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Bevor Deep Purple in Dresden auftritt: „Es gibt nur noch sehr wenige Gitarrenmeister“

Zwei Musiker der Band verraten, was sie eint und warum sie dennoch Abstand brauchen.

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Ein junger Mann und vier Oldies – die gegenwärtige Formation von Deep Purple mit Roger Glover, Don Airey, Ian Paice, Ian Gillan und Simon McBride (vl).
Ein junger Mann und vier Oldies – die gegenwärtige Formation von Deep Purple mit Roger Glover, Don Airey, Ian Paice, Ian Gillan und Simon McBride (vl). © PR/Jim Rakete

Riffs! Riffs! Riffs! Deep Purple erinnern sich mit ihrem neuen Power-Album „=1“ noch einmal daran, dass sie zu den großen harten Rockbands und Metal-Wegbereitern zählen. Schlagzeuger Ian Paice und Keyboarder Don Airey erzählen im RND-Gespräch, warum man bei Konzerten vieles hören, aber niemals den Übersong „Smoke on The Water“ weglassen kann. Und wie viel Glück sie mit dem Neuzugang Simon McBride hatten: „Es fühlt sich an, als wäre er schon 100 Jahre in der Band.“

Mr. Paice, Mr. Airey, die erste große Deep-Purple-Tour mit Simon McBride. Aufgeregt?

Paice: Aufgeregt ist nicht das richtige Wort. Wir freuen uns. Es ist ein großes Vergnügen, mit Simon auf der Bühne zu stehen. Es fühlt sich an, als wäre er schon 100 Jahre in der Band und nicht erst zwei. Er ist definitiv einer von uns.

Was sprach ihn, als Steve Morse ausschied, um sich um seine kranke Frau zu kümmern?

Airey: Ich treffe Simon seit zehn Jahren. Ich veranstalte ja alle zwei Jahre ein Wohltätigkeitsfestival in meinem Dorf. Er spielte zum Auftakt, er war brillant, wir blieben in Kontakt. Und er kam dann mit meiner Don Airey Band auf Klubtour durch Europa.

Die Eintrittskarte bei Deep Purple.

Airey: Ich habe ihn unserem Sänger Ian Gillan als Livegitarrist empfohlen. Als er sich erinnerte, sagte er: „Wenn Steve Deep Purple je etwas hinterlassen sollte, brauchen wir uns nicht groß nach einem Nachfolger umzusehen.“ Paice: Wenn du eine Rarität wie Simon findest – verlier‘ nicht seine Telefonnummer.

Deep Purple 2024 live: Der britische Sänger Ian Gillan (r) und der britische Musiker Ian Paice (l) von der britischen Rockband Deep Purple spielen auf der Seebühne während des 58. Montreux Jazz Festivals in Montreux.
Deep Purple 2024 live: Der britische Sänger Ian Gillan (r) und der britische Musiker Ian Paice (l) von der britischen Rockband Deep Purple spielen auf der Seebühne während des 58. Montreux Jazz Festivals in Montreux. © keystone

Er ist 45 Jahre alt – 30 Jahre jünger als Sie beide?

Paice: Der Einzige, den unser Alter beunruhigen könnte, ist Simon. Und er ist es nicht. Wenn man mit anderen guten Musikern spielt, dann wird es einem noch besser. Alter ist echt egal – mit guten Jungs zu spielen und dadurch jede Nacht emporgehoben zu werden, ist ein wunderbares Gefühl.

Kiss kamen einmal mit der Idee, alte Bandmitglieder erfolgreich durch jüngere zu ersetzen und so eine unsterbliche Band zu werden.

Airey: Gute Sache.Paice: Nicht unsere. Es gibt halt nur noch sehr wenige Gitarrenmeister. Ein Paar sind in Amerika wie Joe Satriani. In Europa ist es schwer, auch nur ein oder zwei auszumachen. Gute Rhythmusgitarristen findest du zu Tausenden. Aber wenn Sie einen neuen Jeff Beck wollen, einen neuen Hendrix oder Ritchie Blackmore – das ist was anderes.

Der neue Albumtitel lautet „=1“. Steht er für die Verschwendung der Band im neuen Line-up – „Deep Purple = 1“?

Paice: Das ist eine schöne Schlussfolgerung. Jeder in der Band denkt, dass dieser Titel etwas anderes ist, denn Ian Gillan hat uns nie erklärt, was er bedeutet. Ian kommt immer mit dem Titel der Alben über – wir sind dafür zu faul. Ich finde den Titel gut, weil jeder sich fragt: „Was bedeutet das bloß?“ So wird Interesse erzeugt. Im Innencover gibt es eine algebraische Formel – am Ende ergibt sie 1. Auf die eins, auf den einen kommt es an: Du bist der eine, der wichtig ist, ich bin der eine. So lese ich das. Airey: Der Titel lässt hübschen Weißraum auf dem Cover – für Autogramme.

Es ist ein Studioalbum mit vielen Jams. „=1“ klingt wie live.

Paice: Bei uns gibt es immer zwei Songwriting-Sessions. Die erste dauert zwei Wochen, in denen wir so viele Ideen wie möglich sammeln. Beginnen Sie mit einer Akkordfolge. Wenn Sie gut sind, machen wir mit. Ich spiele einen Rhythmus, die Jungs scheren ein. Wir jammen zehn, 15 Minuten und mit Glück ist da eine Minute, in der die Idee steckt. Und das machen wir, solange es geht, ohne dabei verrückt zu werden. Dann leben wir ein paar Monate damit, bis wir wissen, welches das Beste ist. Dann kommt Sitzung 2, im Verlauf werden wir diese Ideen verfeinern und noch vier fünf weitere finden. Dann haben wir ein Album. „=1“ ist frisch, heavy, als wäre es nach 2023 wieder 1972.

Was ist der Plan?

Beide zugleich: Es gibt niemals einen Plan. Paice: Simon kam mit Riffs über. Und Riffs führen dich ob ihrer Schlichtheit in die Richtung, härtere, aggressivere Musik zu machen. Das ist einfach so. Wenn Steve eine schöne Oberstimme angeboten hat oder eine komplexere Akkordstruktur, dann geht die Reise anderswo hin. So ist die Bandchemie. Weil so viele gitarrenriffgetriebene Songs auf „=1“ sind, entzünden sich die Erinnerungen an die frühen Platten. Denn genau so waren die.

Es gibt Sixties-Momente, psychedelisches, orientalische Keyboardläufe. Und der Chuck-Berry-artige Riff von „Now You're Talking“ ist ein 50er-Ding. Feiert Deep Purple seine Wurzeln?

Airey: Genau. Das tun wir. Paice: Man forciert das nicht. Wenn du einen Rhythmus oder eine Sequenz bekommst, erinnert dich das an etwas aus deiner Vergangenheit. Du reagierst darauf und spielst, was sich am besten anhört – sei es aus den 50ern oder gar aus den 30ern. Immer das Beste für den Song.