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Was wäre wenn? - Görlitz wird ein Königreich der Reichsbürger

Auch im Kreis Görlitz wächst die Zahl der Reichsbürger. Der bundesweit berüchtigte Extremist Peter Fitzek hat hier einen Standort seines "Königreichs Deutschlands". Ein Theaterprojekt will aufklären.

Von Marc Hörcher
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Deutsches Reich hinterm Gartenzaun - Reichsbürger scheuen sich immer weniger, ihr Gedankengut auch offen zu zeigen. So wie hier in einer Gartensparte.
Deutsches Reich hinterm Gartenzaun - Reichsbürger scheuen sich immer weniger, ihr Gedankengut auch offen zu zeigen. So wie hier in einer Gartensparte. © SZ

Wer dieses Theaterstück besuchen will, muss seinen Personalausweis mitbringen - und ihn gleich am Eingang vorzeigen, um ein "Reichsbürger"-Visum zu erhalten. Denn in das Land des "König von Deutschland" reist der Zuschauer tatsächlich ein. Das Berliner Kollektiv "Polyformers" um Regisseur Fabian Rosonsky ist mit seiner Inszenierung am letzten Dienstag des Septembers zu Gast in der Rabryka.

Das Drei-Personen-Ensemble bindet die Zuschauer interaktiv ein. Sie sind Teil des Stücks und werden von Raum zu Raum geführt. Dabei wird die Geschichte der sektenartigen, neurechten Reichsbürger-Bewegung, die sich seit Jahren im Visier des Verfassungsschutzes befindet, nacherzählt - lose angelehnt an die Geschichte des Extremisten Peter Fitzek aus Halle an der Saale, bekannter Kopf der Szene und Gründer seines eigenen Fantasiestaats.

Eine ähnliche immersive Aufführung kennt das Görlitzer Publikum bereits von der Inszenierung "Malfi!" des Gerhart-Hauptmann-Theaters im alten Güterbahnhof - nur gibt es hier einen wesentlichen Unterschied: Beim "König von Deutschland" können die Besucher nicht selbstständig das Gelände erkunden, sondern werden geführt. Der große Veranstaltungssaal wird zum Krönungssaal, auch Teile des Außengeländes und die hauseigene Kneipe "Lüders" dienen als Kulisse.

Die "Reichsbürger" stellen dort ihren "Staat" vor, inklusive Rechtssystem, Gesundheitsvorsorge, Heilmethoden und zu Glaubensfragen im Yogi-Kreis. "Man gerät in Werbeveranstaltungen zum Sozialversicherungssystem, erlebt aber auch den Menschen, der sein Hab und Gut an die Selbstverwalter verlor, die mit Geld Gutgläubiger Immobilien kaufen und ,Gemeinwohldörfer' bilden", heißt es im Pressetext. Das Stück ist halb-dokumentarisch aufbereitet. Schreiben der Reichsbürgerbewegung, Ausschnitte aus Telegram-Gruppen, offizielle Dokumente, Medienberichte und Interviews werden mit eingebunden.

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Reichsbürger beschäftigen Polizei und Gerichte regelmäßig, nicht nur in der Oberlausitz. Als eine szenetypische Strategie gilt "Fluten" von Ämtern mit umfangreichen Verlautbarungen, häufig aus dem Internet beschafft. Teile der Szene besitzen illegale Waffen, wie Razzien immer wieder ans Tageslicht brachten. Auch konkrete Umsturz-Pläne, etwa um die "Gruppe Reuß", wurden bereits öffentlich. Sachsenweit werden etwa 2.500 Personen zu dieser Szene gerechnet, 70 von ihnen ordnet die sächsische Regierung der rechtsextremistischen Szene zu. Ende 2021 wurden erst 1.900, im Jahr davor 1.050 Personen zu den Reichsbürgern gezählt.

Das Theater-Kollektiv "Polyformers" besteht aus Lene Gaiser, Sarah Methner und Fabian Rosonsky.
Das Theater-Kollektiv "Polyformers" besteht aus Lene Gaiser, Sarah Methner und Fabian Rosonsky. © PR

Das "Königreich Deutschland" ist inzwischen mit drei Standorten in Sachsen vertreten, mit Bärwalde hat es einen davon im Kreis Görlitz. Vor einiger Zeit wollten Vertreter der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene gar das Ringhotel in Reichenbach kaufen. Aus dem Erzgebirge wurde jüngst ein Fall publik, bei dem ein Waldbesitzer eine Beschlagnahme seiner Grundstücke durch die Bundesanstalt für Finanzaufsicht nicht hinnehmen will. Er setzt Stadträte unter Druck, droht mit Prozessen und schreibt öffentliche Briefe. Auch dieser Mann gehört dem "Königreich Deutschland" an und ist nach eigenen Angaben auf Schloss Bärwalde in Boxberg gemeldet.

Die an Zahl und Einfluss gewinnenden Anhänger aus dem rechten Spektrum verdeutlichen, dass "eine verstärkte kritische Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex ,Reichsbürgertum' sowie dessen gesellschaftliche Diskussion" dringender geboten sei, schätzt Rabryka-Geschäftsführerin Julia Schlüter ein.

Ensemble tourt durch mehrere Städte

Im Gegensatz zu solchen ganz realen Vorfällen ist der geschauspielterte Fiebertraum des "König von Deutschland" auch irgendwann wieder vorbei. Nach zweieinhalb Stunden darf das Publikum in der Rabryka wieder ausreisen - und die Darsteller ziehen weiter. Das Ensemble tourt mit dem Werk durch mehrere Städte. Ein Journalist des "Tagesspiegel" hat das Stück bereits gesehen und schreibt darüber, es funktioniere "glänzend als Aufklärungs-Parcours aus performativen Szenen und Selbstbildungsangeboten, mit Fokus auf die Figur Fitzek und ihrem Scheinstaat." Und eine Reporterin des Deutschlandfunks urteilte in ihrer Besprechung, die interaktive Umsetzung öffne dem Publikum "Räume zum Reflektieren und trotz möglicher Anknüpfungspunkte, die Gefahr zu erkennen".

Zu einer öffentlichen Probe des "König von Deutschland" in Halle an der Saale war Extremist und "König" Peter Fitzek übrigens persönlich erschienen. Er schaffte es jedoch nicht herein. Medienberichten zufolge kam er wegen einer Reifenpanne zu spät. Und bekam dann - ironischerweise - das "Visum" für seine Einreise nicht mehr.

Aufführung am 24. September, 19.30 Uhr, Rabryka, Conrad-Schiedt-Straße 23, Görlitz, Einlass, 19 Uhr, Dauer zweieinhalb Stunden, Eintritt: 7 Euro, ermäßigt 5 Euro, vorherige Anmeldung erwünscht unter: https://pretix.eu/rabryka/KvD/