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Görlitz

Ein Buch als Rückkehrer: Görlitzer Bruderschaft und ihr Rettungsversuch

In der Schatzkammerausstellung ist ein Buch zu sehen, das von Görlitz aus einige Stationen hatte, ehe es wieder nach Görlitz zurückkehrte.

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So sieht das Buch aus "Die Ritter des Tempels zu Jerusalem. Oder pragmatische Geschichte und Vertheidigung des Tempelherrn Ordens aus den bewährtesten Quellen gesammelt, 2 Bde., Leipzig, Weygandsche Buchhandlung 1790".
So sieht das Buch aus "Die Ritter des Tempels zu Jerusalem. Oder pragmatische Geschichte und Vertheidigung des Tempelherrn Ordens aus den bewährtesten Quellen gesammelt, 2 Bde., Leipzig, Weygandsche Buchhandlung 1790". © Görlitzer Sammlungen

Das Werk „Die Ritter des Tempels zu Jerusalem“ befindet sich seit 1947 in der Sammlung der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften. Ein Rundstempel auf dem Titelblatt in diesem Buch beweist eine frühere Zugehörigkeit zur Freimaurerloge „St. Johannis Loge zur gekrönten Schlange in Goerlitz 1764“. Das Schicksal des Buches ist eng mit der Geschichte der Loge verknüpft.


Seit Mitte des 18. Jahrhunderts bildeten die deutschen Logen eine exklusive und stabile Bruderschaft für die gehobene bürgerliche Gesellschaft. In Görlitz war die Loge „Zur gekrönten Schlange“ die älteste und größte. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich ihre Situation schlagartig. Aufgrund eines Erlasses von 1934 und Repressalien durch das NS-Regime wurde sie zur Selbstauflösung gezwungen. Ihre letzte Versammlung fand am 12. März 1934 im Logenhaus Kahle 21 (heute Haus Wartburg in der Johannes-Wüsten-Straße) statt.

Zu dieser Zeit zählte die Bruderschaft noch 183 Mitglieder. Um dem Entzug ihres Vermögens zuvorzukommen, schenkten die Logenbrüder das Grundstück dem Evangelischen Parochialamt. Schon im Herbst 1933 hatte der letzte Logenmeister Alwin Glätzner die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften (OLGdW) um Übernahme von Logenarchiv und Bibliothek gebeten, um diese "ungefährdet und unverletzt zu erhalten“. Die anfänglichen Zweifel des Präsidenten der OLGdW räumte eine Stellungnahme des Oberbürgermeisters aus, der die Schenkung für unbedenklich erklärte.

Die Abbildung zeigt den Rundstempel auf dem Titelblatt des Buches "Die Ritter des Tempels zu Jerusalem". Ersichtlich ist, dass dieses Buch ursprünglich der Freimaurerloge „St. Johannis Loge zur gekrönten Schlange in Goerlitz 1764“ gehörte.
Die Abbildung zeigt den Rundstempel auf dem Titelblatt des Buches "Die Ritter des Tempels zu Jerusalem". Ersichtlich ist, dass dieses Buch ursprünglich der Freimaurerloge „St. Johannis Loge zur gekrönten Schlange in Goerlitz 1764“ gehörte. © Görlitzer Sammlungen

Für den Sekretär Richard Jecht war wohl die Pietätspflicht gegenüber dem Stifter der OLGdW sowie der Loge Karl Gottlob von Anton (1751–1818) der maßgebliche Grund für die Übernahme. Da die Bibliothek der OLGdW keine öffentliche Einrichtung war, konnte freier über die Sammlungsgebiete bestimmt werden. Aus Sicht der Gesellschaft diente die Übernahme des Logenarchivs dem Erhalt historischer Quellen zur Stadtgeschichte. Im Frühjahr 1935 wurde das Schrifttum in zwei separaten Räumen eingelagert. Ein Vertrag oder eine Auflistung sind leider nicht überliefert.

Gestapo beschlagnahmte das Material

Trotz dieser Bemühungen entging die Logensammlung nicht dem Schicksal der meisten Freimaurerbibliotheken. Im September 1935 drang die Gestapo in das Gesellschaftshaus ein, beschlagnahmte das Material und versiegelte die Lagerräume. Selbst den Präsidiumsmitgliedern der OLGdW war der Zugang untersagt. Das von der Gestapo erstellte Inventar verzeichnete drei Bücherschränke mit etwa 850 Werken, zwei Aktenschränke sowie eine Porträtgalerie. Im November desselben Jahres wurde dort zusätzlich der Nachlass der aufgelösten Loge „Zur Morgenröte“ gestapelt. Bis Ende 1936 bleiben die Räume versiegelt. Danach wurden diese Bestände abtransportiert.

Ein Großteil der konfiszierten deutschen Logenbibliotheken ging an das Reichssicherheitshauptamt in Berlin. Die Bombenangriffe der Alliierten zwangen 1943 zur Auslagerung, unter anderem in das Schloss Schlesiersee bei Glogau. Im Januar 1945 holte man die Schlesiersee-Sammlung jedoch erneut nach Berlin zurück. Heute befinden sich die erhaltenen Görlitzer Logenbestände sowohl im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, als auch in der Masonica-Sammlung der Universitätsbibliothek in Posen.

1947 kamen zwei Titel der zwangsaufgelösten Loge als Schenkung an die Bibliothek der OLGdW. Es liegt nahe, dass sie als NS-Raubgut einzustufen sind. Momentan ist das Werk in der neuen Schatzkammerausstellung "Bücher. Eine Frage der Herkunft" im Barockhaus, Neißstraße 30, zu sehen.

Die Autorin dieses Beitrags Dr. Katarzyna Zinnow arbeitet in der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften am Forschungsprojekt zur Provenienzbestimmung der Zugänge von 1933 bis 1950.