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Siebenfache britische Babymörderin wegen weiteren Mordversuchs schuldig

Der Fall Lucy Letby hatte in Großbritannien für Schock und Empörung gesorgt. Sieben Babys ermordete die junge Frau und versuchte es bei sechs anderen. Nun kam ein weiterer Fall dazu.

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Diese Gerichtszeichnung vom 10.08.23 zeigt die Krankenschwester (M) Lucy Letby, die der Urteilsverlesung im Manchester Crown Court zuhört.
Diese Gerichtszeichnung vom 10.08.23 zeigt die Krankenschwester (M) Lucy Letby, die der Urteilsverlesung im Manchester Crown Court zuhört. © Elizabeth Cook/PA Wire/dpa

Manchester. Wegen siebenfachen Babymords und sechsfachen Mordversuchs war eine frühere Krankenschwester in England zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nun hat eine Jury die 34-Jährige in einem weiteren Fall wegen versuchten Mordes an einem neugeborenen Mädchen schuldig gesprochen. Die Frau habe im Februar 2016 versucht, das nur zwei Stunden alte Baby zu töten, entschieden die Laienrichter am Gericht in Manchester.

Im ersten Prozess hatte sich die Jury im Fall von "Baby K", wie das drei Monate zu früh geborene Mädchen offiziell genannt wird, nicht auf einen Schuldspruch einigen können. Daraufhin war in diesem Punkt ein neues Verfahren angesetzt worden. Das Strafmaß soll am Freitag verkündet werden. Wegen der ersten Verurteilung im Sommer 2023 hat Lucy Letby allerdings ohnehin so gut wie keine Aussicht, jemals wieder das Gefängnis zu verlassen.

Letby ist die vierte Frau, die in Großbritannien zu "whole-life order" genannter lebenslanger Haft verurteilt wurde und im Gefängnis sterben wird. Ihrem Urteil blieb sie fern, die Anklagebank war leer. Als "letzten Akt der Bosheit eines Feiglings" kritisierte die Mutter von zwei Opfern das Verhalten der 33-Jährigen, ähnlich äußerte sich Premierminister Rishi Sunak. Er will Straftätern gesetzlich vorschreiben, ihrer Verurteilung persönlich beizuwohnen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war die damalige Krankenschwester auf frischer Tat ertappt worden, als sie den Beatmungsschlauch des Babys verschoben habe. Ein Arzt sagte aus, die Frau habe neben dem Brutkasten gestanden und nicht gehandelt, obwohl der Blutsauerstoffgehalt auf lebensbedrohliche Werte gesunken sei. Ein Alarm für solche Fälle sei stumm geblieben. Später in der Nacht sei der Schlauch erneut verschoben worden. Das Baby wurde auf eine andere Station verlegt, aber starb drei Tage später. Letbys Handlungen gelten nicht als Todesursache.

Entscheidende Frage noch offen: Warum?

Da ist zum Beispiel Kind D. Vorzeitig geboren, starb das Mädchen plötzlich. Die Beisetzung fand noch vor dem errechneten Geburtstermin statt. "Meine Arme, mein Herz, mein Leben fühlten sich so schmerzhaft leer an", sagte die Mutter, von Emotionen übermannt, vor Gericht im August 2023. Sie frage sich jeden Tag, ob sie ihre Tochter im Stich gelassen habe. Der Vater der getöteten Brüder O und P sagte: "Lucy Letby hat unsere Leben zerstört."

In vielen Fällen war es Letby, die sich nach dem Tod um die kleinen Körper kümmerte. Bei Kind C etwa, einem Jungen, half sie, eine Box mit Erinnerungen zusammenzustellen, mit einem Fußabdruck. Den Leichnam von Kind E, ebenfalls ein Junge, wusch sie, bevor sie ihn in ein wollenes Gewand kleidete, das sie mit ihren Kolleginnen extra ausgesucht hatte. Wie die Mutter des Kinds erzählte, hatte Letby den ganzen Weg der Familienplanung miterlebt. Der Zwillingsbruder von E, Kind F, überlebte den Mordversuch. "Lucy wusste von unserer Reise und hat unseren Jungs absichtlich erheblichen Schaden und Grausamkeit zugefügt", sagte die Mutter.

Zwar betonten die Angehörigen, dank des Urteils könnten sie anfangen, mit dem Tod ihrer Kinder abzuschließen. "Wir wollten Gerechtigkeit für (Kind D), und dieser Tag ist nun gekommen", sagte dessen Mutter. Eine andere nannte Letby einen "Niemand". Doch die Frage nach dem Warum ist noch offen. Weil die frühere Krankenschwester bis zuletzt ihre Schuld bestreitet, bleibt ihr Motiv verborgen.

Sind Klebezettel das Geständnis?

Ankläger Nicholas Johnson brachte bei der Verhandlung im vergangenen Jahr mehrere Theorien vor. "Letztendlich wollte sie Gott spielen", sagte er über einen Fall, in dem Letby mit einem Kollegen über den bevorstehenden Tod eines Babys sprach. "Sie genoss, was passierte, und sagte fröhlich etwas voraus, von dem sie wusste, dass es geschehen würde", sagte Johnson. Letby hatte Kind P mit Milch überfüttert - 13 Minuten, nachdem sie dessen Drillingsbruder getötet hatte. Anderen Kindern injizierte sie Luft oder Insulin. Auch der Richter räumte ein, er kenne die Gründe nicht.

Notizen könnten der einzige Hinweis auf ein Geständnis bleiben. "Ich bin böse, ich habe das getan", stand auf einem Klebezettel, den Ermittler in Letbys Wohnung fanden. Und: "Ich verdiene nicht zu leben. Ich habe sie absichtlich getötet, weil ich nicht gut genug bin, mich um sie zu kümmern. Ich werde nie heiraten oder Kinder haben. Ich werde nie wissen, wie es ist, eine Familie zu haben." Letby sagte im Prozess, die Notizen seien Ausdruck ihrer seelischen Qualen, nachdem die Kinder in ihrer Obhut gestorben waren. Das nahm ihr die Jury nicht ab. Wie die Zeitung "Guardian" schrieb, könnte Letby in Dutzenden weiteren Fällen versucht haben, Babys zu töten.

Offen ist auch, warum Letby nicht früher gestoppt wurde. Das Klinik-Management hatte Hinweise von Kollegen oder Vorgesetzten ignoriert oder gar schroff zurückgewiesen. Die Regierung hat eine Untersuchung angeordnet. "Nichts kann ändern, was uns geschehen ist", sagte die Mutter der Kinder E und F. "Wegen Lucys Verbrechen sitzen wir eine lebenslange Haftstrafe ab." (dpa)