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Warum ein Bürgermeister im Kreis Görlitz auch mal zum Teufel wird

In Königshain engagieren sich die Dorfbewohner seit 20 Jahren für ihre Sagenspiele. Die locken mittlerweile weit über 1.000 Besucher an.

Von Constanze Junghanß
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Die Sagenspiele in Königshain ziehen sehr viele Menschen in ihren Bann.
Die Sagenspiele in Königshain ziehen sehr viele Menschen in ihren Bann. © freier Fotograf

Der Teufel steckt im Detail, so die Redewendung. In Königshain steckt der Teufel im Garderobenschrank des Bürgermeisters. Da hängt seine Perücke mit den Hörnern dran, der Umhang und die Deibelhose. Gemeindeoberhaupt Maik Wobst schlüpft seit mittlerweile 15 Jahren in die Rolle des Beelzebub. Und sein Kostüm, das hat er zu Hause, das wartet auf den Einsatz bei den Königshainer Sagenspielen. Regelmäßig im September wirft sich Maik Wobst den Umhang um, stülpt die rot schwarze Haarpracht auf den Kopf, steht auf der Bühne und geht in seiner Rolle als Teufel auf. Da erlebten ihn und die anderen Königshainer Laienschauspieler an den beiden Aufführungstagen im Durchschnitt 1.000 bis 1.200 Besucher. Bisheriger Zuschauerrekord: „738 Leute an einem Tag“, sagt der schauspielbegeisterte Bürgermeister.

Die Sagenspiele starten in dieser Saison zum 20. Mal, sind zur festen Größe geworden. Publikum kommt nicht nur aus Königshain und den umliegenden Orten, sondern auch aus Görlitz. Mit der Neißestadt gibt es enge Verknüpfungen, nicht nur in der Anfangszeit der Freiluftaufführungen. Die Sagenspiele fanden, so erinnert sich Maik Wobst, die ersten Jahre auf dem Parkplatz an der Kirche statt. Ideengeber war der Heimatverein und da vor allem der damalige Kultursekretär des Landkreises, Joachim Mühle.

Gute Zusammenarbeit mit dem Görlitzer Theater

„Es gab außerdem eine enge Zusammenarbeit mit dem Görlitzer Theater“, erinnert sich der Sagenspieler. Das Görlitzer Theater habe die Vorführungen, damals noch im kleineren Kreis und mit vielleicht 100 Besuchern, unterstützt. Gewonnen wurde als Erzähler der Lehrer, Historiker und Publizist Dr. Ernst Kretzschmar. Ebenfalls ein Görlitzer. Der übernahm bis zu seinem Tod die Rolle von Carl Adolph Gottlob von Schachmann, der das Königshainer Barockschloss im 18. Jahrhundert bauen ließ. Dessen Außengelände wurde nach einer Weile neuer Aufführungsort der Sagenspiele. Und zwar aus einem einfachen Grund: „Der Platz an der Kirche war viel zu klein geworden, es kamen von Jahr zu Jahr mehr Zuschauer“, erinnert sich Wobst.

Mit dem Tod von Ernst Kretzschmar verloren die Sagenspieler ihre beliebte Schachmann-Figur im Team. Es gibt nun stattdessen einen „Gesandten“, der den adeligen Naturforscher und Schlossherren vertritt. Die Rolle des Erzählers wurde umgeschrieben. „Schachmann befindet sich auf seinem Altersruhesitz in Herrnhut“, verrät der Autor der Sagenstücke. Auch das ist Maik Wobst und gleichzeitig spielt der Bürgermeister selbst den Gesandten. Bleibt bei so viel Schauspielerei und Theaterambitionen noch Zeit für die Bürgermeisterei? Maik Wobst schmunzelt, er hat die Frage offenbar erwartet. Die 78 von ihm zu Stücken umgeschriebenen Sagen produziert der Königshainer zwischen Weihnachten und Neujahr in seiner Freizeit. „Da habe ich am meisten Ruhe, das ist schon zu einem Ritual geworden“, sagt er. Und ohne das Sagenspiel-Team dahinter seien sowieso die schönsten Stücke nichts.

Maik Wobst ist Bürgermeister im Ehrenamt in Königshain. bei den sagenspielen gibt er den Teufel.
Maik Wobst ist Bürgermeister im Ehrenamt in Königshain. bei den sagenspielen gibt er den Teufel. © André Schulze

40 Königshainer sorgen für das Spektakel

40 Königshainer wirken an der Produktion mit, 28 schlüpfen in die Rollen von Rübezahl, Marketenderin, Geistern, Zwergen und Co. Die Stücke selbst spiegeln alte Erzählungen aus der Region wider – nicht nur aus Königshain. Orte von Vierkirchen bis hin zu Kemnitz haben ihre eigenen Sagen, von denen die eine oder andere vorgestellt werden wird. In die Vorbereitungen steckt das Sagenspielerteam viel Freizeit. 25 Mal wird geprobt, damit die Texte alle sitzen, die Bewegungen stimmen, das Lampenfieber ein wenig zurückgeht. Kostüme werden aufgearbeitet, Kulissen gebaut, die Bühne hergerichtet.

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Dass die Dorfbewohner so viel Energie und Fleiß in ihre Theaterstücke stecken, hänge vielleicht auch damit zusammen, dass Jahrhunderte alte Geschichten früher von Tür zu Tür erzählt und in den Familien weitergegeben wurden, mutmaßt der Bürgermeister. Er ist den Mitwirkenden und Helfern sehr dankbar, dass diese sich so „vorbildlich engagieren.“ Das stärke die Dorfgemeinschaft, gelten die Sagenspiele doch mittlerweile als ein Muss im Ort, auf das sich viele Familien bereits freuen. Übrigens: „Der Teufel in Königshain ist nicht grausam. Die Figur hat eher einen hohen Unterhaltungswert“, lacht Maik Wobst.

Info: Sagenspiele Königshain am 8. und 9. September, 19.30 Uhr, im Schlossgarten Königshain beim Barockschloss. Falls das Wetter nicht mitmacht, werden die Sagenspiele am 10. September aufgeführt. Der Eintritt ist frei.