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Das Leben der DDR-Frauen im Film - war es so?

Sie schrieben Geschichte(n) in Ost und West: Im Kino starten jetzt zwei neue Dok-Filme über Frauen in der DDR und die Grünen-Gründerin Petra Kelly.

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Wie die berühmte Film-„Schwester Agnes“ nutzten auch diese Damen Mopeds für den Arbeitsweg. Der Film „Die Unbeugsamen 2“ zeigt „Ostfrauen“ zwischen Stolz und Emanzipation, Träumen und Ernüchterungen.
Wie die berühmte Film-„Schwester Agnes“ nutzten auch diese Damen Mopeds für den Arbeitsweg. Der Film „Die Unbeugsamen 2“ zeigt „Ostfrauen“ zwischen Stolz und Emanzipation, Träumen und Ernüchterungen. © Deutsche Fotothek/Gerhard Weber

Von Andreas Körner

Nein, der Internationale Frauentag sei nun wirklich nicht das Schlimmste an der DDR gewesen, sagt Katja Lange-Müller vor der Kamera. Dabei hält die Autorin lässig eine „Fluppe“ in der Hand. An anderer Stelle wird sie genussvoll daran ziehen, und es passt hervorragend zu ihrem zart spöttischen und gelassenen Ton, mit dem sie über Vergangenes spricht. Lange-Müller ist auch eine Tochter, jene von Inge Lange, die im Zentralkomitee der Einheitspartei für Frauenfragen zuständig war und es trotzdem nie bis ganz nach oben schaffen sollte.

Die Langes stehen für das Konzept von „Die Unbeugsamen 2“ mit dem doppeldeutigen Untertitel „Guten Morgen, ihr Schönen!“ Auch die in die DDR eingewanderte österreichische Schriftstellerin Maxie Wander hätte sicherlich einen Platz in diesem Dokfilm gefunden, würde es verwertbares Bild- und Tonmaterial von ihr geben. So gehört ihr nur ein Epilog am Schluss, der darauf verweist, dass sie sehr wohl den Nachfolger ihres viel gelesenen Porträtbuchs „Guten Morgen, du Schöne“ im Kopf hatte. Über Männer.

Staunen über den Umgang der Männer mit den Frauen

Regisseur Torsten Körner widmet sich zugewandt und konzentriert den Frauen in der DDR. Im ersten Teil der „Unbeugsamen“, vor drei Jahren ins damals noch vom Umgang mit dem Virus gebeutelte Kino gekommen, waren es prägende Politfrauen im Westen nach 1950. Über umfangreiches Archivmaterial und aktuelle Gespräche unter anderem mit Herta Däubler-Gmelin, Christa Nickels, Rita Süßmuth und Renate Schmidt erhob sich die Bonner Republik auf der Leinwand und hinterließ unglaubliches Staunen über die Attitüden der Männerbastion im Umgang mit weiblichen Kollegen.

Das Rezipieren beider Filme hat noch immer vor allem mit Neugier zu tun, zuvorderst auf Menschen in politisch und gesellschaftlich völlig verschiedenen Systemen, die man nicht recht kannte, weil man nicht Teil von ihnen war. Von Ost nach West besehen, hatte es vortrefflich funktioniert. Und jetzt?

Katrin Sass kann nicht unbedingt Substanzielles erzählen

Für den zweiten Teil hat Torsten Körner formal die gleichen Mittel gewählt: Zuordnung über Themenkapitel, flotter Schnittrhythmus im historischen Mix aus Liedern, Stand- und Bewegtbildern, ausgewiesene Ruhe in tagesaktuellen Statements. Da Körner jetzt aber ein ganzes Land greifen will, anstatt einem enger gestellten Fokus zu folgen, muss das neue Werk zwangsläufig zerfasern.

Er muss mehr erklären lassen, braucht er bekannte Gesichter wie Katrin Sass, die dann nicht unbedingt das Substanziellste beisteuern. Zudem muss er üppig auf zeitgeschichtliches Filmmaterial zurückgreifen, das hier im Osten schon vieltausendfach versendet wurde, also sattsam bekannt sein dürfte.

Stolz und Emanzipation, Träume und Ernüchterungen

Trotzdem bietet „Die Unbeugsamen 2“ einen äußerst interessanten Ansatz, denn er bringt mit eher unbekannten Protagonistinnen aus dem Volk auch komprimierte Facetten „normalen“ Lebens, weitab von offensichtlicher Kulturlastigkeit. Dann wird es unbedingt persönlich und der Zuschauer allein darf es dem großen Ganzen zuordnen. Es geht um Stolz und Emanzipation, fließend vom Ich zum Wir und wieder zurück, es geht um echte Zwischentöne und Schattierungen, Träume und Ernüchterungen.

15 Frauen wurden ausgewählt und oft sind es eben auch Töchter und Enkelinnen, die über Mütter und Großmütter sprechen, kommentierend zu alten Originalaufnahmen. Sehr beeindruckend: Katrin Seyfarth, heute 62-jährige Metallurgin, die wunderbar über das Gestern und Heute reflektiert und die DDR als Baum sieht, der 1989 gefallen ist und offenbarte, dass er keine Wurzeln hat.

Auch Stasi, Knast und Verfolgung sind Thema

Bewegend ist auch die Begegnung mit Amrei Bauer, Tochter der 1989 verstorbenen, kämpferischen Künstlerin Annemirl Bauer, von der ein erdiger Leitsatz stammt: „Frauen, wenn wir heute nichts tun, leben wir morgen wie vorgestern!“ Brunhilde Hanke, längst über 90-jährig, spricht über ihre Zeit als „Oberbürgermeister“ von Potsdam, Solveig Leo über jene als LPG-Vorsitzende.

Zahnarzthelferin Kerstin Bienert ordnet die Erinnerungen an ihre Mutter, die „die DDR gemocht und über sie geflucht hat“. Stasi, Knast und Verfolgung ziehen mit Friedensaktivistin Ulrike Poppe und Off-Künstlerin Gabriele Stötzner ein, wobei hier der Ton zwischen ausgeatmet-gelassen (Poppe) und angefasst-nüchtern (Stötzner) schwankt.

Petra Kelly als Fortsetzung der Unbeugsamen

Im September startet dann mit „Petra Kelly – Act Now!“ ein Film, der sich wie die intensivere Fortsetzung der ersten „Unbeugsamen“ anfühlt. Dort tauchte natürlich auch Petra Kelly auf – als Grünen-Gründerin, Parlamentarierin, als Ikone. Torsten Körner hätte sich mit ihr, wie er sagt, gern selbst vertiefend beschäftigt.

Regiekollegin Doris Metz war jedoch schneller und macht vieles richtig, um Petra Kelly packend zu packen. Einzig das Verzurren ihrer Nachwirkung im zivilen Ungehorsam nachfolgender Generationen wirkt seltsam aufgesetzt. Die auf allen Kanälen präsente Luisa Neubauer dazu zu befragen, liegt nahe, ist aber einfallslos.

Interessante Kontakte zu Erich Honecker

Wichtig: Petra Kelly (1947 – 1992) bekommt Präsenz. Über Hör- und Bildbeispiele ihres Charismas, die Klugheit ihrer Taten und Denkansätze, die suggestiv zu spürende Leidenschaft, ihre stets unterschätzte Internationalität und Weigerung, politische Zustände eines Landes auf eben dieses eine Land zu begrenzen. Kelly hatte die Welt im Blick.

Es ist ein Fleißwerk, weil es ein solches sein muss, entstanden nach Auswertung endlos scheinender Archivbestände. Dort mit der Pinzette essenzielle und kaum beachtete Facetten dieser besonderen, am Ende tragischen Unbeugsamen gegriffen zu haben, ist der Regisseurin gelungen. Für Ost-Seher werden es beispielsweise Kellys Kontakte zu Erich Honecker sein, für die Allgemeinheit die unfassbaren Bedrohungsszenarien ihrer Person und das mit Lebenspartner Gert Bastian wäre einen nächsten tiefer schürfenden Film wert.

  • Die Unbeugsamen 2 startet im Zentralkino, im Programmkino Ost und in der Schauburg (Dresden)
  • Petra Kelly – Act Now! wird ab 12. September im Zentralkino gezeigt.