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Nach der Wahlpleite: Kretschmer sieht sich als "Schutzpatron" von Görlitz

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Am 1. September geht es für Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer um alles. In seinem Wahlkreis in Görlitz.

Von Moritz Schloms
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Im Gespräch erklärt sich der Ministerpräsident zum Schutzpatron von Görlitz.
Im Gespräch erklärt sich der Ministerpräsident zum Schutzpatron von Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Es ist purer Zufall seines Kalenders. Für den Montag nach dem Super-Wahltag hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer in seinem Wahlkreis in Görlitz einen Termin. Es ist ein lange geplanter und eigentlich auch ein schöner, der nichts mit der Wahl zu tun hat. Bei einer Veranstaltung der Kampagne "SPIN2030" des Sächsischen Wissenschaftsministeriums präsentieren junge Menschen ihre Ideen für Görlitz.

Kurz vor den Präsentationen steht Kretschmer vor dem Kühlhaus im Süden der Stadt und ist umringt von einigen Schülern - und von Journalisten. Die Schüler wollen ein Foto mit ihm machen. Ob sie eine Forderung an den Ministerpräsidenten haben, fragt eine Reporterin von RTL. "Mehr Lehrer", sagt einer der Schüler. "Ne, jüngere Lehrer", fällt ein anderer ins Wort.

Sachsens Regierungschef macht weiter wie bisher und kommt nach Görlitz

Der kurze Dialog zeigt schon: Die kommenden 1,5 Stunden wird es für Kretschmer nicht um die vergeigten Wahlen gehen und was das für die Landtagswahlen im September bedeutet.

Es war ein bitterer Wahl-Abend für die sächsische CDU und die Union im Kreis Görlitz. Bei der Europawahl schlägt die AfD sie im Kreis Görlitz um 16 Prozentpunkte, auch bei der Kreistagswahl siegt die AfD deutlich. In den Stadträten von Görlitz und Niesky, von Weißwasser und Zittau wird die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte AfD die größten Fraktionen stellen.

Für Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) dürfte sich der Blick jetzt auf den 1. September richten. Bei den Landtagswahlen in Sachsen wird es für ihn darum gehen, seinen Job zu verteidigen.

Der Morgen nach der Wahlnacht beginnt für Kretschmer in Berlin. Vor Reportern sagt er, die AfD-Wahlerfolge in Ostdeutschland erforderten von der Ampel-Koalition und auch von seiner eigenen Partei einen klaren Kurswechsel. Anschließend nimmt er an der Präsidiumssitzung der CDU teil.

Kretschmer auf der Veranstaltung der Kampagne "SPIN2030" des Sächsischen Wissenschaftsministeriums.
Kretschmer auf der Veranstaltung der Kampagne "SPIN2030" des Sächsischen Wissenschaftsministeriums. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Wie will Kretschmer im September gewinnen?

Es ist für Kretschmer keine neue Situation. Schon 2019 sah es vor der Landtagswahl nicht unbedingt gut aus für die sächsische CDU. Ähnlich wie jetzt ging die Stadtratswahl in Görlitz verloren, die Kreistagswahl auch, immerhin gewann CDU-Kandidat Octavian Ursu im zweiten Wahlgang die OB-Wahl in Görlitz. Der Unterschied zu damals: 2024 hat die AfD noch mehr Vorsprung als 2019. Vor fünf Jahren gelang Kretschmer, den Wahlkreis Görlitz gegen AfD-Kandidat Sebastian Wippel zu gewinnen. Der bekam jetzt bei der Stadtratswahl fast 23.000 Stimmen - noch mehr als die 17.000 vor fünf Jahren, und schon die waren zuvor nie gesehen bei einer Stadtratswahl. Die 23.000 Stimmen sind mehr als alle CDU-Kandidaten am Sonntag in Görlitz zusammen.

Doch kann Kretschmer dieses Jahr erneut das Steuer herumreißen? Worin liegen die Ursachen für das schwache Abschneiden der CDU bei den Europawahlen? Kretschmer sieht es so: "Das war aus meiner Sicht eine Protestwahl gegen die Bundesregierung." Das Wahlergebnis sei zum allergrößten Teil eine Abrechnung mit der Bundespolitik.

In Sachsen stünde am 1. September folgendes auf dem Spiel: "Es geht darum, ob wir in Thüringer Verhältnissen landen, mit einer Minderheitsregierung, wo niemand mehr etwas entscheiden kann." Dann ginge es nicht mehr voran.

Michael Kretschmer sieht die Europawahl als Protestwahl gegen die Bundesregierung.
Michael Kretschmer sieht die Europawahl als Protestwahl gegen die Bundesregierung. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Kretschmer sieht sich als "Schutzpatron" von Görlitz

Mit welcher Botschaft will Kretschmer die Görlitzer seines Wahlkreises am 1. September für sich begeistern? "Görlitz ist meine Heimatstadt. Hier bin ich aufgewachsen", sagt er. "Für Görlitz war ich in den letzten Jahrzehnten immer der Schutzpatron, und das bin ich auch gerne weiterhin."

Kretschmer steigt an diesem Montag erstmal in seinen Dienstwagen. Er muss weiter zu einer Regierungskonferenz, die er telefonisch aus dem Auto leiten wird. Das Regierungsgeschäft geht auch nach diesem Wahltag weiter.