei zu Eins, ebenso für den Rest der Guthaben. Für ganz Gewiefte war selbst das noch ein feines Geschäft. Auch davon erzählt im Kino jetzt Natja Brunckhorsts milde Komödie mit eben diesem so nüchternen wie perfekten Titel. „Zwei zu Eins“ erzählt zudem sehr unterhaltsam und mit einem kräftigen Schlag Melancholie von anderen Dingen und Gefühlen, Stimmungslagen und Übergangsbefindlichkeiten.

Plötzlich wertlos: DDR-Geld nach der Währungsunion.
Plötzlich wertlos: DDR-Geld nach der Währungsunion. © dpa

Zunächst aber von einer wahren Geschichte. Tatort: Halberstadt, ein Stollen der Thekenberge, schon zu Zeiten des Nationalsozialismus als betoniertes Höhlensystem angelegt, zu besagter Sommerzeit als Komplexlager 12 der Nationalen Volksarmee genutzt. Es herrscht Betriebsamkeit, Lkws fahren in Kette ins Gelände, die Bevölkerung rätselt. Sind Stasiakten an Bord? Waffen? Nein, es ist Geld. Über 100 Milliarden DDR-Mark in Scheinen, über 3.000 Tonnen Realgewicht dem Muff unter Tage zum Verrotten anheimgestellt. Was nicht recht funktionieren wollte, denn noch über zehn Jahre später stiegen Diebe über die Lüftungsschächte ein und schleppten Säcke heraus. Wie viel Geld bis 2001, als die Sache aufflog, verschwunden war und in Umlauf gebracht wurde, weiß keiner.

Fakt ist, es waren auch 200er- und 500er-Banknoten dabei, die wurden in der DDR zwar gedruckt, dann aber doch nicht ausgegeben. Wozu auch? Aus dieser an sich schon herrlichen Story baute sich Natja Brunckhorst eine launige Fiktion, die zu wechselnden Teilen Räuberpistole mit Einschlägen von Schalk und Schwejk, Liebesgeschichte mit Charme und Dreisamkeit sowie stimmige Zeitblende ist, noch dazu hervorragend besetzt. Mit Komödien, so scheint es, wird der deutsche Film dieser Phase deutscher Geschichte am ehesten gerecht. „Zwei zu Eins“ gehört zu den besseren.

Obskure Westverkäufer mit Topfsets und Kristallvasen

Plötzlich ist er wieder da, der Volker (Ronald Zehrfeld). Steht mit geschulterter Reisetasche im Hof der Platte und wird von Maren (Sandra Hüller) angemessen spitz begrüßt: „Nichts los in Ungarn, oder was?“ Die beiden waren auch mal ein Paar, bis Volker vor einem Jahr verschwand. Robert (Max Riemelt) blieb in Halberstadt und ist nun mit Maren, diesem Schmetterling, zusammen. Es gibt einen großen Sohn, eine kleine Tochter, eine Liebe unter Freunden, die sich seit Kindertagen kennen. Und es könnte wieder so bleiben. Vielleicht ja nach der „Aktion“.

Denn das mit den Lastkraftwagen im nahen Sperrgebiet bekommt man mit im Rayon. Onkel Marke (Peter Kurth) ist dort sogar noch angestellt, ein Kauz, der sich schleichend zu Tode saufen will, weil er für „einen direkten Selbstmord zu feige“ ist. Schade eigentlich um ihn, denn er wird sich im Laufe der Handlung als scharfer Denker, blitzgescheiter Analyst und anarchischer Utopist zwischen den Systemen entpuppen und einen VEB erwerben. Davor aber steigen Volker, Robert und Maren mit des Onkels Hilfe hinab, kichern wie Kinder beim Anblick der Geldberge hinter Stahltüren, packen ein, was einzupacken geht und starten ein wundersames Projekt. Noch ist Ende Juni, sind ein paar Tage Zeit zum Handeln, und noch klingeln obskure Westverkäufer mit Topfsets und Kristallvasen in den Hausgemeinschaften der Brüder und Schwestern.

Jetzt ins Detail zu gehen, hieße nicht nur Inhalt, sondern den ganzen Film zu verraten. Nur so viel: Das DDR-Geld wird für 43 rechtsmündige Personen, nicht wenige davon bereits aus ihren Jobs entlassen, enttäuscht und ihrer Lebensleistung beraubt, sowie elf Kinder in einem Neubaublock von Halberstadt kein Spielgeld, sondern Zündstoff einer Geschäftsidee samt Vision von Zusammenhalt, volkseigener Betriebsamkeit, gepaart mit einer ordentlichen Portion Rausch und Starrsinn.

Ost-Schauspielriege vom Feinsten

Hüller, Zehrfeld, Riemelt, Kurth, dazu Ursula Werner, Martin Brambach, Uwe Preuss, Laien vor Ort in Gera, wo gedreht wurde – mehr Ost-Sozialisierung in der Schauspielriege geht nicht. Doch damit ging die Westberlinerin Natja Brunckhorst in ihrer zweiten Regiearbeit nicht vordergründig auf Nummer sicher, sondern wollte Zeitgeist er- und Wahrhaftigkeit aufspüren, Möglichkeiten, auch die verpassten, spielerisch luftig und ohne Schaum vor den Lippen oder Albernheit entwerfen. Das ist ihr gelungen, wenngleich es den Szenen im Stollen an echtem Kribbeln und Timing fehlt. Die Olsenbande hätte sie ausgereizt.

Sommer 1990 – ein jeder lebt mit seinen eigenen Erinnerungen. Jenny Erpenbeck hat diese schwebenden Wochen in ihrem Buch „Kairos“ faszinierend beschrieben: „Denn wenn, und dann, und sonst, und ob, das eine zieht das andere nach sich, das eine setzt das andere voraus, und das ist nicht, und das nicht mehr, und endlich, und schließlich, im letzten, viel früher, noch nicht, zu spät, es muss, es soll, zu viel, und anders nicht möglich, nicht sinnvoll.“ Jannek, Marens jugendlicher Sohn, sagt es im Film auf seine Weise: „Was ’ne Zeit! Is’ ’ne geile Zeit!“

Der Film läuft in Dresden u. a. im PK Ost, Zentralkino, in der Schauburg sowie in Görlitz und Döbeln.