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WM-Held in Schönfeld: "Ich habe der DDR viel zu verdanken"

Warum Jürgen Sparwasser dennoch seine Heimat verließ und wie er seine Karriere sieht, erzählte er beim Fußballabend in Schönfeld.

Von Thomas Riemer
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Jürgen Sparwasser (li.) stellte sich am Donnerstag beim Schönfelder Fußballabend den Fragen von Moderator Uwe Karte.
Jürgen Sparwasser (li.) stellte sich am Donnerstag beim Schönfelder Fußballabend den Fragen von Moderator Uwe Karte. © Daniel Wagner

Schönfeld. "Es war schön bei euch", sagt Jürgen Sparwasser am Ende des Schönfelder Fußballabends. Und fügt hinzu: "Ich komme wieder - zum 75. Jahrestag des Spiels der DDR gegen die BRD. Dann bin ich 100."

Schmunzeln und Beifall im gefüllten Speisesaal. Keiner der Gäste wird je vergessen, dass der heute 76-jährige Jürgen Sparwasser mit seinem legendären Treffer den überraschenden Sieg des Ostens über den Westen besiegelte. Im Juni 1974 war das, bei der Weltmeisterschaft in Hamburg. Doch den gebürtigen Halberstädter und späteren Spieler des 1. FC Magdeburg darauf zu beschränken - das wollte er nie.

"Man sollte die Kirche im Dorf lassen. Das war damals eine große Teamleistung. Einer musste eben das Tor machen, und das war ich", so Jürgen Sparwasser. Dass die DDR der BRD damit den Weg zum WM-Titel "geebnet" hat, erwähnt er am Rande. "Es wäre für uns mehr drin gewesen", glaubt er. Immerhin habe Franz Beckenbauer 2006 mal angeregt, "Spari" zum Dank nachträglich die WM-Medaille von 1974 zu übergeben.

Seit 56 Jahren verheiratet

Die Erfolgsliste des begnadeten Fußballers ist lang. Mit dem 1. FC Magdeburg wurde er dreimal DDR-Meister, holte vier Pokalsiege und gewann mit dem Club sogar den Europacup der Pokalsieger. 1965 gewann er mit der Nachwuchsauswahl der DDR das Uefa-Juniorenturnier, die inoffizielle Europameisterschaft. Damals, so erinnert er sich, gab es noch Stützpunkttraining mit ehrenamtlichen Übungsleitern. "Das war die Grundlage dafür, dass wir später in Magdeburg so erfolgreich als Team waren", glaubt Sparwasser. Und vergisst nicht, an den später vom DDR-Regime geschassten FCM-Trainer Heinz Krügel zu erinnern. "Der war außerordentlich und vor allem ein guter Psychologe."

Krügel war auch Trauzeuge bei Jürgen Sparwasser vor 56 Jahren. "So lange hat mich Christa schon an der Backe", sagt er und lächelt zu seiner Frau, die im Schönfelder Podium sitzt. Sie ist mit ihm durch dick und dünn gegangen, hat unter anderem zwölf Ordner mit Erinnerungen erstellt. Und ist schließlich den Weg mitgegangen in den Westen.

Nie etwas gegen die DDR gesagt

1988 reisten Sparwassers aus, weil Jürgen nicht Trainer des 1. FCM werden wollte. "Das kam für mich nicht infrage." Zu jener Zeit war der Sportlehrer wissenschaftlicher Assistent und wollte lieber seine Doktorarbeit schreiben. Das verwehrte ihm die DDR. Beim letzten Gespräch mit einem gut angezogenen Mann "wurde mir das Bier aus der Hand geschlagen". Spätestens da stand sein Entschluss fest. Anlässlich eines Spiels der Altherrenmannschaft des 1. FC Magdeburg in Saarbrücken gelang ihm die "Flucht" am 10. Januar 1988. Seine Frau weilte zur gleichen Zeit auf Verwandtenbesuch in der Bundesrepublik.

Der Start im Westen war holprig: keine Arbeit, keine Wohnung, "nicht mal eine Vase für die Blumen zum Hochzeitstag". Hilfe kam vor allem von Eintracht Frankfurt und dem dortigen Trainer Kalli Feldkamp. Selbst zum Talk bei Günther Jauch ist Jürgen Sparwasser gegangen. "Bei so etwas konnte ich ein bisschen was für die Kasse tun", sagt er und schmunzelt.

Er habe allerdings in keiner einzigen Fernsehsendung etwas gegen die DDR gesagt. Im Gegenteil: "Ich habe der DDR sehr viel zu verdanken." Nur die Art der "Degradierung" kurz vor seiner Ausreise - sie ärgert ihn bis heute. Den Schritt bereut haben er und seine Frau nie. "Wir hatten Mut zum Neuanfang und sind stolz darauf", sagt der Held von 1974 unter großem Beifall in Schönfeld.