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Trügerische Liebesschwüre

Mit einer perfiden Masche zocken Ausländer Menschen ab, die sich alleine fühlen. Manche fallen sogar mehrfach darauf rein. Was Kriminalhauptkommissar Michael Wolf erlebt hat.

Von Cathrin Reichelt
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Trotz Warnungen fallen immer wieder Frauen – aber auch Männer – auf Menschen herein, die ihnen im Internet Liebe vorgaukeln, aber letztendlich nur an deren Geld wollen.
Trotz Warnungen fallen immer wieder Frauen – aber auch Männer – auf Menschen herein, die ihnen im Internet Liebe vorgaukeln, aber letztendlich nur an deren Geld wollen. © Symbolfoto: dpa

Mittlsachsen/Chemnitz. Die Frau ist überglücklich. Lange hat sie allein gelebt und jetzt endlich wieder einen Mann kennengelernt. Im Internet hat er sie angeschrieben, ihr über Wochen Komplimente gemacht. Er sieht gut aus, ist intelligent und engagiert sich für Menschen, denen es nicht so gut geht. Sie können über Gott und die Welt plaudern. Die Frau fühlt sich verstanden und wieder begehrenswert.

Jahrelang habe der Mann als Arzt im Jemen gearbeitet, erzählt er. Nun wolle er zurückkehren – und natürlich den Rest seines Lebens mit seiner neuen großen Liebe verbringen. Er habe gespart. Fast 500.000 Euro müssten jetzt sicher nach Deutschland gebracht werden – in einer Kiste. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) würde den Transport übernehmen. Allerdings koste dies Einiges. Und er bittet die Frau um Hilfe.

Drei Möglichkeiten gebe es: Die Kiste mit dem Bargeld könnte innerhalb von acht bis zwölf Tagen nach Deutschland gebracht werden. Dafür verlange das DRK 3.200 Euro. Bei fünf bis acht Tagen seien es 5.800 Euro und bei drei bis fünf Tagen 7.100 Euro.

Die Frau entscheidet sich für die kürzeste Zeit und damit die teuerste Variante. Schließlich will sie den Mann so schnell wie möglich persönlich treffen. Sie überweist das Geld auf ein deutsches Konto.

Von dort aus wird es weitertransferiert. Irgendwann verliert sich seine Spur. Mit der Überweisung bricht abrupt der Kontakt zu dem Mann ab. Sie lernt ihn nie kennen, auch von dem Geld sieht sie keinen Cent wieder.

Es ist ein Fall von Love-Scamming – Liebes-Betrug. Um 22 solcher Fälle kümmert sich derzeit das Betrugskommissariat der Polizeidirektion Chemnitz, so Kriminalhauptkommissar Michael Wolf. Auch wenn in der Kriminalstatistik nicht zwischen „normalem“ Betrug und Love-Scamming unterschieden wird, ist sich Michael Wolf sicher, die Zahl der Fälle des Liebes-Betrugs steigt. Dabei fallen nicht nur Frauen auf die Masche herein, auch wenn sie mit rund 80 Prozent in der Mehrzahl sind.

Welche Personen sind besonders gefährdet, auf den Trick hereinzufallen?

„Die Opfer kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten“, sagt Michael Wolf. Am häufigsten seien Personen der Altersgruppe zwischen 50 und 60 betroffen.

„Es gibt genügend einsame Herzen“, meint der Kriminalhauptkommissar. Die Corona-Pandemie mit den Lockdowns habe das „Geschäft“ forciert. Für Menschen, die alleine Zuhause sitzen, sei die Gefahr groß, auf solche Betrüger hereinzufallen, die mit den Gefühlen spielen.

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Kommt es dann tatsächlich zu einer Anzeige bei der Polizei, sei es oft schwer, den Betroffenen zu vermitteln, dass es sich um Liebens-Betrug handelt. Die „Beziehung“ werde als positiv wahrgenommen und die Betrogenen seien gegenteiligen Argumenten kaum zugänglich.

Einige Betroffene fielen auch mehrfach auf diese Masche herein – eine Frau aus dem Erzgebirge inzwischen sogar schon 24 Mal. Eine andere Dame habe den Beamten erklärt, sie wisse, dass sie einem Betrüger aufgesessen ist. Aber sie sei froh, auf diese Weise mit jemandem reden zu können.

Wie kommen die Betrüger mit ihren Opfern in Kontakt?

In der Regel erhalten die Opfer über Facebook oder Online-Partnerbörsen Freundschaftsanfragen. Die Täter geben sich als Arzt, Soldat oder Arbeiter auf einer Ölplattform aus. In einigen Fällen glauben die Opfer auch, von Prominenten angeschrieben zu werden.

Um sich zu präsentieren, nutzen die Täter „frisierte“ Fotos oder Ausweise, die ihnen von anderen Opfern für Transaktionen zur Verfügung gestellt wurden. „Die Dokumente sind nie echt“, so Wolf.

Die Täter hätten einen langen Atem. Manche seien zwei Jahre und länger mit dem Opfer in Kontakt, bevor sie eine Forderung stellen. Die Kriminalisten gehen davon aus, dass 90 Prozent der Täter nicht in Deutschland leben, sondern von Westafrika aus agieren – egal welchen Aufenthaltsort sie gegenüber den Opfern angeben.

Welches ist das eigentliche Ziel der Liebes-Betrüger?

„Ziel ist es, so viel Geld wie möglich von den Opfern zu bekommen“, erklärt der Kriminalhauptkommissar. Oft beginnen die Täter mit überschaubaren Beträgen, die sich dann steigern. Die höchsten Beträge, mit denen es die Beamten bisher zu tun hatten, waren 160.000 bis 180.000 Euro – die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen –, die ein Mann an eine angebliche italienische Sängerin gezahlt hat.

Teilweise würden die Opfer finanziell regelrecht ausgeblutet. Einige hätten einen Kredit aufgenommen, um den Forderungen der Täter nachzukommen. Von anderen verlangen die Täter Personalausweiskopien.

„Mit diesen werden dann zum Beispiel Handys gekauft oder Handyverträge abgeschlossen. Später erhalten die Opfer Mahnschreiben von Inkassounternehmen, weil die Täter die Einkäufe natürlich nicht bezahlt haben“, so Wolf.

Es gibt aber auch noch eine ganz andere Masche. Dabei dient die Liebesgeschichte als Deckmantel für die Weiterleitung von Paketen. Ein solcher Fall wurde Ende August vor dem Amtsgericht Döbeln verhandelt. Dabei war ein Mann das Opfer.

Er war angeblich von einer Frau aus Russland kontaktiert und animiert worden, Pakete, die ihm zugesandt worden, neu zusammenzustellen und an verschiedene Adressen in Russland weiterzuschicken. Letztendlich wurde dem Mann, der den Betrug ebenfalls nicht wahrhaben wollte, Geldwäsche vorgeworfen.

Wie gestalten sich die Ermittlungen in Fällen von Love-Scamming?

„Die Aufklärungsquote ist gering“, gibt Michael Wolf unumwunden zu. Das liege zum einen an den Opfern. Vielen sei es unangenehm, zugeben zu müssen, auf Betrüger hereingefallen zu sein. Dadurch würden sie unvollständige oder sogar falsche Angaben machen.

Ermittlungsansätze seien die Mobilfunknummern der Täter, vorzugsweise aus Deutschland und den USA. Die dabei angegebenen Personalien seien aber in der Regel ebenso falsch wie die E-Mail-Adressen.

Der erfolgversprechendste Ansatz sei, dem Geldfluss zu folgen. Oft werde jedoch das aus dem arabischen Raum stammenden Hawala-Banking genutzt – ein Finanzsystem zur Weiterleitung von Geldern, das nicht nachvollziehbar sei.

Es sei bisher nur in wenigen Fällen gelungen, Geld zurückzuholen, zum Beispiel wenn Mitarbeiter von Banken misstrauisch geworden sind, den Geldtransfer gestoppt und die Polizei informiert haben.

Dann sei Eile geboten, denn die Bank darf nur eine maximale Sperre von drei Tagen verhängen. In dieser Zeit müsse die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob das Konto eingefroren wird.

Welche Möglichkeiten der Prävention gibt es beim Liebes-Betrug?

Angehörige, Freunde und Bekannte können am besten Einfluss nehmen, wenn sie Zweifel an der Aufrichtigkeit der neuen „Liebe“ haben. Das sei aber schwer, so die Erfahrung der Kriminalisten.

Auch sie belehren die Opfer eindringlich, den Kontakt abzubrechen, die Handynummer und E-Mail-Adresse zu wechseln. Manche hätten dies zwar getan, die neuen Daten aber sofort an den Täter übermittelt. „Oft fühlen sich die Opfer nicht verstanden“, meint Michael Wolf.

Anzeigen wegen des Liebes-Betrugs nehmen alle Polizeidienststellen und die Staatsanwaltschaft entgegen. Sie können aber auch online und formlos schriftlich gestellt werden.