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Dresden

"Querdenker" bedroht Fotografen in Dresden

Ein oft vorbestrafter Mitinitiator von "Querdenken Dresden" kündigte Reportern bei einer Demo Prügel an. Der 39-Jährige bestreitet das in seinem Prozess.

Von Alexander Schneider
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Im September 2021, kurz vor der Bundestagswahl, demonstrierten sogenannte Querdenker auch in Dresden mit Parolen wie auf diesem Foto. Ein Mitbegründer der Initiative soll Journalisten bedroht haben und stand nun vor dem Amtsgericht Dresden.
Im September 2021, kurz vor der Bundestagswahl, demonstrierten sogenannte Querdenker auch in Dresden mit Parolen wie auf diesem Foto. Ein Mitbegründer der Initiative soll Journalisten bedroht haben und stand nun vor dem Amtsgericht Dresden. ©  Symbolfoto: dpa

Dresden. Als Robin E. im September 2021 einen Fotografen recht rüde angepöbelt hatte, war er frisch wegen Beleidigung verurteilt und stand unter Bewährung einer sechsmonatigen Haftstrafe für Drogensachen. Sein Prozess sollte schon Ende 2022 stattfinden, doch da war der Kamenzer nicht erschienen. Jetzt wurde der 39-Jährige daher von der Polizei zum Prozess ins Amtsgericht Dresden gebracht. Sicher ist sicher.

Laut Anklage soll der Mann bei einer "Querdenker"-Demo in Dresden zwei Fotografen bedroht haben: "Wenn ich ein Bild im Internet sehe, hau' ich euch weg!" Strafrechtlich sei das eine versuchte Nötigung in zwei Fällen. Tatort war die Pieschener Allee, wo die Demo damals begonnen habe.

Fotografen vom Sehen her gekannt

Robin E. ist Kleinstunternehmer in der Veranstaltungsbranche und hatte sicher massiv unter den Folgen der Corona-Maßnahmen zu leiden. Er sei daher ein Mitinitiator der Initiative "Querdenken 351" Dresden gewesen, sagte er. Doch zum Tatzeitpunkt habe er nicht mehr zum Organisationsteam um Marcus Fuchs gehört, habe die Kundgebung aber unterstützt, indem er für Ton sorgte. Die beiden jungen Fotografen habe er "vom Sehen" gekannt, aber nicht bedroht, behauptete E. Er habe gesagt: "Sollten Bilder in einschlägigen Netzwerken auftauchen, sehen wir uns an anderer Stelle wieder." Damit habe er juristische Schritte gemeint.

Er sei einer, der dazwischengehe, wenn es zu Auseinandersetzungen kommt. Die Geschädigten nannte er "Herrschaften" und malte beim Wort "Journalisten" Gänsefüßchen in die Luft. Die jungen Reporter seien in der Szene bekannt, weil sie Teilnehmer mit ihrem Teleobjektiv fotografierten und mit Name und Anschrift auf linken Plattformen wie Indymedia veröffentlichten. Es ist eine oft bemühte Unterstellung, die E. später allerdings etwas abschwächte.

Ein "Einschüchterungsversuch"

Dass die Behauptung falsch sei, sagte dann einer der Fotografen aus: Er habe mit Indymedia nichts zu tun, höre solche Behauptungen aber immer wieder, so der 19-Jährige. Als Journalist sei man bei diesen Demos nie beliebt, werde als "Antifa", "Staatsdiener" oder "Verfassungsschutz" beschimpft.

Unaufgeregt sprach er von einem "Einschüchterungsversuch", den er selbst gar nicht angezeigt habe. Der Angeklagte habe "(...) dann klatsch' ich euch weg" gesagt. Auch der Zeuge hatte den Angeklagten bereits "vom Sehen" gekannt, wie er sagte. Einige Monate zuvor sei er von Robin E. bei einer Kundgebung vor dem Landgericht angespuckt worden.

Durchaus stattlich ist das strafrechtlich zusammengefasste Vorleben des 39-Jährigen. Er hat es auf 15 Verurteilungen in den vergangenen 22 Jahren geschafft. Bedrohungen und Beleidigungen sind darunter, viele Geldstrafen. Bei seinen vier Freiheitsstrafen zwischen sechs und 22 Monaten ging es immer um Handel mit Betäubungsmitteln, die Bewährungszeiten scheint er alle durchgehalten zu haben.

Vorbestraft als Versammlungsleiter in Kamenzer

Bei E.s letzter Verurteilung ging es um zwei Straftaten auf Kamenzer Demos, bei denen er Versammlungsleiter war. Im April 2021 hatte er ein Messer mit recht langer Klinge getragen und im Juni 2021 die Teilnehmer seiner Demo entgegen der Auflagen dazu aufgerufen, keine Corona-Schutzmasken zu tragen. Dafür gab es im Januar 2022 eine Geldstrafe von 2.400 Euro, die der 39-Jährige bereits voll gezahlt hatte.

Gut möglich, dass die Corona-Pandemie den 39-Jährigen, der auch einen Techno-Club betrieben hatte, und die Auseinandersetzung mit der Infektionskrankheit ihm überdurchschnittlich zugesetzt haben. Einen offenen Brief des Dresdner "Querdenkers" Marcus Fuchs an Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius, gefordert wurde der Stopp sämtlicher Waffenlieferungen an die Ukraine, unterzeichnete E. mit dem für die Reichsbürger- und Selbstverwalterszene typischen Zusatz "a.d.F." - "aus der Familie". In seinem Prozess jedoch ließ er sich davon nichts anmerken.

Während die Staatsanwältin davon überzeugt war, dass E. versucht habe, die Fotografen zu nötigen, und eine Geldstrafe von 3.600 Euro (120 Tagessätze) forderte, plädierten E.s Verteidiger auf Freispruch. Einer der beiden Anwälte war Maik Weise, stellvertretender Bürgermeister in Kamenz, dessen Unterschrift sich auch unter dem offenen Brief des Dresdner "Querdenkers" an Scholz/Pistorius findet. Erst im Februar trat Weise als Chef der CDU-Fraktion im Kamenzer Stadtrat zurück. Er hatte als Versammlungsleiter der dortigen "Montagsspaziergänge" gesprochen – neben einem Plakat mit der Aufschrift "Nürnberg 2.0", eine Chiffre von Holocaust-Leugnern.

Richterin ist überzeugt

In der Hauptverhandlung blieb Weise sachlich, unterstellte dem Fotografen allerdings eine gezielte Steigerung des Vorwurfs von "mach' ich euch weg" über "hau' ich euch weg" bis zu "klatsch' ich euch weg". Zudem sei die Drohung seines Mandanten, sollte sie so gefallen sein, "zu unbestimmt" und daher nicht strafbar.

Das sah die Richterin jedoch komplett anders. Sie überbot sogar die Forderung der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 4.200 Euro (140 Tagessätze). Ganz klar habe E. Journalisten mit einer Gewaltanwendung gedroht und die Reporter nicht respektiert.

Sie habe selten einen Zeugen mit "so wenig Belastungstendenz" erlebt, sagte die Vorsitzende. Die Tat sei zwar bereits einige Zeit her und bei einem Versuch geblieben, was für den 39-Jährigen spreche. Doch sein Vorstrafenregister sei "gut gefüllt" und die letzte Verurteilung habe damals gerade vier Monate zurückgelegen. Hinzu komme, dass E. unter Bewährung gestanden habe.

Da das Urteil nicht rechtskräftig wurde, wird sich nun auch eine Berufungskammer des Landgerichts mit dem Fall befassen.