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Pädokrimineller verstößt in Mittelsachsen erneut gegen Kontaktverbot

Wie wirken triebhemmende Medikamente bei einem verurteilten Sexualstraftäter? Was dazu ein Gutachter erklärt.

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Vorm Amtsgericht Döbeln muss sich ein verurteilter Sexualstraftäter verantworten. Er hat gegen die Weisungen der Führungsaufsicht verstoßen.
Vorm Amtsgericht Döbeln muss sich ein verurteilter Sexualstraftäter verantworten. Er hat gegen die Weisungen der Führungsaufsicht verstoßen. © dpa-Zentralbild

Döbeln. Der gebürtige Leipziger sitzt scheinbar teilnahmslos auf der Anklagebank. Sein Blick richtet sich meist geradeaus ins Leere. Ab und an schlägt er die Hände vors Gesicht.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in mehreren Fällen Kontakt zu einem zehnjährigen Nachbarsjungen gesucht zu haben. An verschiedenen Tagen hatte er im Sommer 2023 Ball mit diesem gespielt, dann Süßigkeiten für ihn hinterlegt beziehungsweise seine Telefonnummer am Zaun hinterlassen.

Einschlägige Vorstrafen

Kontaktaufnahmen zu Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren sind dem wegen Kindesmissbrauchs und Vergewaltigung einschlägig vorbestraften und nach einer etwa sechsjährigen Haftstrafe bis 2027 unter Führungsaufsicht stehenden Mann untersagt und stellen einen Verstoß gegen die Weisungen der Führungsaufsicht dar, so die Anklage der Staatsanwaltschaft.

Die Auflagen der Führungsaufsicht beinhalten, dass sich der Angeklagte Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren – also auch Einrichtungen wie Kitas, Schulen oder Spielplätzen – nicht nähern und keinerlei Kontakt, weder persönlich noch telefonisch, per Whatsapp oder Internet aufnehmen darf.

Bereits nach seiner Haftverbüßung hatte es in Waldheim einen Verstoß gegen das Kontaktverbot gegeben, der mit einer Bewährungsstrafe geahndet wurde. Und auch neben dem derzeitig verhandelten Strafverfahren gebe es, laut Richterin Anne Mertens, bereits wieder Ermittlungsverfahren der Polizei, die sich auf Kontaktaufnahmen mit Minderjährigen zu Weihnachten 2023 und im August 2024 beziehen.

Im März war der erste Prozesstag gegen den 36-Jährigen schnell beendet, da Verteidiger Martin Göddenhenrich verkündete, dass sich sein Mandat nicht äußern werde.

Am zweiten Prozesstag im Juni waren die Mutter des kontaktierten Zehnjährigen und die verantwortliche Beamtin des Polizeireviers Döbeln für das Programm „InformationsSystem zur Intensivüberwachung besonders rückfallgefährdeter Sexualstraftäter“ (ISIS) als Zeuginnen gehört worden.

Letztere sagte aus, dass es als Maßnahme zu den Vorfällen in der Gemeinde Striegistal einen runden Tisch – unter anderem mit Polizei, Betreuern und Psychologen – gegeben habe. Unterdessen allerdings hatte es in der Unterkunft des 36-Jährigen Probleme wegen seines Alkoholkonsums gegeben, worauf er die Einrichtung in Striegistal verlassen musste, zwischenzeitlich in einem Obdachlosenheim lebte und mittlerweile in einer eigenen Wohnung.

Warnung durch Beamtin

Die Beamtin hatte die betroffene Familie explizit vor dem gefährlich eingestuften Mann gewarnt.

Am Ende der Beweisaufnahme brachte Anwalt Martin Göddenhenrich die Bestätigung einer Ärztin aus Altenburg bei, dass der 36-Jährige regelmäßig „vorbeugend auf freiwilliger Basis“ den Sexualtrieb mindernde Depotspitzen bekomme und er dadurch „weder Willens noch in der Lage sei, sexuelle Straftaten auszuführen“. Die veranlasste das Gericht, die Ärztin sowie einen Gutachter zum dritten Prozesstag zu laden.

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Die behandelnde Ärztin fehlte an diesem entschuldigt im Gericht, hatte allerdings eine schriftliche Erklärung abgegeben, in der sie den Angeklagten als „kernpädophilen Hochrisikotäter“ einschätzt, dessen Hemmschwellen unter Alkoholeinfluss fallen. Um den Sexualtrieb zu mindern, bekomme der 36-Jährige Depotspritzen, ließ die Medizinerin mitteilen.

Der als Gutachter berufene Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Leipzig, Prof. Dr. Jan Dressler, erklärte, dass die triebhemmenden Mittel den Testosteronspiegel reversibel bis auf Kastrationsniveau absenken können. Allerdings bemerkte er in der Aufstellung der Verabreichung auch größere Lücken.

„Das Präparat kann zu keinerlei Verlangen, aber auch einen Resttrieb führen“, erklärte der Rechtsmediziner. Dabei gebe es das Problem, dass es bei einer Aussetzung der Verabreichung „sogar zu einem gesteigerten Sexualempfinden kommen kann“.

Offene Fragen

Allerdings könne er in Anbetracht der vorliegenden Daten dazu keine Ausführungen machen, dazu müsse die verabreichende Medizinerin eingeladen, oder zumindest in einer Video-Konferenz zugeschalten werden. Als zusätzliches Problem sei der Alkoholkonsum des Angeklagten zu werten, wodurch sich „die Wirksamkeit verschlechtern kann“.

Auf die Frage von Richterin Anne Mertens, ob die Kontaktaufnahme des Angeklagten mit Kindern ein Risiko birgt, sagte der Rechtsmediziner, dass durch die Spitze „ein Verlangen dazu eigentlich unterbunden sein sollte“. Zur Nachfrage der Vorsitzenden, ob man eine Gefährlichkeit ausschließen kann, wagte sich Prof. Dr. Dressler keine Einschätzung.

Es sei theoretisch möglich, dass jemand trotz der Spitzen weiter straffällig werde. Eine Aussage darüber müsse allerdings die behandelnde Ärztin treffen. Aus diesem Grund wird die behandelnde Sexualmedizinerin für 1. Oktober ins Amtsgericht Döbeln als Zeugin geladen. Dann wird der Prozess fortgesetzt.