Kamenz. Es hämmert, sägt und bohrt in Dauerschleife. Bauarbeiter geben sich die Klinke in die Hand, räumen Material von A nach B, bessern Trockenbauwände aus, schleppen letzte Farbeimer. Dazwischen wird bereits hochmodernste Medizintechnik installiert. Die Baustelle der neuen Kamenzer Notfallambulanz gleicht bildlich gesprochen einem Ameisenhaufen. Kaum vorstellbar, dass hier in wenigen Wochen Patienten aufgenommen werden.
Doch das ist nun der ehrgeizige Plan. Eigentlich sollte die neue Notaufnahme im St. Johannes Krankenhaus schon 2023 in Betrieb gehen. Zwischenzeitlich hätten sich jedoch Brandschutz-Fragen aufgetan, die etwas mehr Zeit in Anspruch nahmen als gedacht, erklärt Geschäftsführer Lutz Möller. Aber die Ziellinie sei nun nah. "Wir stehen gut im Plan, auch wenn er eng gestrickt ist."
In fünf Wochen, am 26. Oktober 2024, soll ein Tag der offenen Tür stattfinden, um schon mal einen Einblick in die neue, hochmoderne Erstversorgung zu geben. "Ein paar Tage später, Anfang November, wird die Zentrale Notaufnahme (ZNA) ihre Arbeit aufnehmen", so Möller.
Alte Notaufnahme war an ihre Grenzen gekommen
Prozessoptimierung laute das Zauberwort. Dabei werde hier keineswegs gezaubert, sondern nach neusten Richtlinien und Erfahrungswerten um- und neugebaut. Die Notaufnahme sei das Tor zum Krankenhaus, ein Anlaufpunkt für Menschen, die medizinische Hilfe brauchen. Und hier würden Patienten natürlich auch den ersten Eindruck gewinnen. Zuletzt sei man in dem im Jahr 2000 gebauten Krankenhaus mit den vorhandenen Möglichkeiten an Grenzen gestoßen.
Bereits Anfang 2019 dachte die Malteser Deutschland GmbH als damaliger Krankenhaus-Betreiber deshalb über eine Lösung nach. Sie wurde in den leer gezogenen Räumen der ehemaligen hauseigenen Radiologie gefunden. Als die Malteser-Kliniken in Kamenz und Görlitz Ende 2021 veräußert wurden, übernahm ein privater Träger die Geschäfte. Und hielt auch an der Realisierung der Pläne für die neue Notaufnahme fest.
Schon damals waren die Wege geebnet. Großen Anteil an Planung, Gestaltung und Ausrichtung hat ein erfahrener Fachmann: Tim Flasbeck, der damals Chefarzt der Klinik für Notfallmedizin im
Malteser-Krankenhaus in Bonn war. Er wurde von Beginn an als Berater mit an Bord geholt.
Auch die unmittelbar beteiligten Mitarbeitenden vor Ort wurden befragt. Es kamen bekannte Probleme auf den Tisch: Zu lange Wege, wodurch pro Schicht zehn bis zwölf Kilometer zusammenkommen. Unendliche Telefonate für die Bettensuche, Belegung der Flure, überfüllte Wartezimmer und mehr.
Mit dem Wissen um die Schwachstellen klügelte man einen Plan aus, der seinesgleichen in der Region sucht. Auf etwa 900 Quadratmeter Gesamtfläche entstand in den letzten Monaten eine hochmoderne Zentrale Notaufnahme. "Vorher standen nur knapp 300 Quadratmeter zur Verfügung, wir verdreifachen die Fläche also", freut sich der Geschäftsführer.
Ein ausgeklügeltes System ermögliche es, dass auf der größeren Fläche dennoch mit dem bisherigen Personal gearbeitet werden könne. Man belasse es vorerst beim Stammteam von drei Mitarbeitern pro Tagschicht sowie einem Zweierteam in der Nacht plus Springer. Je nach Patienten-Aufkommen werde nachgesteuert, heißt es.
Wie ist das Ganze aber möglich? Hier greife die Optimierung der Notaufnahme nach neuesten Erkenntnissen: "Vom Tresen aus wird es den Mitarbeitenden möglich sein, sternförmig Blickkontakt zu den Patienten zu halten. Pflegekräfte werden einzelnen Pflegebereichen zugeordnet. Eine digitale Prozessvisualisierung sowie entsprechend ausgestattete Arbeitsplätze, der Einsatz von mobilen Arbeitswagen mit IT-Arbeitsplatz und klar definierte überarbeitete Arbeitsabläufe werden Effizienz und Zufriedenheit unterstützen", sagt Lutz Möller.
Natürlich werde bei steigender Patientenzahl beim Personal nachgebessert. 2023 zählte das Kamenzer Krankenhaus rund 6.700 Patienten ambulant in der Notaufnahme. Täglich
werden im Schnitt zwischen 30 und 60 Patienten aufgenommen.
Patienten-Anfahrt wie bei einem Drive-in
Ein großer Empfangstresen ist das Herzstück der neuen Zentralen Notaufnahme, und es gibt eine überdachte Liegend-Anfahrt. Die Patienten werden sozusagen bis fast in die Notaufnahme hineingefahren - ähnlich wie in einem Drive-in. Zwei Rettungswagen haben dort Platz.
Gleich am Eingang gibt es einen Triage-Platz, wo der Schweregrad der Erkrankung beziehungsweise Verletzung der ankommenden Patienten schnell eingeordnet wird. Von hier aus wird der Behandlungsort zugewiesen. Zwei Isolationsuntersuchungsräume stehen ebenfalls zur Verfügung, die bei einer Pandemie, ansteckenden Krankheiten, aber auch schwierig zu händelnden Fällen zum Einsatz kommen.
Neben Untersuchungsräumen, multifunktionalen Zimmern, Schockraum, Wartebereich sowie einem extra Raum für den Rettungsdienst beinhaltet das Konzept einen großen offenen Bereich mit neun Betten, die durch Trennwände in Leichtbauweise voneinander abgeschottet sind. Das kennt mancher so wahrscheinlich aus Amerika.
Der Bau der neuen Notaufnahme wird vom Sächsischen Sozialministerium mit einem höheren siebenstelligen Betrag zu 80 Prozent gefördert, heißt es. "Es ist nicht selbstverständlich, ein Projekt so reibungslos und gut abgestimmt im fairen und konstruktiven Miteinander umzusetzen", betont Lutz Möller. Man freue sich nun auf die Neueröffnung.