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Hier ist die Milch noch Milch

Ein Bauernhof in Saalendorf hat die erste Milchtankstelle im Landkreis. Die ist beliebt, aber hat ihren Preis.

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© Matthias Weber

Von Holger Gutte

Saalendorf. Zielgerichtet steuert Marlene Schumann die Milchtankstelle auf dem Sell-Hof im Waltersdorfer Ortsteil Saalendorf an. Die Großschönauerin gehört mit ihrem Mann Eckhard zu den Stammkunden des Landwirtschaftsbetriebes. Gerade sind sie im Hoflädchen einkaufen gewesen. Nun fehlt noch die Milch. „Ich muss die frische Milch probieren. Ich stamme aus einer Bauernwirtschaft. Da weiß ich, wie gut frische Milch schmeckt.“, sagt sie.

Gleich nebenan stehen die Kühe im Stall.
Gleich nebenan stehen die Kühe im Stall. © Matthias Weber
Im Hofladen (kleines Foto) gibt es viele regionale Produkte. Die Kunden schätzen das.
Im Hofladen (kleines Foto) gibt es viele regionale Produkte. Die Kunden schätzen das. © Matthias Weber

Und bei Roland Sell gibt es richtig frische Milch. Der Landwirt betreibt auf seinem Hof eine Milchtankstelle. Die einzige im Landkreis Görlitz. Zumindest ist beim Bauernverband sonst keine gemeldet. „Knapp 20 Milchtankstellen gibt es in ganz Sachsen“, berichtet Juliane Bergmann. Sie ist die Milchreferentin beim Sächsischen Bauernverband.

Die nächste Milchtankstelle steht in der Agrargenossenschaft Gnaschwitz bei Bautzen. Solche Tankstellen sind nun auch in den neuen Bundesländern langsam im Aufwind. Im Mai ist erst eine bei Meißen hinzugekommen.

Roland Sell betreibt eine auf seinem Hof in Saalendorf seit Juli 2015. Jeder kann am Automat so viel Milch abzapfen, wie er will. Es gibt Gläser oder Flaschen zum Befüllen. Ein Liter kostet beispielsweise 90 Cent. „Das ist natürlich etwas mehr, als bei der H-Milch im Discounter. Aber dafür schmeckt man auch den Unterschied“, sagt der Landwirt. Die Milch ist nicht entrahmt und unbehandelt. Sie wird lediglich gekühlt. Frisch gemolken, enthält sie nicht nur viel Calcium, sondern auch lebensnotwendige Eiweißbausteine, leicht verdauliches Milchfett, Energie liefernden Milchzucker sowie zahlreiche Vitamine und Mineralstoffe. Ihr Fettgehalt beträgt etwa 4,1 Prozent. Bei Sells können die Kühe sozusagen sehen, wer ihre Milch trinkt. Denn ein Teil der Milch, die täglich beim Melken in den Tank zum Abholen für die Molkerei fließt, wird in einen kleinen Spezialtank für die Milchtankstelle abgepumpt. „In der Tankstelle gibt es täglich frische Milch“, sagt Roland Sell. Beim Hinweis auf das Schild am Automaten schmunzelt er. „Milch vorm Verzehr bitte abkochen“, steht darauf. „Das muss sein. Das ist Vorschrift“, sagt er. Seine Familie hält sich allerdings nicht daran. Die Milch wird schließlich immer konstant auf etwa fünf Grad Celsius gehalten.

Auch Marlene Schumann kann sich nicht bremsen und will gleich einen Schluck aus der Flasche probieren. „Ja, dass ist richtige Milch. Sie ist fettiger und schmeckt intensiver“, sagt sie. Nach ihr füllen Ursula und Werner Gründler sich drei Flaschen ab. Die Leipziger sind im Dezember nach Olbersdorf gezogen. „Früher haben wir hier im Gebirge immer Urlaub gemacht. Das Geld sparen wir uns als Rentner nun, weil wir jetzt hier wohnen“, sagt der 76-Jährige. Zweimal kommen sie in der Woche zum Sell-Hof einkaufen.

Seit es die Milchtankstelle gibt, ist auch der Hofladen stärker frequentiert, erzählt Renate Sell. Täglich frische Produkte aus der Region gibt es hier. Fleisch und Wurst stammen direkt vom Hof. „Was bei uns im Stall geboren wird, wächst auch hier auf. Entweder werden es Milchkühe oder Bullen zum Schlachten. Die Leute schätzen das“, sagt sie.

Renate Sell ist froh, dass die Milchtankstelle auch Kleingeld wechselt. Dadurch kann sie wirklich 24 Stunden in Betrieb sein. Denn ein Teil der Kunden kommt erst gegen 21 Uhr. Und damit sind nicht nur die Bewohner des Campingplatzes gemeint. Der gehört nämlich auch zum Sell-Hof. Die Kunden kommen auch aus den umliegenden Orten und aus dem Trixi-Feriendorf.

„Man wird nicht reich von der Milchtankstelle. Aber es rundet unser Konzept für den Hof ab“, sagt Roland Sell. Der Hof steht weit über den Ort hinaus für artgerechte Tierhaltung und umweltgerechten Ackerbau. Unter anderem 350 Rinder werden hier gehalten. Neben den Jungrindern und Bullen aus der eigenen Aufzucht stehen etwa 110 Milchkühe im Stall. Jede gibt täglich etwa 30 Liter Milch. „Wenn man damit Pudding kocht. Da liegen Welten dazwischen“, schwärmt sie. Und eine junge Mutti mit Kind, die gerade aus dem Laden geht, gibt ihr Recht.