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Herzkranker Pulsnitzer: "Ich hatte Glück, dass die Lichter nicht vorher ausgingen!"

Alexander verschleppt einen Virus, stand auf der Herz-Transplantationsliste. Nun holt der 33-Jährige einen ersten Platz beim Gesundheitslauf. Eine Geschichte über Kranksein, Angst und kleine Wunder.

Von Ina Förster
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Alexander aus dem Pulsnitzer Ortsteil Friedersdorf hat sich nach einer schweren Herzinsuffizienz mit nur noch zehn Prozent Herzleistung ins Leben zurückgekämpft - und kürzlich sogar erfolgreich an einem Lauf teilgenommen.
Alexander aus dem Pulsnitzer Ortsteil Friedersdorf hat sich nach einer schweren Herzinsuffizienz mit nur noch zehn Prozent Herzleistung ins Leben zurückgekämpft - und kürzlich sogar erfolgreich an einem Lauf teilgenommen. © Matthias Schumann

Pulsnitz. Es atmet sich irgendwie schwerer als sonst. Alexander ist immer so schnell müde. Die Treppen ziehen sich neuerdings ewig. Und was ist eigentlich mit seiner Fitness los? "Bald ist ja Urlaub, da wird alles besser", denkt sich der junge Mann im August 2023. Die Gründe liegen für ihn auf der Hand: Zu wenig Sport gemacht in der letzten Zeit, vielleicht ungesünder gegessen. Und die letzten Wochen waren schon ein bisschen stressig. Die Arbeit bei der Bundeswehr, das ständige Pendeln zwischen Suhl und Pulsnitz.

Sein Gedankenkarussell steht selten still. Er will allen gerecht werden. Seinen Kindern ein guter Papa sein. Das klappt nur an den Wochenenden. Er liebt seine Frau Sabrina, die vieles im Alleingang stemmt daheim. Zu Hause - ach ja, da müsste auch mal wieder was gemacht werden, denkt er sich. Nach zwei Bahnen Rasenmähen muss er sich aber ausruhen. Dann eben erstmal Koffer packen für den Urlaub. Ein paar freie Tage. Damit wird bestimmt alles besser. Wie ein Mantra betet er es sich vor. Doch nichts wird besser...

Im Urlaub plötzlich ins Krankenhaus

Wenig später liegt er in der Oberpfalz im Krankenhaus. Mit einer Herzmuskelentzündung, die die Ärzte erst später diagnostizieren. "Eigentlich sollte es eine entspannte Reise werden. Wir brauchten die Auszeit dringend. Samstag kamen wir im Urlaub an, Sonntag ging es mir so schlecht, dass ich es nicht mehr ignorieren konnte", sagt Alexander, der seinen vollen Namen nicht öffentlich machen möchte.

Der damals 32-Jährige hat Wasser in den Beinen. Seine Frau ist besorgt, so kennt sie ihren Alex nicht. Der erste Weg geht zum Truppenarzt, der ihn sofort ins Krankenhaus schickt, denn bestimmte Marker im Blut stimmen überhaupt nicht.

Ausgelöst durch ein Virus - eventuell Ringelröteln

"Und plötzlich bekommt man es mit der Angst zu tun. Alles, was man bislang unter 'urlaubsreif '" abgetan hat, ist todernst", erinnert sich der Pulsnitzer. Schnell wird im Krankhaus ein Herz-Ultraschall angeordnet. Dann steht fest: Alexander hat eine Herzmuskelentzündung im fortgeschrittenen Stadium. Die Herzleistung ist bereits eingeschränkt. Dass er überhaupt noch auf seinen Beinen steht, grenze an ein Wunder.

Weitere Untersuchungen zeigen, dass das Ganze vermutlich durch einen Virus ausgelöst wurde. Zumindest lassen sich Erreger von Ringelröteln nachweisen, welche allerdings nicht die Ursache sein müssen. Am Ende spiele es heute keine Rolle mehr, wo und wie er sich etwas eingefangen hat, meint der zweifache Familienvater. Wichtig sei, dass er noch am Leben ist. "Ich hatte Glück, dass die Lichter nicht vorher ausgingen", sagt er.

Herzleistung sinkt auf zehn Prozent

Beim Erinnern an den Herbst und Winter 2023 wird er emotional. Seine Sabrina streicht ihm über den Arm. Noch nie vorher hatte sie ihren sonst so starken Mann dermaßen zerbrechlich erlebt. Und das Schlimmste steht der Familie damals erst bevor. Denn aus 27 Prozent Herzleistung, die im September 2023 noch zu verzeichnen sind, werden zehn! Ein persönlicher Alptraum beginnt, der Ende Dezember auf der Transplantationsliste für ein neues Herz endet.

Alexander möchte darüber sprechen, das Ganze öffentlich machen, denn es könne jedem passieren! "Dieses Denken, dass man selbst unzerstörbar ist, dass einem so etwas doch nie und nimmer passieren kann, haben sicherlich viele von uns", meint er. "So etwas" passiere immer nur den anderen. Vor allem in seinem Alter und wenn man eigentlich sportlich fit ist. Doch leider habe seine Erkrankung, die mit etwas Atemnot und Unwohlsein begann, recht schnell einer Achterbahnfahrt geglichen, auf der er nicht angeschnallt war.

Alexander muss zeitweise Defibrillatorweste tragen

Bereits im Krankenhaus in der Oberpfalz wird Alexander auf Medikamente eingestellt. Es sind viele. Bis heute muss er sie nehmen und wahrscheinlich ein Leben lang. 17 Tabletten am Tag waren keine Seltenheit. Nach einer Woche darf er nach Hause. Doch die Lage verschlimmert sich. Bei einer Untersuchung in Bautzen finden die Ärzte obendrein Thromben. "Kurzzeitig stand die Gefahr eines Schlaganfalles im Raum", sagt der heute 33-Jährige.

Es ist sogar schon von Verrentung die Rede. Die Welt von Alexander ist aus den Fugen. Den Herbst über muss er vorsichtshalber eine Defibrillatorweste tragen. Für den Fall der Fälle. "Man funktioniert", sagt seine Frau Sabrina im Rückblick. Und man versuche, so viel wie möglich Normalität aufrechtzuerhalten, auch wenn der eigene Mann plötzlich nur noch liegt und kaum drei Treppenstufen steigen kann.

Hilfe und Zuspruch durch Familie und Freunde

Vor allem für die fünfjährige Sophia und den zweijährigen Anton wollen alle stark sein. Ein Netzwerk aus Familie, Freunden, Kirchgemeinde und Bekannten beginnt zu greifen. Im kleinen Pulsnitzer Ortsteil Friedersdorf kennt man sich. Und man hilft sich. "Das Schwierigste war, um Hilfe zu bitten. Und sie anzunehmen", sagt Sabrina leise.

Doch Unterstützung, Zuspruch und Verständnis sind wichtig in dieser Zeit. Bei einer Kontrolle im Dezember sagen die Ärzte, dass sich nichts verbessert, sondern verschlimmert hat. Alexander wird im Herzzentrum Dresden aufgenommen. Unzählige Untersuchungen folgen. Er hat nur noch zehn Prozent Herzleistung und kommt ganz oben auf die Transplantationsliste für ein neues Herz. Zur Einordnung: Das Herz eines gesunden Erwachsenen hat etwa 60 Prozent.

Auch Alternativmedizin ausprobiert

Kein normales Weihnachten. Kein normales Leben mehr. Doch Alexander gibt nicht auf. "Man beschäftigt sich in solchen Momenten auch mit alternativen Heilmethoden, ich habe viel gelesen und probiert. Die Ärzte haben uns gesagt, dass ich wie ein Diskusfeld sei - man wisse nicht, wo der Diskus am Ende einschlägt. Hoffnung gab es trotz aller Schwere!" Und an die klammert er sich, denkt positiv. Ein befreundeter Mediziner wendet Reiki bei ihm an, eine Methode, bei der es um Energieflüsse geht. Man klammere sich an jeden Strohhalm, blickt Alexander zurück.

Im Januar passiert das Wunder. Bis heute wisse keiner, was den Wendepunkt eingeleitet hat. Aber alle freuen sich mit Alexander, vor allem die Ärzte. Bei den Verlaufskontrollen geht es in Zehner-Prozent-Schritten nach oben. Im Juni hat er 48 Prozent seiner Herzleistung wieder.

Per Wiedereingliederung zurück in den Job

Und er trainiert sich langsam ins Leben zurück. Aus 50 Metern im Garten werden sechs Kilometer beim Pulsnitzer Gesundheitslauf, zu dem er Ende August erstmals antritt. Und wo er sich ad hoc den 1. Platz in seiner Altersklasse holt. "Es ist wunderbar, aber wir hatten natürlich auch Angst, dass er sich übernimmt", sagt seine Frau.

Hauptfeldwebel Alexander ist zurück. Mittlerweile auch auf Arbeit per Wiedereingliederung. Die Tätigkeit als Karriereberater bei der Bundeswehr erfüllt ihn wieder mit Freude. Viel Unterstützung kam in der schweren Zeit auch vom Arbeitgeber. Er arbeitet nun in Bautzen, berät potenzielle Bewerber über Karriere- und Ausbildungsmöglichkeiten, informiert an Schulen, nimmt an Jobmessen teil. Und ist seiner Familie näher denn je.

"Alles Schlechte hat ein Gutes", sagt er. Und er hat eine Botschaft für alle "da draußen": "Achtet auf Euch, geht eher zum Arzt! Hört auf Euren Körper - der sagt Euch eigentlich alles, was er will! Ich war der perfekte Ignorierer. Aber wenn nur einer, der das hier liest, künftig etwas achtsamer ist, dann habe ich etwas erreicht!"