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Görlitz hat eine neue Kinderärztin

Die Nieskyerin Ellen Kuscher kennt manche Patienten schon - von der Neugeborenenstation des Klinikums. Nun hilft sie, eine Kinderarztstelle zu erhalten.

Von Susanne Sodan
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Dr. Sören Schlichting hat Verstärkung bekommen durch Dr. Ellen Kuscher.
Dr. Sören Schlichting hat Verstärkung bekommen durch Dr. Ellen Kuscher. © Martin Schneider

Wenn der Kinderarzt Dr. Sören Schlichting und seine Mitarbeiterinnen bald in Urlaub gehen, wird in der Praxis keine Ruhe herrschen. In den zurückliegenden Wochen wurde bereits aus einem Büro ein viertes Sprechzimmer. Aber einige Umbauarbeiten stehen noch an, zum Beispiel im Wartebereich, erzählt Schlichting. Denn er hat Verstärkung bekommen: Dr. Ellen Kuscher ist die neue Kinderärztin in Görlitz, die Anfang Juli in der Rauschwalder Praxis angefangen hat. Sie übernimmt die kleinen Patienten der langjährigen Görlitzer Kinderärztin Dr. Marion Richter, die Ende März in Ruhestand gegangen ist.

Sören Schlichting hatte in den vergangenen Wochen deutlich mehr zu tun, als üblich. Denn zunächst hatte er zumindest einen größeren Teil der Patienten von Marion Richter mit behandelt. Dass jetzt Ellen Kuscher da ist, "merke ich auf jeden Fall", sagt er. "Ich freue mich, dass es geklappt hat."

Rettung einer Kinderarzt-Stelle

Görlitz und das Umland gelten - anders als bei den Hausärzten - im Kinderarzt-Bereich eigentlich nicht als unterversorgt. Laut Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung (KVS) arbeiteten im Frühjahr dieses Jahres 12 Kinderärzte im sogenannten Versorgungsbereich Görlitz/Niederschlesische Oberlausitz, elf von ihnen in Vollzeit. Nach dem KVS-Berechnungsschlüssel ergab das sogar eine Überversorgung. In Niesky ist jetzt der Allgemein- und Kindermediziner Dr. Dietrich Hartmann in Ruhestand gegangen. Für seine Allgemeinarzt-Stunden gibt es einen Nachfolger - nicht aber für die Kinderarztstunden. Wie der Versorgungsgrad jetzt lautet, konnte die KVS auf kurzfristige Anfrage noch nicht sagen, eine Unterversorgung dürfte jedoch nicht gelten.

Heißt auch: Ohne direkten Nachfolger wären mit der Praxis-Schließung von Marion Richter in Görlitz ihre Stunden weggefallen. Was Sören Schlichting nicht hinnehmen wollte. Tatsächlich sieht es in manchen Regionen, zum Beispiel im Bautzener Bereich schlechter aus mit der Kinderarzt-Versorgung. Doch eine Überversorgung kann Schlichting aus seinem Praxisalltag in Görlitz auch nicht gerade bestätigen. Bekannt ist, dass die theoretischen Berechnungen nicht immer zur Realität passen. "Ich dachte, irgendetwas müssen wir tun, wenn wir die Chance behalten wollen, nicht immer am Limit zu arbeiten", erzählte Schlichting im April gegenüber der SZ.

Er hatte bei der KVS angefragt, ob er die Stunden von Marion Richter mit übernehmen könnte. Da er freilich nicht für zwei arbeiten kann, benötigte er dafür eine zweite Ärztin oder einen Arzt. Er fragte bei Ellen Kuscher an.

Manche Patienten kennt die neue Kinderärztin schon

"Es war ein guter Start", fasst sie die ersten Wochen zusammen. "Ich bin gut aufgenommen worden." Für Ellen Kuscher ist die Arbeit in der Praxis etwas Neues und auch wieder nicht. Zu ihren ersten Patienten in Rauschwalde gehörte ein Zwillingspaar, das sie von früher kennt: Nachdem sie in Magdeburg promoviert hatte, arbeitete die heute 39-jährige Kinder- und Jugendmedizinerin früher in der Neugeborenenstation des Städtischen Klinikums Görlitz. So dürften ihr in Zukunft sicher noch einige kleine Patienten begegnen, die sie als Neugeborene schon behandelte. "Jetzt in der Praxis sind aber natürlich die Krankheitsbilder ganz andere als in der Klinik", erklärt sie. Zur Neugeborenenstation gehören beispielsweise Intensivplätze für Kinder, die als Frühchen zur Welt kamen.

Eine Arbeit, die Ellen Kuscher gerne machte, erzählt sie. Doch das Schichtsystem einer Klinik war für die zweifache Mutter schließlich nicht mehr das Richtige. 2020 wechselte sie zum Landkreis Görlitz in den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst. Ellen Kuscher lebt mit ihrer Familie in Niesky und war im Norden des Kreises beispielsweise zuständig für die Schuleingangsuntersuchungen oder Gutachten für Kinder, die eine besondere Förderung benötigen.

Entspannung für Görlitzer Kinderarzt-Lage

Und dann kam die Anfrage von Sören Schlichting. Ihn kennt sie aus ihrer Zeit vom Städtischen Klinikum, wo auch er früher gearbeitet hatte. Auch Praxis und das Personal in Rauschwalde kennt sie von früher, da sie bereits eine Urlaubsvertretung übernommen hatte. "Ich hatte schon eine Weile darüber nachgedacht, dass ich gerne wieder mehr behandeln möchte", mehr Praxis, im wahrsten Sinne. "Aber ich weiß nicht, ob ich den Schritt alleine gewagt hätte." Besonders eine Sache hatte sie umgetrieben: Selbständiger Arzt zu sein, bedeutet viel Bürokratie. "Davor hatte ich wirklich Bedenken." In der Rauschwalder Praxis ist Ellen Kuscher angestellte Ärztin, "dadurch komme ich um die bürokratischen Aufgaben ein bisschen drumherum", erzählt sie mit einem Lachen.

Insgesamt, so ist es gedacht, soll sich mit Ellen Kuschers Start die Lage in den Kinderarzt-Praxen in Görlitz etwas entspannen: Sie konnte erst im Juli beginnen, Marion Richter ging zu Ende März in den Ruhestand. In der Zwischenzeit galt die Regelung, dass ihre ehemaligen Patienten sich in dringenden Fällen auch an alle anderen Kinderärzte in der Stadt wenden konnten, quasi um das Patientenaufkommen etwas zu verteilen - bis Ellen Kuscher als Nachfolgerin startet.