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Kreis Görlitz: Reichenbach macht sich auf den Weg zu einer Wasserstoff-Modellregion

Die Kleinstadt profitiert von dem Projekt immens. Was die Pläne mit dem Freibad und dem lange leer stehenden Ringhotel zu tun haben.

Von Constanze Junghanß
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Was hat ein Freibad mit Forschung und Entwicklung zu tun? Allerhand - in Reichenbach jedenfalls.
Was hat ein Freibad mit Forschung und Entwicklung zu tun? Allerhand - in Reichenbach jedenfalls. © André Schulze

Mit den Eintrittseinnahmen können die Kosten für das Reichenbacher Freibad nicht annähernd gedeckt werden – trotz Preissteigerung und mehr als 20.000 Besuchern bislang. Die Stadt zahlt mittlerweile einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 185.000 Euro. Bürgermeisterin Carina Dittrich informierte darüber im Rahmen einer Bürgerversammlung, die unter das Motto „Wird das Freibad geschlossen?“ gestellt wurde.

Doch eine Schließung des Freibades stand nicht zur Debatte. Vielmehr erfuhren die knapp 100 Gäste im Via Regia Haus, was mit dem ehemaligen Ringhotel passieren soll und wie von einer millionenschweren Förderung auch das angrenzende Freibad profitieren könnte. Dazu stellten am Projekt beteiligte Gäste aus Wissenschaft und Forschung vor, wie eine künftige „Energiefabrik“ für Reichenbach aussehen kann. Denn dafür wurde der Weg nun freigemacht.

Der Reihe nach. Die 100-prozentige Tochtergesellschaft der Stadt, die Bauen und Wohnen GmbH (BuW), hatte den Hotelkomplex 2022 für rund eine halbe Million Euro erworben. Den Kauf finanzierte die BuW mit dem Verkauf des Reichenbacher Wohnungsstandortes „Papageiensiedlung“. Ein Dresdner Unternehmen zahlte dafür rund drei Millionen Euro. Zusätzliche Schulden nahm die Stadt dafür also nicht auf.

Viele Besucher kamen zur Bürgerversammlung ins Via-Regia-Haus Reichenbach unter dem Motto „Wird das Freibad geschlossen?“
Viele Besucher kamen zur Bürgerversammlung ins Via-Regia-Haus Reichenbach unter dem Motto „Wird das Freibad geschlossen?“ © Constanze Junghanß

Von dem Hotel soll in Zukunft die ganze Stadt profitieren. Beantragt wurden Gelder aus dem Kohleausstiegstopf, um daraus die „Energiefabrik Reichenbach“ zu errichten. Es geht um eine Summe von 17,6 Millionen Euro. Der Regionale Begleitausschuss gab für die „Energiefabrik“ im Sommer grünes Licht, das Projekt ist nach Angaben von BuW-Chef Norbert Nitschke bewilligt. Dabei geht es um die Herstellung von Wasserstoff, von Sauerstoff und von Wärme. Vorgesehen ist, dazu zu forschen, zu entwickeln und diese Produkte auf den Markt zu bringen.

Das Abwasser des Freibades soll bei der Wasserstoffproduktion eine Rolle spielen, ebenso der in der Region überschüssige grüne Strom. Reichenbach soll, so sagte Professor David Müller von der BTU Cottbus, als "erste Wasserstoffmodellregion in Sachsen“ etabliert werden. Die Universität aus dem Brandenburgischen ist eine von mehreren Partnern für die Energiefabrik. Fraunhofer Dresden, die Hochschule Zittau-Görlitz, ein Bautzener Architektenbüro, der Gedes-Verein aus Mengelsdorf und eine Energie GmbH, die Stadt sowie die BuW wurden als Partner benannt, die sich den Bürgern in der Runde vorstellten.

Das leer stehende Hotel in Reichenbach soll in dem Projekt Wasserstoff-Modellregion eine wichtige Rolle einnehmen.
Das leer stehende Hotel in Reichenbach soll in dem Projekt Wasserstoff-Modellregion eine wichtige Rolle einnehmen. © Foto: SZ/Constanze Junghanß

Forschung und Entwicklung stehen im Vordergrund, es geht um die Schaffung direkter und indirekter Arbeitsplätze. In einem Teil des Hotels entstehen demnach Büros, das Dach wird saniert und mit Fotovoltaik bestückt, eine Sauna installiert, Abwärme für eine Saisonverlängerung des Freibades genutzt. Professor Müller sagte auch, das Projekt sei kein Luftschloss, sondern mit Fachleuten untersetzt.

Aufgenommen wurde das von den Zuhörern geteilt. Während es auf der einen Seite viel Zustimmung gab, äußerten sich Vertreter der Reichenbacher CDU-Fraktion kritisch, stellten vor allem infrage, dass Reichenbach die benötigten Eigenmittel stemmen kann. Andreas Schneider von der CDU sieht in dem Vorhaben "ein großes Risiko“. Die Förderung aus den Strukturmitteln beträgt 90 Prozent, zehn Prozent sind dann immerhin noch 1,76 Millionen Euro an Eigenmitteln, die aufgebracht werden müssen.

Norbert Nitschke erklärte, dass nicht die Stadt, sondern die BuW Antragsteller für die Fördermillionen ist, demzufolge der Haushalt der Stadt Reichenbach unberührt bleibt. Die BuW ist Eigentümer des Komplexes. Möglicherweise – aber das müsse ausgelotet werden – profitiert die Stadt von zusätzlichen Mitteln für strukturschwache Regionen. Für eine Komplettsanierung reichen die Fördermillionen trotzdem nicht. Deshalb geht es vorerst um einen Teilbereich des Hotels, der umgebaut und saniert werden kann.

Die Projektgruppe sieht in dem Vorhaben eine wichtige Entwicklungschance für Reichenbach. Wann Baustart ist, steht ebenso wenig fest, wie wann genau die Mittel fließen. „Noch stehen wir ganz am Anfang“, erklärte Norbert Nitschke.