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So geht es mit dem Bündnis "Stadt, Land, Frau" in Kamenz weiter

2019 trat das Frauen-Bündnis erstmals zur Stadtratswahl in Kamenz an und erzielte gleich einen beachtlichen Erfolg. Warum es 2024 nicht auf den Stimmzetteln steht.

Von Ina Förster
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Anja Steinborn, Sylvia Horn, Sabine Lottes und Anne Hasselbach (v.l.) - vier von etwa 15 Kamenzerinnen aus dem Bündnis Stadt, Land, Frau, das 2024 zwar nicht zur Stadtratswahl antritt, aber dennoch etwas bewegen will.
Anja Steinborn, Sylvia Horn, Sabine Lottes und Anne Hasselbach (v.l.) - vier von etwa 15 Kamenzerinnen aus dem Bündnis Stadt, Land, Frau, das 2024 zwar nicht zur Stadtratswahl antritt, aber dennoch etwas bewegen will. © Matthias Schumann

Kamenz. Es ist der Versuch einer Erklärung, der die Mitstreiterinnen des Bündnisses "Stadt, Land, Frau" in Kamenz an diesem Nachmittag an einen Tisch treibt. Sie haben die Presse eingeladen, weil sie Antworten haben. Antworten auf Fragen und Kritik, die in den letzten Wochen auf sie einprasselten. Sabine Lottes, Anne Hasselbach und Sylvia Horn saßen in den vergangenen fünf Jahren im Kamenzer Stadtrat. Ihr Bündnis Stadt, Land, Frau erhielt bei der Wahl 2019 im ersten Anlauf 11,5 Prozent der Stimmen.

Nicht wenige fragen sich deshalb, warum das weiblich geprägte Bündnis 2024 nicht erneut zur Stadtratswahl antritt. Einige Stimmen sprechen gar von fehlendem Verantwortungsbewusstsein für die Wähler. Vor allem ehemalige Unterstützer drücken ihr Unverständnis darüber öffentlich aus - bevorzugt in den sozialen Medien.

Kritiker werfen dem Bündnis Verantwortungslosigkeit vor

Oder in Leserbriefen an Sächsische.de. "Bedauerlich ist es, dass die Wählervereinigung, die unter dem Motto 'Frischer Wind fürs Rathaus' mit drei Kandidatinnen in den Stadtrat einzog, ohne nähere Begründung nicht mehr kandidiert. Wer die frauenspezifischen Themen, für die die Fraktion angetreten ist, vertreten wird, bleibt offen...", schreibt etwa Peter Sondermann.

"Wir haben uns das Ganze mit Sicherheit nicht leicht gemacht", sagt Anne Hasselbach, die bei der Wahl 2019 unter allen angetretenen Kandidaten ad hoc das drittbeste Einzelergebnis einfuhr. Doch vor allem für sie gebe es Gründe, die sie an ihrem Engagement für die Kommunalpolitik zweifeln ließen. "Ich habe schon recht früh erkannt, dass dieses gesamte politische Umfeld schwer einherging mit meiner kreativen Art zu denken, zu arbeiten und zu handeln", sagt sie. Deshalb scheide sie aus der Kommunalpolitik aus.

Etwa 15 Frauen gehören Stadt, Land, Frau weiter an

Und dieses Eingestehen und auch einmal "scheitern dürfen" - das finde sie nur menschlich, auch wenn andere dies leider nicht akzeptieren würden. Die 49-Jährige ist gut vernetzt und schob bereits - auch als Citymanagerin - zahlreiche Projekte in Kamenz an. Leidenschaftlich versucht sie sich immer wieder an neuen Dingen. Vielleicht habe auch der Ausflug in die Kommunalpolitik dazu gehört, sagt sie. Doch Dinge würden sich ändern, erst recht über fünf Jahre hinweg. Mittlerweile lägen ihre Prioritäten anderswo. Was aber nicht bedeute, dass sie sich nicht engagiert.

So lautet auch der neue Leitspruch von Stadt, Land, Frau: "Wir bleiben engagiert!" Man wolle sichtbar bleiben, ein Statement setzen. Immerhin sind noch etwa 15 Frauen Mitglied im Bündnis, auch aus Kamenzer Ortsteilen. Und zu tun gebe es genug, auch fernab von Stadtratsfraktionen. "Bei uns kommen so viel Wissen und unterschiedliche Fähigkeiten zusammen - es ist eine echte Fundgrube. Das darf nicht einschlafen", sagt Anne Hasselbach.

Stadt, Land, Frau plant kleinere Projekte

So wolle man auch künftig etwas bewegen. Ganz konkret seien das zeitnah kleinere Projekte, beispielsweise die Unterstützung für das Schüler-Café K., das bei der Stadtwerkstatt eingebunden ist und aktuell nach Förderung für seine Location sucht. Oder die Umgestaltung einer stiefmütterlich behandelten Bushaltestelle an der Pulsnitzer Straße. "Hier gibt es bis zur 800-Jahr-Feier konkrete Vorstellungen", sagt Sabine Lottes.

Rückblickend auf die fünf Jahre im Stadtrat sagt die 45-Jährige: "Wir haben vor allem am Anfang einiges einstecken, manchen Tiefpunkt überwinden müssen. Unerfahrenheit und vielleicht auch ein bisschen weibliche Dünnhäutigkeit haben unsere Arbeit anfangs erschwert", räumt die Metallbau-Firmenchefin ein. Wie habe ein Linken-Stadtrat es kürzlich provozierend auf Facebook ausgedrückt? Der Stadtrat sei kein Streichelzoo!

Zwei Frauen kandidieren nun auf anderer Liste

Ob die Frauen eine solche Bemerkung gut finden? "Keinesfalls", sagen sie. Das berüchtigte "dicke Fell" habe man sich dennoch über die Jahre wachsen lassen müssen. Nicht nur einmal sei man persönlich angegriffen worden. Dies sei aber keinesfalls der Grund, warum Stadt, Land, Frau 2024 keine eigene Liste für die Kommunalwahl aufgestellt habe.

Vielmehr kandidieren Sabine Lottes und Anja Steinborn nun für die Wählervereinigung Kamenz und Ortsteile, die zuvor an die Frauen herangetreten war. Dort würden sie sich willkommen und respektiert fühlen. "Erste Gespräche sind konstruktiv verlaufen, die Herzlichkeit hat uns fasziniert", sagt Anja Steinborn. Der auf Social Media geäußerte Vorwurf, "dass zwei Frauen nun von 13, zum Teil alten weißen Männern umringt würden", sei grotesk.

Die Entscheidung sei getroffen worden, um die Belange der Kamenzerinnen hoffentlich weiterhin im Stadtrat vertreten zu können. "Mit nur zwei verbliebenen Kandidatinnen wäre die Wahrscheinlichkeit gering gewesen, dies mit der Liste Stadt, Land, Frau zu erreichen", sagt Lottes. Und mehr hätten sich von den 15 Frauen nicht bereit erklärt, zur Wahl anzutreten.

Arbeit im Stadtrat ist sehr zeitaufwendig

Es sei darüber hinaus so, dass Frauen oft einen größeren Anteil am sozialen Leben in und um die Familie tragen. Sylvia Horn weiß das als Mutter und voll Berufstätige. Dass auch sie nicht mehr für den Stadtrat antritt, habe solche Gründe. "Ich möchte mich aber im Jesauer Ortschaftsrat engagieren", sagt sie. Der Zeit-Aufwand sei dort geringer. "Es gab Jahre, da mussten wir 33 Sitzungen stemmen. Denn man sitzt ja nicht nur im Stadtrat, sondern auch in Ausschüssen und hat Fraktionssitzungen."

"Ich finde es traurig, dass man sich überhaupt rechtfertigen muss, dass man aus Gründen beruflicher und familiärer Belastung nur im kleinen Umfeld aktiv werden kann", sagt Sylvia Tanner, Friseurin aus Brauna, die zum Bündnis gehört. Sie engagiere sich gern für ihre Ortschaft mit ihren fünf Ortsteilen und gebe alles, was sie möglich machen kann.

"Wir sind hier ja in einer Kleinstadt. Wer sich einbringt, tut das meistens gleich an mehreren Stellen", weiß Anne Hasselbach. "Wir sind traurig, dass es zu dieser Wahl keine reine Frauenliste geben kann. Die Entscheidung war langwierig und wurde nach vielen Gesprächen getroffen", sagt Sabine Lottes. Im Übrigen könne man die Liste ja für künftige Wahlen wieder aktivieren. Bis dahin bleiben die Frauen eines: Engagiert!