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Missbrauchsfall: Gericht stößt an Grenzen seiner Sachkunde

Ist die minderjährige Zeugin glaubhaft oder nicht? Das soll jetzt ein von Verteidigung und Staatsanwaltschaft beantragtes Gutachten klären.

Von Dirk Westphal
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Einem 39-jährigen Waldheimer wurde vom Amtsgericht Döbeln sexueller Missbrauch an einem Kind unter 14 Jahren vorgeworfen.
Einem 39-jährigen Waldheimer wurde vom Amtsgericht Döbeln sexueller Missbrauch an einem Kind unter 14 Jahren vorgeworfen. © Symbolfoto dpa-Zentralbild

Region Döbeln. Großgewachsen und sportlich sitzt der Angeklagte im Gericht. Er wirkt in Anbetracht der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen ruhig.

An seiner Seite neben Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Ulf Israel eine Dolmetscherin, die dem 39-jährigen, in der Region Döbeln lebenden Schweißer die Ausführungen des vorsitzenden Richters und der Staatsanwaltschaft übersetzen soll.

Von Jugendrichter Tom Zekert nach seinen persönlichen Angaben befragt, antwortete der Angeklagte, dass er in der Ukraine geboren sei. Außerdem glaube er, seit etwa zwei Monaten geschieden zu sein. So genau wisse er den Zeitraum nicht.

Schwere Anschuldigung

Zur Last wird dem 39-Jährigen gelegt, zwischen Oktober 2020 und März 2022 ein damals acht- bis zehnjähriges Mädchen sexuell missbraucht zu haben.

Bevor es allerdings zur Verlesung der Anklage durch das Staatsanwaltschaft kommt, legt Verteidiger Ulf Israel ein Papier vor, mit dem er die Einschätzung der Glaubwürdigkeit der minderjährigen Zeugin durch einen Sachverständigen beantragt.

Es sei die Frage zu klären, ob die Aussagen der Zeugin – in Anbetracht des vergangenen Zeitraumes – als glaubwürdig eingeschätzt werden können, oder eine Suggestion vorliege.

Das mutmaßliche Missbrauchsopfer sei in psychologischer Behandlung und erst jetzt wären Erinnerungen hochgekommen. Infolge dieser Erkenntnisse beantragte der Verteidiger, den Strafantrag so lange ruhen zu lassen, bis der Sachverständige gehört worden ist.

Einigkeit über Gutachten

Unter den gegebenen Umständen befürwortete die Staatsanwaltschaft ebenfalls ein Gutachten.

Nach einer fast einstündigen Beratung des Jugendschöffengerichtes verkündete der Vorsitzende, die Verhandlung normal bis zur Beweisausnahme fortzusetzen.

In der Anklageerhebung beschrieb die Staatsanwaltschaft in fünf Fällen die mutmaßlichen sexuellen Handlungen des Angeklagten an einem Kind unter 14 Jahren, wobei die genauen Zeiträume mit "wahrscheinlich" definiert wurden.

Über seinen Rechtsanwalt erklärte der Ukrainer, von seinem Recht zu schweigen, Gebrauch zu machen, sich also nicht äußern zu wollen.

Vor der Beweisaufnahme unterbrach Jugendrichter Zekert die Verhandlung aufgrund des Antrages der Verteidigung, die Unterlagen einer Psychologin eingereicht hatte. Diese besagen, dass bei der Zeugin eine posttraumatische Belastungsstörung nicht ausgeschlossen werden kann.

„Das stößt an die Grenzen der eigenen Sachkunde des Gerichtes“, sagte der Vorsitzende und legte fest, dass ein psychologisches Gutachten über die Zeugin erstellt und das Verfahren bis zu dessen Vorliegen ausgesetzt wird.