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Landtagswahl: Reichenbacherin fühlt sich bei Wahl nicht ernst genommen

Eine Reichenbacherin, die mit ihrer behinderten Tochter im Rathaus wählen war, durfte nicht mit in die Wahlkabine. Obwohl es ihr gutes Recht war.

Von Constanze Junghanß
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So sieht es üblicherweise in einer Wahlkabine aus. Manchmal muss aber ein Zweiter hinein, um beim Ausfüllen des Wahlscheins zu helfen - als Betreuer.
So sieht es üblicherweise in einer Wahlkabine aus. Manchmal muss aber ein Zweiter hinein, um beim Ausfüllen des Wahlscheins zu helfen - als Betreuer. © dpa

Christine Büchner ist in Sorge, dass die Stimme ihrer geistig behinderten Tochter bei der Auszählung zur Landtagswahl nicht berücksichtigt worden sein könnte. Die Reichenbacherin war am Wahlsonntag gemeinsam mit ihrem erwachsenen Kind im Wahllokal des Rathauses auf der Görlitzer Straße. Sie schildert, dass sie ihre Tochter in die Wahlkabine begleitete, um ihr als ihre Betreuerin beim Ausfüllen des Wahlbogens zu helfen. Eine entsprechende Betreuungsverfügung hatte sie dabei. „Das würde nicht zählen, wurde mir gesagt“, berichtet sie und auch, dass sie die Wahlkabine habe wieder verlassen müssen. „Meine Tochter setzte dann alleine ihr Kreuz“, sagt Christine Büchner. Die Stimmzettel von Mutter und Tochter landeten in der Wahlurne. Christine Büchner fühlte sich nicht ernst genommen.


Die Stimmabgabe ist anonym. Stimmzettel wurden keinesfalls aus der Wahlurne aussortiert, bestätigt die Wahlleiterin des Reichenbacher Rathauses, Linda Noack. Das wäre auch gar nicht möglich. Bei der Auszählung können Stimmabgaben keinem Wähler zugeordnet werden. Auf den Zetteln steht kein Wählername. Die Stimmen von Frau Büchner und ihrer Tochter landeten also im Endergebnis der Auszählung. Sie zählten selbstverständlich mit. Unregelmäßigkeiten sind der Reichenbacher Wahlleitung bis dahin auch gar nicht bekannt geworden, Beschwerden lagen Linda Noack bisher nicht vor. Im Reichenbacher Rathaus wurde für die Wahl ein Extra-Raum für Wähler mit Betreuungsbedarf und blinde Menschen eingerichtet. Das war offenbar nicht allen bekannt. Christine Büchner hat davon nichts gewusst, wie sie sagt.

Dass behinderte Menschen mit ihrer Betreuungsperson zusammen in die Wahlkabine gehen können, bestätigt eine Berufsbetreuerin vom Betreuungsverein Löbau, die nicht namentlich genannt werden möchte. Ein Anspruch auf Assistenz endet jedenfalls nicht im Wahllokal. Menschen mit Unterstützungsbedarf können sich in der Wahlkabine helfen lassen. Im Wahlgesetz ist das geregelt. Da heißt es: „Ein Wahlberechtigter, der des Lesens unkundig oder wegen einer Behinderung an der Abgabe seiner Stimme gehindert ist, kann sich hierzu der Hilfe einer anderen Person bedienen.“ Die Hilfeleistung ist auf technische Hilfe beschränkt. Nicht erlaubt ist eine Einflussnahme. Doch genau geprüft werden kann das nicht. Das räumt auch die Löbauer Berufsbetreuerin ein. Ein gewisser Missbrauch sei leider nicht völlig auszuschließen.

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So lange gibt es die Wahlmöglichkeit für Menschen mit Betreuung noch nicht. Mit seinem am 21. Februar 2019 veröffentlichten Beschluss zum Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen erklärte das Bundesverfassungsgericht den Ausschluss beim Wahlrecht für Menschen mit Betreuung in allen Angelegenheiten für verfassungswidrig. In Sachsen waren bis dahin etwa 4.000 Menschen, für die eine Betreuung in allen Angelegenheiten angeordnet wurde, vom aktiven und passiven Wahlrecht ausgeschlossen. Das ist einer Pressemitteilung der Sächsischen Staatskanzlei zu entnehmen.

Es gibt jedoch Regeln. So ist die Person, die hilft, zur Geheimhaltung verpflichtet, darf zudem nicht vorgeben, bei wem die betreute Person ihr Wahlkreuz setzt. In der Wahlkabine also einen Vorschlag machen, ist nicht erlaubt. Für Christine Büchner ist die Sache noch nicht gänzlich abgeschlossen. Sie will im Nachhinein das Gespräch mit dem Rathaus suchen, um mögliche Missverständnisse auszuräumen.