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Igel in Not: So viele Tiere wie selten im Landkreis Meißen

Mitglieder des Tierschutzvereins Großenhain haben im Moment alle Hände voll zu tun: Sie kümmern sich um geschwächte oder verletzte Jungtiere.

Von Catharina Karlshaus
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Schon gewichtiger: Alfredo, Ronaldo, Francesco, Greta und Sofia sind jetzt gut fünf Wochen alt. In der Obhut von Manja Baumgartner aus Priestewitz haben sich die kleinen Kerlchen gut entwickelt.
Schon gewichtiger: Alfredo, Ronaldo, Francesco, Greta und Sofia sind jetzt gut fünf Wochen alt. In der Obhut von Manja Baumgartner aus Priestewitz haben sich die kleinen Kerlchen gut entwickelt. © Igel-Kita

Großenhain. Seit Sonntag darf Galgo-Hündin Keysha aus Riesa getrost als Heldin bezeichnet werden. Immerhin brachte der aufmerksame Vierbeiner seinem Frauchen ein winziges Bündelchen, legte es zunächst vorsichtig auf den Boden, um dann zu signalisieren, dass nicht nur mit diesem Mini-Igel etwas nicht stimmen könne.

Wie recht die sensible Fellnase doch haben sollte! Nach intensiver Suche wurden innerhalb kürzester Zeit zwei weitere Babys gefunden. Wohl schon ein paar Tage ohne ihre Mama auf sich gestellt, erwiesen sich die nun auf die Namen Hartmut, Isabella und Balu hörenden Tiere allesamt als Leichtgewichte. Lediglich über 40 Gramm schwer, werden sie seit dem Wochenende professionell in der Igel-Kita Dresden und Umland versorgt.

Erbsi kam über das Tierheim Freital im Alter von einer Woche – noch mit geschlossenen Augen – in die Pflegschaft zu Nicole Walde. Das Igel-Kind ist mittlerweile gut 14 Tage alt und wiegt 112 Gramm.
Erbsi kam über das Tierheim Freital im Alter von einer Woche – noch mit geschlossenen Augen – in die Pflegschaft zu Nicole Walde. Das Igel-Kind ist mittlerweile gut 14 Tage alt und wiegt 112 Gramm. © Igel-Kita

Eine liebevolle Heimstatt, zugehörig zum Tierschutzverein Großenhain e. V., in welcher die drei stacheligen Gesellen längst nicht die einzigen Untermieter sind. Ganz im Gegenteil! Die Radebeulerin Monika Schwiedam und ihre Mitstreiterinnen Nicole Walde in Bannewitz und Manja Baumgartner aus Priestewitz – über viele Jahre hinweg war sie die gute Seele für viele herrenlose Katzen – haben momentan alle Hände voll zu tun. Die drei Frauen leisten in ihren Privatgrundstücken, was Igeln aus dem gesamten Landkreis Meißen, Dresden, Kreischa, Freital und selbst aus Pirna zugutekommt.

Kein Wunder auch, im Herbst schnuffele es immer ganz besonders. In diesem Jahr wäre das Kümmern um Borstel & Co allerdings schon beträchtlich früher losgegangen. "Bereits im Frühjahr wurden uns viele unterernährte oder verletzte Igel gebracht. Nun befinden wir uns in der Phase, wo die Jungtiere zur Welt kamen, und sind mit außergewöhnlich vielen Zöglingen konfrontiert", erklärt Monika Schwiedam.

Um vier morgens gibt es die erste Mahlzeit

Praktisch bedeute das, alle drei Igel-Stationen wären gewissermaßen ausgebucht. Während sich in Radebeul gegenwärtig ebenso wie in Priestewitz fünf Babys und drei ältere Tiere in Obhut befänden, seien es in Bannewitz gar zehn Winzlinge sowie fünf ausgewachsene Igel.

Eine große Herausforderung für die ehrenamtlich tätigen Frauen, denn die eher unfreiwilligen Pensionsgäste bedürfen zumeist einer Rundumversorgung. Angefahrene oder misshandelte Vierbeiner, kranke Tiere und nicht zuletzt jene, die eben erst vor ein paar Wochen geboren worden sind, finden hier sorgsame Zuwendung.

Immerhin: Erst ab Mitte November schlummern die meisten Igel. Bis dahin sei noch genug Zeit, um den Nachwuchs aufzupäppeln und mit einem Gewicht von 650 bis 700 Gramm wieder in die Natur zu entlassen. Ältere Tierchen sollten dagegen 1.000 oder 1.500 Gramm auf die Waage bringen.

Bis es so weit ist, dauert es indes noch. Kurz vor 4 Uhr klingele gegenwärtig bei Monika Schwiedam der Wecker. Isabella, Balu, aber auch die schon etwas ältere Hermine haben dann das erste Mal Hunger. Zur Fütterung mit laktosefreier Aufzuchtmilch – mit einer Plastikspritze natürlich ohne Nadel – würden die Babys mit dem Rücken in eine Hand gelegt und mit dem Daumen festgehalten.

Und damit nicht genug. Nach der Fütterung können die beherzten Ersatzmütter keineswegs sofort zurück ins Bett krabbeln. "Igelbabys sind nicht in der Lage, selbstständig Kot und Urin abzusetzen. Die Mutter beleckt in der freien Natur deshalb die Bäuchlein und Geschlechtsteile der Babys und nimmt die Ausscheidungen gleich auf, damit das Nest nicht beschmutzt wird", weiß Monika Schwiedam.

In Vertretung der tierischen Mama müssten die Pflegerinnen also vor und nach jeder Mahlzeit mit einem angefeuchteten Finger oder Wattestäbchen den Bauch beziehungsweise die Aftergegend massieren, bis sich Erfolg einstelle. Oft sei da Geduld gefragt – und das mehrmals am Tag. Um die Babys lückenlos versorgen zu können, nehme sie diese dank ihrer verständnisvollen Chefs mit auf Arbeit. Die letzte Mahlzeit gebe es um 23 Uhr, gesamtes Prozedere eingeschlossen.

Mit viel Liebe und einem hohen zeitlichen Engagement: Monika Schwiedam aus Radebeul betreut seit über sieben Jahren verletzte, aufgefundene beziehungsweise mutterlose Igel.
Mit viel Liebe und einem hohen zeitlichen Engagement: Monika Schwiedam aus Radebeul betreut seit über sieben Jahren verletzte, aufgefundene beziehungsweise mutterlose Igel. © Igel-Kita

Eines, das eingedenk der Behandlung von Verletzungen – etwa durch Mähroboter oder Rasenkanten-Trimmer -, aber auch bei Befall von Flöhen und Maden, viel Zeit in Anspruch nehme. Allein in diesem Jahr wären schon in Radebeul, Bannewitz und Priestewitz über zweihundert Tiere aufgezogen und gepflegt worden. So viel wie noch nie. Der Klimawandel mit extrem hohen Temperaturen und dem Insektensterben setzte den Igeln ebenso zu wie die Gartengerätschaften der Moderne. "Ich bin seit sieben Jahren dabei und mache das wirklich gern. Es ist ein unheimlich schönes Gefühl, wenn die kleinen Kerlchen es schaffen und in die Natur entlassen werden können", bekennt Monika Schwiedam.

Ziel ist der Winterschlaf in der Natur

Für Hartmut waren die Strapazen der vergangenen Tage wohl zu viel. Für ihn wäre die Rettung durch Galgo-Hündin Keysha leider zu spät gekommen. Alle anderen Igelbabys, welche vielleicht dieser Tage auf Straßen, im Garten oder im Wald ohne ihre Mutter aufgefunden würden, hätten durch schnelles Eingreifen noch berechtigte Chancen.

Schnell sollte man sie jedoch warm eingehüllt in einer professionellen Igel-Station abgeben, damit sie groß und stark werden, so proper wie beispielsweise Harry. Der Igeljunge bringt schon 553 Gramm auf die Waage. Gut einhundert vom Winterschlaf an jenem Ort entfernt, wo er schließlich hingehöre – in der freien Natur.

  • Wer die Ehrenamtler und die Aufzucht der Igel unterstützen möchte, kann dies mit immer dringend benötigten Spenden tun: unter Tierschutzverein Großenhain, Sparkasse Meißen, IBAN: DE 43 8505 5000 3400002568, Kennwort: Igel-Kita.