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Warum geklaute Kartoffeln vor Gericht landen

Immer wieder hat sich ein Landwirt aus Jahnatal über Stehlschäden auf seinen Feldern geärgert. Wie er sich dagegen gewehrt hat.

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Etwa 60 Kilogramm Kartoffeln haben zwei  Ostrauer in Jahnatal von einem Feld geklaut und waren erwischt worden. Jetzt mussten sie sich dafür vor Gericht verantworten.
Etwa 60 Kilogramm Kartoffeln haben zwei Ostrauer in Jahnatal von einem Feld geklaut und waren erwischt worden. Jetzt mussten sie sich dafür vor Gericht verantworten. © Agentur

Döbeln/Jahnatal. Zwei „dunkle Gestalten“ lungern am Feldrain. Sie warten den Schutz der Dämmerung ab, um mit ihren Fahrrädern und einem Hänger zum Kartoffelacker zu schleichen.

Dort buddeln sie die von ihnen begehrten Erdäpfel aus und ziehen von dannen. Ein Stoff, der eigentlich für eine Comicverfilmung taugt.

Erst recht, da der Landwirt, dem das Feld gehört, irgendwann eine Wildkamera installiert hat, um die Kartoffeldiebe zu überführen. Und prompt tappten die 23 und 34 Jahre alten Ostrauer am 10. September 2024 bei Schmorren auch in die Falle. Gleich zweimal.

Zweimal in Fotofalle getappt

Erst bei der Anfahrt, dann mit der Beute bei der Abfahrt. Als sie zehn Tage später einen erneuten Versuch starten wollten, die Erdäpfel waren inzwischen wohl verspeist, alarmierten Anwohner, welche die beiden Männer bemerkten, den Landwirt und der die Polizei.

Zum Kartoffeln klauen kamen sie deshalb nicht mehr. Einen Strafbefehl wegen des vorherigen Vorfalls hatten sie aber trotzdem an der Backe und mussten sich nun vor dem Amtsgericht Döbeln verantworten. Denn die Staatsanwaltschaft verstand da keinen Spaß und klagte die am 10. September 2023 zwischen 20.45 und 21.55 Uhr begangene Straftat als Diebstahl an.

„Ich räume ein, dass wir das gemacht haben“, erklärte der jüngere der beiden Angeklagten kleinlaut. Er habe „gebuddelt“. In Bezug auf die Kartoffeln fügte er reumütig an: „Es waren nicht viele. Ehrlich.“

Auf die Frage von Richter Wolfgang Dammer, was sie mit den Kartoffeln gemacht haben, sagte der 23-Jährige mit ungläubigem Blick: „Gegessen.“ Der andere Angeklagte ließ über seinen Anwalt Andreas Baereke erklären, dass er den Diebstahl ebenfalls einräumt.

Es seien etwa 20 Kilogramm gewesen, er habe die Feldfrüchte nicht gewogen. Die Kartoffelpreise seien zu dem Zeitpunkt sehr hoch gewesen, deshalb habe man sich zu dieser Art der Selbstversorgung entschlossen. Das Feld wählten die beiden Angeklagten damals zufällig aus, ohne zu wissen, wem es gehört.

Der beklaute Landwirt, dessen Kartoffeln offensichtlich auch ansonsten sehr begehrt sind, erklärte, dass er die Wildkamera installiert habe, um sein Eigentum zu schützen. So sei es zum Treffer gekommen. Und als sich die beiden Angeklagten wieder in Wartestellung befanden, habe sie die Polizei kontrolliert.

Ruhe nach Polizeikontrolle

„Danach war Ruhe“, sagte der 29-Jährige, der vorrechnete, dass es sich um 100 bis 200 Kilogramm gestohlene Kartoffeln gehandelt haben musste. Das machte er anhand der ausgebuddelten Kartoffelzeilen fest. Letztendlich rechnete er anhand der Überwachungsbilder den Schaden auf etwa 60 Kilogramm herunter, etwa 30 Kilogramm pro Kiste auf dem Fahrradanhänger.

„Mir geht es nicht um den Schaden, sondern darum, dass meine Berufskollegen und ich 100 Tage aufs Feld fahren, um die Früchte anzubauen und zu pflegen. Und Andere klauen sie dann“, sagte der Landwirt und fügte an: „Da geht es nicht nur um diese Beiden, sondern auch um andere Diebe, die teilweise mit einem BMW vorfahren und gut betucht sind.“ Es gehe einfach um die Wertschätzung der Arbeit.

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In Anbetracht des letztendlich übersichtlichen Schades stellte Verteidiger Andreas Baereke die Frage nach einer Einstellung des Strafverfahrens wegen Geringfügigkeit.

Der geschädigte Landwirt zeigte sich durchaus kompromissbereit, wenn die Schadenssumme an das Tierheim in Ostrau gespendet würde. „Ich will es nicht, aber die brauchen das Geld dringend“, so der 29-Jährige.

Im Fall des jüngeren Angeklagten ging die Staatsanwaltschaft den Deal mit. Gegen die Zahlung von 90 Euro an das Tierheim Ostrau stellte Richter Wolfgang Dammer das Strafverfahren gegen den 23-Jährigen ein. Im Falle des anderen Kartoffeldiebes hielt die Staatsanwaltschaft dagegen an der Strafverfolgung fest.

Vorstrafen wiegen schwer

Sieben Vorstrafen – von 2012 bis 2022 – wegen Computerbetrugs ließen sich nicht einfach vom Tisch wischen. Und so forderte die Anklagevertretung, auch wenn er geständig gewesen sei, für den Ostrauer eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15 Euro sowie Wertersatz.

Rechtsanwalt Andreas Baereke plädierte aufgrund des geringen Stehlschadens und der Tatsache, dass es sich um kein Luxusgut gehandelt habe, auf eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu jeweils acht Euro. „Ich bereue es, es wird auch nicht wieder passieren“, versprach der Angeklagte in seinen letzten Worten.

Vor einer Verurteilung von 30 Tagessätzen zu jeweils zehn Euro bewahrte das den Arbeitssuchenden nicht. Zudem muss er mit seinem Mittäter gesamtschuldnerisch Wertersatz zugunsten des Tierheims Ostrau leisten und zudem die Kosten des Verfahrens tragen.