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Görlitz

Warum diese Görlitzer fünf Tage mehr Urlaub für alle fordern

Fast 40.000 Unterschriften dafür, dass es in Sachsen bald fünf Tage Urlaub mehr gibt. Wie Görlitzer sich dafür einsetzen und warum es dabei auch um Fußball geht.

Von Moritz Schloms
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Fußballtrainer Mario Keich vom SV Ludwigsdorf trainiert mit zwei Kindern das Pass-Spiel auf dem Sportplatz.
Fußballtrainer Mario Keich vom SV Ludwigsdorf trainiert mit zwei Kindern das Pass-Spiel auf dem Sportplatz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Fragt man Befürworter des Bildungsurlaubes, warum es die fünf zusätzlichen freien Tage braucht, dann klingen ihre Beispiele oft so: Man stelle sich einen 52-jährigen Fußballtrainer vor, der etwas Gutes für seinen Verein tun will.

Weil es dem Verein an Trainern und Geld fehlt, macht er einen Trainerschein. Zur Wahl stehen ihm dafür zwei Optionen. Er kann mehrere Wochenenden komplett dafür opfern, oder – den Kurs unter der Woche durchziehen. Dafür wird er dann schweren Herzens einige seiner privaten Urlaubstage aufbringen müssen.

Oder man könnte sich eine 40-jährige Hortnerin vorstellen, die sich in der Gewerkschaft und lokalpolitisch engagiert. Besucht sie eine Fortbildung bei Verdi, dann muss auch sie sich bei der Arbeit freinehmen. Und zack, wieder ein privater Urlaub futsch.

Diese beiden Personen sind keine Fiktion, sie sind Görlitzer. Er heißt Mario Keich, sie Nicole Scheibe. Beide haben genau das schon gemacht. Und beide wissen, was besonders unfair daran ist. Wären sie keine Sachsen, sondern Thüringer oder Saarländer, dann hätten sie dafür Bildungsurlaub nehmen können. Daher wollen beide jetzt, dass das auch im Freistaat geht. Damit sind sie nicht alleine.

Was ist Bildungsurlaub überhaupt?

Eine Kampagne, die sich für Bildungsurlaub in Sachsen einsetzt, hat jetzt schon mehr als 37.000 Unterschriften gesammelt. 40.000 braucht sie. Dann muss der Volksantrag im Landtag behandelt werden.

Hintergrund ist, dass es in allen Bundesländern außer Bayern und Sachsen einen Anspruch auf Bildungsurlaub gibt. Für Sachsen fordert die Initiative "Zeit für Sachsen" fünf zusätzliche Urlaubstage. Diese müssen angemeldet und genehmigt werden. Auch muss nachgewiesen werden, dass der Arbeitnehmer in der Zeit tatsächlich etwas tut, was als Bildungsurlaub durchgeht. Dafür gibt es aber eine breite Palette an Angeboten.

Die Bildungsurlauber können unter den staatlich anerkannten Kursen wählen, darunter sind auch Sprachkurse in Madrid, Yogastunden gegen Stress oder Programmierseminare. Kritiker sehen im Bildungsurlaub einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit und befürchten Nachteile für die sächsische Wirtschaft.

Bildungsurlaub als Wertschätzung fürs Ehrenamt

Hortnerin Nicole Scheibe trommelt schon seit Langem für die Bewegung. Schon vor Jahren befestigte die 40-Jährige einen Werbe-Aufkleber an ihrem Auto. Aktuell sammelt sie Unterschriften, versucht Kolleginnen zu gewinnen. "Erklärt man den Leuten, warum es das braucht, sind die meisten von der Idee überzeugt", sagt sie. "Selbst die, die es selbst nicht nutzen wollen, die kennen jemanden, der es brauchen kann."

Nicole Scheibe will auch für die SPD in den Görlitzer Stadtrat, bei einem Infostand am 25. Mai legte sie die Unterschriftenliste mit aus.

Erst frisch an Bord ist Mario Keich. Der Vizevorstand des SV Ludwigsdorf ist ein "Fußballverrückter", so sagt er das. Und so hat er vor zwei Jahren mit vier weiteren Mitgliedern des Vereins eine Trainerlizenz C-Stufe gemacht, trainiert aktuell die Jugendlichen im Verein.

"Der Kurs dafür ging eine Woche, dafür habe ich privat Urlaub genommen", sagt der 52-Jährige. Als er davon erfuhr, dass es dafür in Zukunft eine andere Möglichkeit geben könnte, war er begeistert. "Ich würde dafür sofort unterschreiben." Das Ehrenamt sieht er im Abwärtstrend und alles, was den stoppen kann, unterstütze er.

"In vielen Vereinen fehlen Trainer", sagt Mario Keich. Den Bildungsurlaub sieht er als Stütze fürs Ehrenamt.
"In vielen Vereinen fehlen Trainer", sagt Mario Keich. Den Bildungsurlaub sieht er als Stütze fürs Ehrenamt. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

"Das Argument, warum jemand keine Trainerlizenz macht, ist oft, dass derjenige dafür keinen Urlaub nehmen kann oder will", so Keich. Er ist davon überzeugt, der Bildungsurlaub würde hier helfen.

Die Hürde der 40.000 Unterschriften ist zwar fast geschafft, die Kampagne auf der Zielgeraden. Doch: Beraten wird darüber ein neuer Landtag. Und ob sich dort dann eine Mehrheit für das Anliegen von Nicole Scheibe und Mario Keich findet, ist offen.