Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Zittau

Jonsdorfer Ex-Eishockey-Chef zur Auflösung: "Wir hatten gar keine Wahl"

Jahrelang war Ronny Völkel-Baier Vorstand beim ESC Jonsdorf. Jetzt muss er den Traditions-Verein liquidieren - und plant den großen Ausverkauf des Inventars.

Von Jana Ulbrich
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Jahrelang war Ronny Völkel-Baier mit Herzblut im Vorstand des ESC Jonsdorf. Jetzt liquidiert er den Traditions-Verein - und plant den Ausverkauf.
Jahrelang war Ronny Völkel-Baier mit Herzblut im Vorstand des ESC Jonsdorf. Jetzt liquidiert er den Traditions-Verein - und plant den Ausverkauf. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Alles muss raus: Die Sportgeräte, die Schlittschuhe, die Schläger, die Ausrüstungen, die Fanartikel. Alles. "Das wird nochmal ganz hart", sagt Ronny Völkel-Baier und schluckt. Seit 18 Jahren engagiert sich der Zittauer für den Eishockeysport in Jonsdorf. Seit dem Tag, an dem im Kindergarten seines Sohnes dieser Flyer hing: "Kommt zum Schnuppertraining!" Seitdem. Jede freie Minute. Und jetzt sitzt Ronny Völkel-Baier hier und plant den Ausverkauf.

Den traditionsreichen ESC Jonsdorf gibt es nicht mehr. Einstimmig hat der Verein auf der letzten Mitgliederversammlung seine Auflösung beschlossen. "Wir hatten gar keine andere Wahl", sagt Völkel-Baier, der ehemalige Vereinsvorsitzende, der jetzt gemeinsam mit der ehemaligen Schatzmeisterin Antje Gosda der Liquidator ist.

"Dass das mal so kommt, das hätten wir uns nicht träumen lassen", sagt der 50-Jährige. Die riesige Enttäuschung ist ihm anzusehen, wie er da am Tisch sitzt bei seinem Milchkaffee. Normalerweise würde er an diesem Nachmittag mit dem Jonsdorfer Eishockeynachwuchs beim Training sein - um diese Zeit im September noch in der Halle im tschechischen Varnsdorf (Warnsdorf). Und dann ab Oktober - so war es ja immer - auf dem heimischen Jonsdorfer Eis.

Aber das ist Geschichte. "Es macht mich richtig wütend, wie das hier gelaufen ist", sagt Völkel-Baier im Nachhinein. Gelaufen ist es so: Ende Mai beschließt der Jonsdorfer Gemeinderat, die kommunale Betreibergesellschaft der Eishalle aus finanziellen Gründen zu liquidieren. Dass die gemeindeeigene Kur- und Tourismusgesellschaft (KuT) finanziell überfordert ist, ist da allerdings schon seit Jahren bekannt. Zwei Monate später steht fest: Zum 1. August wird die Eishalle geschlossen.

"Was hätten wir denn tun sollen ohne Spielstätte", sagt Völkel-Baier. Es ist ihm wichtig, dass das auch jeder versteht in Jonsdorf: Ein Verein ohne Spielstätte kann nicht spielen. Und wer nicht spielen kann, der soll Mitgliedsbeitrag bezahlen? Und wenn nicht gespielt wird, wofür sollten Sponsoren dann Geld geben?

Bis zur letzten Minute auf eine Lösung gehofft

„Wir haben bis zuletzt auf eine Lösung gehofft", sagt der bisherige Vereinschef. Zwischenzeitlich prüft der Vorstand sogar, ob es möglich ist, die Halle in eigener Regie zu betreiben. "Wir haben lange gerechnet und hoch und runter kalkuliert", erzählt Völkel-Baier. "Aber wir machen das hier alle ehrenamtlich und sollen plötzlich so einen Betrieb stemmen? Wir hätten Personal anstellen müssen. Und was wäre gewesen, wenn die Technik versagt hätte bei dem riesigen Sanierungsstau?"

Völkel-Baier schüttelt verständnislos den Kopf: "Wir haben von der Gemeinde keine ausreichenden Zahlen bekommen und wir hatten auch keine seriösen und belastbaren Zusagen über eine finanzielle Unterstützung von der Gemeinde, dem Landkreis oder dem Freistaat", sagt er und fragt dann laut: "Wer lässt sich denn auf sowas ein?" Auch ein ehrenamtlicher Vereinsvorsitzender haftet im Ernstfall persönlich, weiß Völkel-Baier.

"Wir mussten eine Entscheidung treffen, uns blieb gar nichts anderes übrig", erklärt er. Am 31. Juli, dem letztmöglichen Termin, meldet der ESC Jonsdorf seine Mannschaften beim Sächsischen Eissportverband für den Spielbetrieb ab. "Andernfalls hätten wir Strafzahlungen im fünfstelligen Bereich riskiert", sagt der Noch-Vereinschef.

Die meisten der aktiven Mitglieder seien danach aus dem Verein ausgetreten und zu den nächstgelegenen Clubs nach Niesky und Varnsdorf gewechselt. Auch Völkel-Baiers Sohn, inzwischen 23, spielt jetzt für Niesky. "Uns blieb nur noch die Auflösung", erklärt sein Vater.

Bürgermeisterin: Es wäre auch anders gegangen

Jonsdorfs Bürgermeisterin Kati Wenzel (Freie Wähler), die als Liquidatorin der KuT eingesetzt ist, sieht die Dinge anders. Den Vorwurf, die Gemeinde hätte dem Verein nicht ausreichend Zahlen offengelegt, weist sie entschieden zurück. Und sie ist überzeugt: "Es hätte nicht so weit kommen müssen".

Kati Wenzel betont, dass sie immer klar kommuniziert habe: Die liquidierte Betreibergesellschaft schließt die Halle zu, die Gemeinde, an die die Immobilie nun zurückgefallen ist, wolle aber alles dafür tun, sie wieder zu öffnen. Und so kommt es ja dann auch vier Wochen später: Ende August beschließt der Jonsdorfer Gemeinderat, dass es nun doch einen Winterbetrieb mit Eis geben soll - von November bis Mitte März, in Eigenregie der Gemeinde und mit einem kräftigen Finanz-Zuschuss der Kreissparkasse.

Doch für den ESC kommt dieser Beschluss zu spät. "Das ist jetzt richtig tragisch", sagt Ronny Völkel-Baier. "Es konnte uns bis zum 31. Juli, bis zu dem wir uns entscheiden mussten, niemand garantieren, dass wir Eis haben würden. Aber irgendeine Garantie hätten wir gebraucht." Und es klingt Bitterkeit mit, als er hinzufügt: "Wenn wir eher eine Sicherheit gehabt hätten, dann hätten wir das so nicht gemacht."

Dass der Beschluss, nun doch Eis zu produzieren, für den Eishockey-Spielbetrieb definitiv zu spät kam, das muss auch Kati Wenzel zugeben. Eine Vereinsauflösung sieht sie dennoch nicht als einzige Konsequenz. Man hätte den Verein ja auch eine Saison "auf Eis legen" können, überlegt sie. Nach wie vor habe der ESC alle seine Räume und seine Sachen in der Halle. "Es könnte alles bleiben, wir haben nichts gekündigt", sagt die Bürgermeisterin.

Großer Abschied und Ausverkauf am 19. Oktober

Aber es wird wohl nichts bleiben vom Inventar des ESC Jonsdorf. Für den 19. Oktober plant der Verein den großen Ausverkauf. Unter dem Motto "Wir sagen Tschüss" sind ab 15 Uhr alle eingeladen zum Abschiednehmen. Sämtliches Inventar - vom Trainingsgerät bis zum Schlittschuh - soll an diesem Tag auf einem großen Trödelmarkt verkauft werden.

Den Erlös will der ESC an drei Vereine in der Region spenden: an die Tornados in Niesky, an die Eiskunstläufer der ZSG Jonsdorf und an die Schwimmer von Robur Zittau. "Das haben wir auf der letzten Mitgliederversammlung so beschlossen", sagt Ronny Völkel-Baier, für den sich an diesem Tag auch ein Lebensabschnitt beschließen wird. Im Stillen aber würde er es sich schon wünschen, dass sich irgendwann in Jonsdorf ein neuer Eishockeyverein gründen wird. "Ich würde da auch mit Rat und Tat zur Seite stehen", sagt er und trinkt den letzten Schluck Milchkaffee.