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Die bekannteste Villa von Radeburg

1872 gründete Moritz Mitscherling die Schamottewerke und baute sich vor 120 Jahren eine schicke Villa. Sie war später Poliklinik. Heute steht die Gesundheit hier wieder im Mittelpunkt.

Von Kathrin Krüger
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Die ehemalige Villa Mitscherling in Radeburg am Meißner Berg. Es gibt sie jetzt 120 Jahre. Sie ist natürlich - wie auch der Park - denkmalgeschützt.
Die ehemalige Villa Mitscherling in Radeburg am Meißner Berg. Es gibt sie jetzt 120 Jahre. Sie ist natürlich - wie auch der Park - denkmalgeschützt. © privat

Radeburg. Die Denkmalliste weiß es ganz genau: In der Meißner Landstraße 9 der Zillestadt steht eine Villa mit Remisengebäude, parkartigem Garten, Turmpavillon und Teil der Einfriedungsmauer. Ein repräsentativer, weithin sichtbarer Villenbau, weitestgehend im ursprünglichen Zustand erhalten. Ein markantes Beispiel der Architektur aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts zwischen Jugendstil und Reformarchitektur. Der Garten ist einzigartig in Radeburg, das gesamte Anwesen baugeschichtlich und künstlerisch bedeutend.

Die Rede ist von der Villa Mitscherling, die zu DDR-Zeit als Poliklinik genutzt wurde. Sie thront hoch überm Busbahnhof und hatte kürzlich ihren 120. Geburtstag. Denn die heutigen Besitzer, Familie Franke, fanden 2005 beim Einbau eines Toilettenfensters im Keller eine Urkundenrolle in der Mauer. Sie enthielt ein wertvolles Dokument, das heute hinter Glas im Obergeschoss zu bewundern ist. Auf diesem Pergament, das "Mit Gott!" überschrieben ist, wird die Gründung des Hauses mit dem 21. Mai 1904 angegeben. Bauherr: Max Eduard Moritz Mitscherling, damals Besitzer der 1872 gegründeten "Radeburger Backofenplatten- und Chamottesteinfabrik". Die Baumeister waren Ferdinand Schönborn und Albert Dietz - für dieses und eine Reihe weiterer Jugendstilobjekte.

Die bis heute anhaltende Schamotteherstellung hat demnach eine lange Tradition in der Stadt. 1889 wurde aufgrund der vorhandenen Rohstoffe bereits eine zweite Fabrik am gleichen Standort, circa 400 Meter nordwestlich, gegründet: die "Radeburger Thon- und Chamottewerke Jackwitz und Kickelhayn". Beide Firmen exportierten später nach Österreich, Ungarn, Schweiz, Italien, Rumänien, Russland, Norwegen, Schweden, Dänemark, Belgien, Frankreich, Nord- und Südamerika. Als Senior Moritz Mitscherling 1894 starb, übernahmen seine Söhne Max Eduard und Paul Mitscherling die Fabrik. Doch die heutigen "Schamottewerk Radeburg GmbH" gehen nicht auf dieses Unternehmen zurück. Es existierte zwar bis 1947 und wurde danach Teil zwei des VEB Ton und Schamottewerkes Radeburg. 1992 wurde es aber geschlossen. Nur das Werk eins blieb bestehen und machte sich 1995 selbstständig. "Zwischenzeitlich ist dieses Werk das einzig noch in Ostdeutschland bestehende Schamottewerk und beliefert in ganz Deutschland sowie in ganz Europa Ofenbauer mit Steinen für Kachelöfen, Kamine und Backöfen", heißt es in der Chronik.

Und die Fabrikantenvilla? Das architektonische Kleinod diente von 1973 an 20 Jahre lang als Poliklinik und Außenstelle des Krankenhauses Meißen. Dann sollte sie Kinderheim werden. Damals habe noch eine Enkelin der Familie Mitscherling hier gewohnt, die dann ins Altersheim umzog. Seit 1997 versuchte die Stadt, das ihr übertragene Gebäude zu verkaufen. Damals geschätzter Verkaufswert: 340.000 Euro - weit unter dem kunsthistorischen Wert. Dann sank der Preis inclusive Park auf lächerliche 195.000 Euro. Mehr als zehn Jahre stand die Villa trotzdem leer. 2004 dann aber der Paukenschlag: Das Objekt hätte sich in einen Swingerclub verwandeln können: ein Treff für Pärchen zum kurzzeitigen Partnertausch. Der Stadtrat diskutierte hitzig - und lehnte ab. Dann kamen Sabine Franke und ihr Mann.

Heilpraktikerin Franke hatte bei Köln gearbeitet, konnte sich dort aber nicht erweitern. "Da meine Schwiegereltern aus Siebenlehn bzw. aus der Nähe bei Leipzig stammen, 1961 in den Westen flüchteten und 2002 wieder in Meißen bauten, haben wir uns auch hier umgesehen", sagt Sabine Franke. Im Internet fand sie die Villa. Im Mai 2005 kauften die Heilpraktikerin und ihr Mann, ein Informatiker, das Grundstück für eine Heilpraktiker-Praxis: ganz in der Tradition der früheren Nutzung.

2006 war offizielle Praxiseröffnung. Während der einjährigen Bauphase wohnten die Frankes mit den damals neun und elf Jahre alten Söhnen im Nebengebäude, welches das Kutscherhaus der Villa war. 2012 wurde das Kutscherhaus ebenfalls saniert. Hier wohnt Familie Franke seitdem. "In der unteren Etage der Villa gab es noch Einbauten wie die Umkleidekabinen aus der Poliklinik-Zeit", sagt die Alternativmedizinerin. Sabine Franke und ihr Mann ließen das Denkmalgebäude von örtlichen Handwerker modernisieren, die Fenster erneuern, die Treppenstufen neu belegen. Sie bauten einen Fahrstuhl ein und vieles mehr. Außen wurden 2013 die Mauer und die Tore der Einfriedung neu hergestellt und das Turmhäuschen als Schmuckstück restauriert. "Früher hat man dort Fotos mit den Gardeoffizieren des Karnevals gemacht", weiß die Neu-Radeburgerin. In der Villa sind heute neben den Heilpraktiker-Räumen fünf vermietete Wohnungen. Berater für die gesamte Sanierung war Dr. Ralf-Peter Pinkwart, damaliger Landesbeauftragter für Denk­malschutz.

Dieses Bleiglasfenster im Obergeschoss zeigt die Moritzburger Teichlandschaft.
Dieses Bleiglasfenster im Obergeschoss zeigt die Moritzburger Teichlandschaft. © Kathrin Krüger
Markant ist dieses Türmchen der Mauer um die ehemalige Villa Mitscherling.
Markant ist dieses Türmchen der Mauer um die ehemalige Villa Mitscherling. © Kathrin Krüger
Schöne historische Lampen im Grundstück.
Schöne historische Lampen im Grundstück. © Kathrin Krüger
Sabine Franke praktiziert als Heilpraktikerin in der ehemaligen Poliklinik.
Sabine Franke praktiziert als Heilpraktikerin in der ehemaligen Poliklinik. © privat
Gründungsrolle der Villa von 1904.
Gründungsrolle der Villa von 1904. © Kathrin Krüger

Die Meißner Porzellanöfen, die Villenbesitzer Mitscherling einbauen ließ, seien zu Zeiten der Poliklinik verschwunden. Das weiß Sabine Franke vom ehemaligen ärztlichen Leiter der Einrichtung, der sie 2006 besucht habe. Doch das wundervolle Ornamentglasfenster mit Moritzburger Ansicht konnte er persönlich retten, hatte der Mediziner versichert. Das im Jugendstil gehaltene Treppenhaus kennen viele Altrade­burger noch als Wartezimmer. Heute warten hier Menschen, die sich Heilung von oft austherapierten Krankheiten und psychischen Leiden versprechen. Mit der Biomotivation nach Viktor Philippi und speziellen Stressabbau-Massagen geht Sabine Franke neue effektive Wege, die Selbstheilungskräfte aktivieren, Abwehrkräfte stärken und Stress abbauen und dabei bei den tiefsitzenden seelischen Ursachen beginnen.

Noch bis Ende Januar 2025 läuft übrigens eine Studie, bei der Patienten mit postviralen und anderen Erschöpfungszuständen und entsprechender Diagnose des Haus- oder Facharztes zehn Biomotivationen erhalten können. Eine weitere Studie zum Thema Krebs ist bereits in Planung und beginnt im Februar 2025. Privatpatienten oder Patienten mit Zusatzversicherung bekommen Heilpraktikerleistungen ganz oder teilweise erstattet, je nach Versicherung.