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Wie Görlitzer Förderschüler eine der besten Schülerzeitungen Sachsens machen

Schreiben fällt vielen Schülern der Görlitzer Jahnschule nicht leicht. Trotzdem machen einige von ihnen eine Schülerzeitung, die seit Jahren immer wieder ausgezeichnet wird.

Von Susanne Sodan
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Lehrerin Anette Wersig mit ihren Schüler-Reportern Jonas, Luca und Alexander bei der Arbeit für den Jahn-Kurier.
Lehrerin Anette Wersig mit ihren Schüler-Reportern Jonas, Luca und Alexander bei der Arbeit für den Jahn-Kurier. © Martin Schneider

Der Informatikraum in der Friedrich-Ludwig-Jahn-Schule Görlitz ist gleichzeitig die Redaktion. Jeden Dienstag kommen Jana, Annalena, Jonas, Luca und Alexander hier zusammen, um an der nächsten Ausgabe des Jahn-Kuriers zu arbeiten. So heißt die Schülerzeitung der Jahnschule, eine Förderschule mit Schwerpunkt geistige Entwicklung. Zwölf Schülerzeitungen von Grund-, Förder- und Oberschulen sowie Gymnasien erhielten jetzt den Sächsischen Journalismuspreis – der Jahn-Kurier machte bei den Förderschulen das Rennen.

An einem Schreibbord an einer der Wände stehen schon Themen für die nächste Ausgabe: Zweimal jährlich erscheint der Jahn-Kurier, „zu den Halbjahreszeugnissen und zum Ende des Schuljahres“, erklärt Jonas. Der 17-Jährige ist schon seit fünf, sechs Jahren dabei. „Viele Beiträge gehen auf ihn zurück“, sagt Lehrerin Anette Wersig, die den Jahn-Kurier über Jahre aufgebaut hat.

Platzmangel erreicht auch Jahnschule

Die nächste Ausgabe dürfte spannend werden. Ein Thema: die Umgestaltung des Schulhofes. Ein Trampolin war kaputt und wurde durch zwei kleinere ersetzt, eine neue Nestschaukel kam hinzu. Ein Interview mit der Baufirma ist geplant. Und zwei Container kamen kürzlich hinzu: Rund 110 Schülerinnen und Schüler lernen an der Jahnschule, die inzwischen auch Platzprobleme hat.

In eines der Container-Zimmer zogen die Musikinstrumente, ins zweite der Therapieraum. So schlecht ist das nicht, sagt Schulleiterin Pia Urban. Die Container sind klimatisiert – und ruhiger als Klassenräume. Und im Schulhaus wurde Platz, um den Kunstraum zu erweitern, „das hatten die Kinder sich sehr gewünscht“. Auch das Lehrerzimmer ist neu gestaltet. In der Regel dürfen die Schüler nicht in den Lehrerraum – die Redakteure für ihre Berichterstattung aber schon. Orte sehen, die im Alltag eher verschlossen bleiben – da unterscheidet sich die Arbeit bei einer Schülerzeitung nicht sehr von der einer professionellen Zeitung. Themenplanung, Blattplanung, Recherchen, Bildauswahl, auch so einige Schritte der Jahn-Redakteure sind wie bei Tageszeitungen.

17-Jähriger seit Jahren im Redaktionsteam dabei

Warum Jonas schon so lange bei der Stange bleibt? Weil er viel selbst machen kann, sagt er, seine Ideen einbringen kann. Eine dieser Ideen: In der für den Jugendjournalismuspreis eingereichten Ausgabe findet sich ein Rätsel über die Herrnhuter Sterne, das nach einem Besuch in der Sterne-Manufaktur entstanden war. „Das war deshalb eine so gute Idee, weil es jeden anspricht“, sagt Anette Wersig.

Eingereicht hatten die Schüler die erste Ausgabe des vorigen Schuljahres. Sie startet mit einem Thema, das nicht fehlen darf: eine Kurzvorstellung der neuen Schüler. Ein weiteres Muss-Thema, erklärt der 16-jährige Alexander, findet sich stets in der zweiten Ausgabe zu Schuljahresende: Die Absolventen erzählen von ihren Zukunftsplänen. Jonas wird in nicht allzu ferner Zeit selbst im Jahn-Kurier von seinen Zukunftsplänen berichten können: Er gehört inzwischen zu den Schülern der Berufsschulstufe, die tagsüber in den Trainingswohnungen der Schule leben. Am liebsten, sagt er, würde er für immer bleiben, Schülerzeitung machen.

Die Vielfalt ist eines der Dinge, für die der Jahn-Kurier ausgezeichnet wurde: Die eingereichte Ausgabe reicht von Infos über die Schülerzahl über den Steckbrief einer neuen Pädagogin bis zu einem Kurzbericht vom Einbau der neuen digitalen Tafeln. Mit kurzen Beiträgen und zahlreichen Bildern gibt es Rückblicke auf Veranstaltungen wie den Nikolausmarkt der Schule und Ausflüge wie etwa zum Minigolf am Berzdorfer See und nach Dresden.

Nicht alle Berichte stammen aus der Feder der Jahn-Redaktion, manche sind „Gastbeiträge“ von anderer Schüler oder Klassen. Und nicht jeder Text entsteht am Computer, sondern es finden sich kleine handschriftliche Texte im Jahn-Kurier. Am Computer ist das Korrekturprogramm schnell gestartet, erklärt Anette Wersig. Doch die Leser, also die Eltern und auch die Schüler selbst sollen sehen, was sie können. Viele von ihnen erlernen das Schreiben später als üblich. Weder vorm Schreiben noch vor Fehlern sollen sie sich fürchten.

Tipp der Jury: Verstecken braucht sich Jahn-Kurier nicht

Angefangen hatte alles vor ungefähr 20 Jahren durch zwei junge Männer, die ihren Zivildienst an der Jahnschule leisteten. „Damals hatte zum Beispiel das Joliot-Curie-Gymnasium schon seine Schülerzeitung, die ‚Wühlmaus‘“, erinnert sich Anette Wersig. „Wir dachten, das wäre auch was für uns.“ Die beiden Zivis riefen den „Konrat“, ins Leben – mit Tipps im Schulalltag. Daraus wurde die „Schülerzeitung“ und dann 2008 der Jahn-Kurier. Ausgezeichnet wurde der schon mehrfach. Seit 2018 erreichte die Jahnschule sechs Mal den zweiten oder dritten Platz beim Sächsischen Jugendjournalismuspreis.

Stets schätzt die Jury ein, welche Stärken und welche Verbesserungsvorschläge sie sieht. „Wir haben immer versucht, umzusetzen, was uns geraten wurde.“ Nun gab’s den ersten Platz. Auf eine Jury-Anmerkung ist Anette Wersig besonders stolz: Die jungen Redakteure sollten noch mutiger sein, mehr Themen außerhalb des Schullebens aufgreifen – denn sie bräuchten sich nicht verstecken vor Zeitungen anderer Schulformen.