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Nächster Weggang bei den Kunstsammlungen: Chefin der Völkerkundemuseen verlässt Sachsen

Den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden steht ein weiterer Personalwechsel bevor. Nach Generaldirektorin Ackermann übernimmt auch die Chefin der Enthnographischen Sammlungen einen anderen Posten.

Von Birgit Grimm
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Die Niederländerin Léontine Meijer-van Mensch kam vor sechs Jahren vom Jüdischen Museum Berlin nach Sachsen und übernahm hier die Staatlichen Ethnographischen Sammlungen.
Die Niederländerin Léontine Meijer-van Mensch kam vor sechs Jahren vom Jüdischen Museum Berlin nach Sachsen und übernahm hier die Staatlichen Ethnographischen Sammlungen. © kairospress

Dresden. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) haben nach dem angekündigten Weggang der Generaldirektorin Marion Ackermann nach Berlin eine weitere Personalbaustelle: Die Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen mit den drei Völkerkundemuseen in Leipzig, Dresden und Herrnhut, Léontine Meijer-van Mensch, verlässt zum 1. Oktober Sachsen.

Neue Herausforderung in Rotterdam

Léontine Meijer-van Mensch will in Rotterdam das neue Stadtmuseum konzipieren und aufbauen. „Mit wehmütigem Herzen verlasse ich die drei Museen in Leipzig, Dresden und Herrnhut und die SKD. Ich bin sehr dankbar für alles, was wir gemeinsam erreicht haben. Ich verlasse die Museen aber auch beruhigt, weil ich weiß, dass die Kolleginnen und Kollegen und alle Netzwerkpartner und Netzwerkpartnerinnen die wahre Kraft des Museums sind“, sagte die 51-Jährige.

Léontine Meijer-van Mensch (51) beendet im Herbst dieses Jahres nach fast sechs Jahren ihre Tätigkeit als Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen (SES) und kehrt in ihre niederländische Heimat zurück.
Léontine Meijer-van Mensch (51) beendet im Herbst dieses Jahres nach fast sechs Jahren ihre Tätigkeit als Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen (SES) und kehrt in ihre niederländische Heimat zurück. © dpa

„Ich freue mich aber auch auf meine Rückkehr in meine Heimat und vor allem auf die neuen Herausforderungen in Rotterdam. Dresden und Rotterdam verbindet vieles, nicht umsonst sind wir Partnerstädte. Sicherlich bleiben wir einander verbunden.“

Starker Einsatz für die Rückgabe geraubter Objekte

In Leipzig krempelte Léontine Meijer-van Mensch das Völkerkundemuseum im Grassi um. Das von ihr initiierte Transformationsprojekt „Re-Inventing Grassi“ spielte eine führende Rolle in der Debatte zur Zukunft der Völkerkundemuseen. Bei der Rückgabe von Objekten, vor allem von Benin-Bronzen, wurde sie zur Vorreiterin unter deutschen Museumsleuten. Sie sprach dabei immer wieder von einer ethischen Verantwortung der Museen.

In Dresden fällt die Vollendung der Restaurierung des Damaskuszimmers im Japanischen Palais in ihre Amtszeit. Hier war 2021 auch die Ausstellung „Sprachlosigkeit – das laute Verstummen“ zu sehen, in der es um Respekt und um Gewalterfahrungen ging und darum, Wege mithilfe der Kunst zu finden, Verletzungen zur Sprache zu bringen.

Überhaupt stand in Sachsen im Zentrum des Wirkens von Léontine Meijer-van Mensch die Aufarbeitung des kolonialen Erbes. In diesem Zusammenhang fragte sie: „Wie haben wir gesammelt, kategorisiert und Kulturen in Schubladen gesteckt und mit was für einer kolonialen Perspektive schauen wir immer noch auf die Welt?“ Léontine Meijer-van Mensch hat sich für Repatriierung menschlicher Überreste eingesetzt und eine öffentliche Debatte über die Rückführung geraubter Objekte an die Herkunftsgesellschaften angestoßen. So wurde der nigerianische Künstler Emeka Ogboh eingeladen, die Plakatserie „Missing in Benin“ zu gestalten, die im Januar 2021 im Dresdner Stadtraum zu sehen war. Aktivistische, zeitgenössische Kunst bekam in den vergangenen Jahren in der sächsischen Völkerkunde auch an anderer Stelle immer wieder Raum. Ein Völkerkundemuseum, so Léontine Meijer-van Mensch, soll ein Netzwerkmuseum sein, das auf gesellschaftliche Anliegen reagiert, ein Ort der Begegnung. Transparenz ist ihr wichtig, und so zeigen die drei Museen ihrem Publikum auch, wie sie arbeiten.

Wegweiserin in aufgeladenen Debatten

SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann lobt die Sensibilität und weltweite Erfahrung, mit der ihre Kollegin „die schwierigsten Themen souverän und immer mit warmherzigem Humor moderiert“ hat. „In der Direktorenkonferenz hatte ihre Meinung großes Gewicht, und sie war uns oft Wegweiserin in aufgeladenen, polarisierenden gesellschaftlichen Debatten.“

Bundesförderung nach Sachsen geholt

Barbara Klepsch, Sachsens Staatsministerin für Kultur und Tourismus, teilte mit: „Unter der Leitung von Léontine Meijer-van Mensch haben die SES eine beeindruckende Entwicklung erlebt, angefangen bei der Neugestaltung des Museums für Völkerkunde in Leipzig. Dafür hat sie eine hohe Förderung des Bundes nach Sachsen geholt, die uns kulturpolitisch sehr geholfen hat. Auch das Völkerkundemuseum in Herrnhut hat sich mit ihrer Führung auf neue Wege begeben, um regional und international noch besser zu strahlen. Besonders dankbar bin ich für den bedachten wie empathischen Umgang mit der Restitution von Kunstwerken, die unrechtmäßig in unserem Besitz sind, und besonders auch mit der Repatriierung menschlicher Überreste. Die gemeinsamen Termine dazu waren sehr bewegend und von großer Wärme getragen, wie jede Begegnung mit Léontine Meijer-van Mensch.“

Anfang der Woche war bereits der Wechsel von SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann (59) nach Berlin bekannt geworden. Sie übernimmt im kommenden Jahr als Präsidentin die Leitung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK). Sie wurde vom SPK-Stiftungsrat in Berlin zur Nachfolgerin von Hermann Parzinger (65) bestimmt.