Hoyerswerda. Man lernt immer etwas hinzu. Das galt am Wochenende für reichlich 80 Leute, die Hoyerswerda besucht haben, gleich vielfach. Zum Beispiel konnten sie sich im Bürgerzentrum zu sogenannten Murmelgruppen zusammentun. „Das sind einfach informelle Gespräche“, hieß es als Erwiderung auf fragende Blicke. Und zu Breakout Groups hätte man früher wahrscheinlich Diskussionsrunden gesagt.
Jedenfalls fanden sich Tina und Marcus, die aus Köln stammen und mit ihrem kleinen Hund Pinsel nach Hoyerswerda gekommen waren, in einer Runde wieder, die sich zum Thema „Gemeinschaftlich wohnen – aber wie?“ austauschte. Dieser Workshop war von dem Leipziger Unternehmen „bring-together“ veranstaltet worden.
Anlass war die „Landebahn für Landlustige“. Die Raumpionierstation Lausitz, bestehend aus den in Klein Priebus an der Neiße beheimateten Arielle Kohlschmidt und Jan Hufenbach, berät Leute, die darüber nachdenken, in die Region zu ziehen, vordergründig aus Metropolen in kleinere Städte wie Hoyerswerda oder gar aufs Dorf.
Dass die demografisch seit 1989/90 stark ausgeblutete Lausitz dringend Zuzug benötigt, zeigen nicht nur die zahllosen Banner mit Stellenangeboten, die mittlerweile an vielen Unternehmens-Toren hängen. Auch, dass Vereine sich mangels Nachwuchs auflösen müssen, ist kein ganz so neuer Trend. Die Raumpioniere, die ähnliche Veranstaltungen schon in Görlitz, Weißwasser und Bad Muskau angeboten hatten, taten sich für ihre Landebahn Nummer vier in Hoyerswerda mit der KulturFabrik zusammen, die wiederum Partner von der Initiative Mitmachstadt bis hin zu Wohnungsgesellschaft und LebensRäume-Genossenschaft anfragte.
Blick vom Hochhaus-Dachgarten
Arielle Kohlschmidt war erstaunt über die Vielzahl an Menschen, die sich bereiterklärten, den interessierten Gästen etwas über die Stadt und ihre Möglichkeiten zu erzählen: „Die KulturFabrik lädt ein, und alle kommen.“ Selbst Dr. Christian Stegmann vom Deutschen Zentrum Astrophysik in Gründung setzte sich in Berlin ins Auto, um wieder einmal einen Tag in Hoyerswerda zu verbringen sowie über die Vorhaben des DZA zu berichten.
Und noch etwas hat selbst die in der Region weithin vernetzte Raumpionierin aus Klein Priebus überrascht: „Diese Stadt wird geliebt, das haben wir bisher so auch noch nicht erlebt.“ Tina und Marcus waren nach ihrer Stippvisite ebenfalls sehr angetan. Sie sind schon ein Jahr lang im Wohnmobil in Europa unterwegs, arbeiten mal hier und mal da. Aber mit Anfang 40 beziehungsweise Anfang 50 denken sie nun darüber nach, wieder sesshaft zu werden. Nach Köln zurück wollen sie jedoch nicht. „Entschleunigung ist das Thema“, sagt Tina. Ralf aus Berlin denkt zwar nicht direkt übers Umziehen nach. Aber er sagt, für Hoyerswerda habe er sich tatsächlich schon immer interessiert: „Zum Beispiel für Brigitte Reimann.“ Bei einer Radtour mit Marita und Dietmar Gatzlaff von der Mitmachstadt lernte er im WK I auch das frühere Wohnhaus der Autorin (1933-1973) kennen. Andere fuhren mit dem KuFa-Vereinsvorsitzenden Jens-Uwe Röhl bei einem Stadtspaziergang zum Dachgarten des Elfgeschossers Stadtpromenade 11 hinauf oder lernten mit Madeleine Matschke vom Marketingverein auf dem nagelneuen „Skulptouren“-Rundweg etwas über den Zauberer Krabat und sein historisches Vorbild Johann Schadowitz (1624-1704).
In Gästewohnungen geschlafen
Im Bürgerzentrum gab es kurze Vorträge über das Leben in der Stadt und verschiedene Akteure präsentierten sich an Ständen. „Ich bin überwältigt, was hier so entstanden ist; und die Menschen scheinen alle sehr engagiert. Der Markt ist auch sehr schön“, fasste Thomas aus Dresden seine Eindrücke zusammen. Nach dem intensiven Austausch am Sonnabend fuhr er am Sonntag gemeinsam mit anderen Landebahn-Teilnehmern noch, geführt durch Angela Donath von der KuFa, per Bus ins Lausitzer Seenland. Denn reichlich 30 der Besucher und potenziellen Zuzügler blieben über Nacht. Wohnungsgesellschaft und LebensRäume hatten ihre Gästewohnungen zur Verfügung gestellt. OB Torsten Ruban-Zeh (SPD) ermutigte die Gäste, den Kontakt nicht abreißen zu lassen: „Ich würde mich freuen, das eine oder andere Gesicht in den nächsten Wochen, Monaten oder Jahren wiederzusehen.“