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Vor der Wahl im Kreis Görlitz: Junge Kandidaten wollen viel bewegen

Neben vielen gestandenen Persönlichkeiten streben bei der Wahl am 9. Juni neue, junge Leute in die Stadt- und Gemeinderäte sowie in den Kreistag. Hier sind fünf von ihnen.

Von Sebastian Beutler & Steffen Gerhardt & Ingo Kramer
 10 Min.
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Von links: Philipp Eichler, Eva Metzker, Miriam Lange, Steve Grundig und Jean Carlo Gerstenberger stellen sich am 9. Juni zur Wahl.
Von links: Philipp Eichler, Eva Metzker, Miriam Lange, Steve Grundig und Jean Carlo Gerstenberger stellen sich am 9. Juni zur Wahl. © André Schulze

Der jüngste Bürgermeister: Philipp Eichler

Philipp Eichler (26, CDU) ist seit knapp zwei Jahren Bürgermeister der Stadt Rothenburg und will nun auch in den Kreistag.
Philipp Eichler (26, CDU) ist seit knapp zwei Jahren Bürgermeister der Stadt Rothenburg und will nun auch in den Kreistag. © André Schulze

Mit 21 Jahren ist Philipp Eichler der jüngste Fleischermeister Sachsens gewesen, mit 24 wählten ihn die Rothenburger im Juni 2022 mit stattlichen 68,1 Prozent der Stimmen zu ihrem Bürgermeister – natürlich zum jüngsten Bürgermeister im Kreis Görlitz. Für die CDU saß er dort schon zuvor im Stadtrat. Am 1. August 2022 begann seine Arbeit als hauptamtlicher Bürgermeister. Dafür gab er seinen Job als Fleischermeister auf. Im Rathaus löste er Heike Böhm ab, die zwei Legislaturperioden, also 14 Jahre, die Bürgermeisterin der Kleinstadt war.

Jetzt, mit 26 Jahren, will Philipp Eichler für die CDU in den Kreistag gewählt werden. Dafür kandidiert er zum ersten Mal. Bürgermeister bewerben sich dafür meistens, sagt er: "Und für mich war es eine Selbstverständlichkeit, mich zu bewerben." All seine Vorbilder hätten das auch so praktiziert. An erster Stelle nennt Eichler hier den langjährigen Kodersdorfer Bürgermeister René Schöne: "Er hat den Landkreis 30 Jahre lang mitgestaltet – und Kodersdorf hat sich in dieser Zeit sehr positiv entwickelt." Schon deshalb sei Schöne ein Vorbild: "Wir wollen uns als Rothenburg auch so entwickeln mit unseren Ortsteilen."

Doch Eichler stellt auch klar, dass er nicht für den Kreistag kandidiert, um dort Rothenburger Interessen durchzusetzen. "Wir müssen als Landkreis viel mehr zusammenwachsen", sagt er stattdessen. Da brauche es Einigkeit. Zudem müsse das Gleichgewicht zwischen dem Norden und dem Süden des großen Kreises gehalten werden. Und generell müsse es im Kreistag um die Sache gehen und nicht länger um Parteizugehörigkeiten, so wie das bis jetzt üblich gewesen sei.

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Ein Schwerpunktthema, das der junge Bürgermeister sieht, ist die Weiterentwicklung der Kreisstraßen: "Die infrastrukturelle Anbindung der Region gehört zu den wichtigsten Dingen überhaupt." Und auch hier will er sich nicht auf eine konkrete Straße festlegen, die für Rothenburg von besonderer Wichtigkeit ist, sondern es geht ihm um die Kreisstraßen im Allgemeinen. Daneben seien Gesundheit und Zivilschutz für ihn auf Kreisebene wichtige Themen, außerdem Schulbildung und die Beschilderung von Straßen, auch innerorts: "Da will ich mitgestalten." Wichtig ist ihm als Handwerksmeister auch, für vieles unbürokratische Lösungen zu finden. Und das Thema Kreisumlage: "Ich will, dass diese möglichst nie wieder erhöht wird."

Die Görlitzer Sozialarbeiterin: Eva Metzker

Eva Metzker (27, Bürger für Görlitz) möchte in den Görlitzer Stadtrat und in den Kreistag einziehen.
Eva Metzker (27, Bürger für Görlitz) möchte in den Görlitzer Stadtrat und in den Kreistag einziehen. © Martin Schneider

Für den Fototermin hat sich Eva Metzker ganz bewusst die Bank an der Ecke Sohr-/Blumenstraße in Görlitz ausgewählt. Sie sitzt gern auf der Bank. Der Bürgerrat hat sie aufgestellt. "Das war für mich so ein Aha-Moment, was passieren kann, wenn man sich einbringt. Darauf habe ich Lust", sagt die 27-Jährige. Geboren und aufgewachsen in Dresden, machte sie dort 2015 ihr Abitur und ging dann für kurze Zeit nach Leipzig.

Doch schon 2016 oder 2017 ist sie für eine Beziehung nach Görlitz gekommen – und geblieben. Hier hat sie Soziale Arbeit studiert und nach dem Abschluss für fast viereinhalb Jahre beim Landkreis gearbeitet – als Koordinatorin für die Schulsozialarbeit. Zum 1. April dieses Jahres ist sie zur Stadtentwicklungsgesellschaft Steg gewechselt und ist dort für die Region Kottmar im Regionalmanagement tätig: "Da geht es darum, wie man Dörfer und Regionen lebenswerter machen kann." Privat aber wohnt sie mit ihrer Familie in Görlitz-Biesnitz.

Politisch interessiert sei sie eigentlich schon immer gewesen, sagt Eva Metzker. Auch bei Demos und thematischen Aktionen sei sie präsent gewesen – vor allem im sozialen Bereich. Politisch aktiv im organisierten Sinne aber war sie bis jetzt nicht. Voriges Jahr hat sie sich umgeschaut, wo sie sich einbringen könnte, hat sich dazu über verschiedene Angebote informiert. "Das ist wie auf dem Dating-Markt", sagt sie. Am Ende hat sie sich für die Bürger für Görlitz (BfG) entschieden, mit denen sie im Sommer 2023 erstmals ins Gespräch kam. Das sei kommunikativ und thematisch sehr passend gewesen, sagt sie: "Dort habe ich mich gleich wohl und aufgenommen gefühlt." Jetzt kandidiert sie sowohl für den Stadtrat als auch für den Kreistag. Dass sie bei den BfG die einzige wirklich junge Kandidatin ist, habe sie vorher nicht gewusst. Und es störe sie auch nicht: "Ich fühle mich da nicht als Exot." Sie ist bis jetzt auch nicht Mitglied der BfG, sondern kandidiere auf deren Liste.

Wenn sie gewählt wird, will sie sich vor allem bei den Themen aktiv einbringen, mit denen sie sich aufgrund ihres Alters und ihres Berufes auskennt: Jugend, Soziales und Bildung, aber auch beim Thema Image der Region und Regionalentwicklung. In andere Themen könne sie hineinwachsen. Gerade mit Görlitz-Themen wolle sie sich sehr intensiv befassen, sich damit auseinandersetzen.

Großvaters Nachfolger: Jean Carlo Gerstenberger

Jean Carlo Gerstenberger (18, Bürger für Kreba-Neudorf) kandidiert für den Gemeinderat von Kreba-Neudorf.
Jean Carlo Gerstenberger (18, Bürger für Kreba-Neudorf) kandidiert für den Gemeinderat von Kreba-Neudorf. © André Schulze

Der Großvater geht und der Enkel nimmt seinen Platz im Gemeinderat Kreba-Neudorf ein. So könnte es mit der Wahl am 9. Juni passieren. Jean Carlo Gerstenberger dürfte mit seinen 18 Jahren der jüngste Kandidat im nördlichen Landkreis sein, der für ein Kommunalparlament kandidiert. "Den Entschluss, mich zur Wahl zu stellen, habe ich selbst gefasst, ohne meinen Großvater", sagt der Krebaer. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch seine Tante Yvonne Mirle dem Gemeinderat angehört und sich ihrer Wiederwahl stellt.

Carlo, wie er nur genannt wird, macht sein Abitur am Berufsschulzentrum in Görlitz. Danach möchte er gern Maschinenbau studieren. "Möglichst nicht so weit weg", betont er. Denn seinem Heimatdorf will er die Treue halten und vor allem etwas dafür tun. Deshalb hat er sich der Wählergemeinschaft "Bürger für Kreba-Neudorf" angeschlossen. Auch sein Großvater gehört den "Bürgern" an. "Für mich ist er ein Vorbild. Nicht nur weil er neben dem Gemeinderat auch bei der Feuerwehr und im Sport aktiv ist, sondern auch ein Lokalpatriot ist."

Dem will der Enkel gern nacheifern. Im Sport hat er das schon erreicht. Bei der Sportgemeinschaft spielt er Fußball in der Herrenmannschaft. "In der Gemeinde ist schon viel für den Sport getan worden, bis hin zu einer neuen Turnhalle." Als Gemeinderat möchte er all diese Errungenschaften erhalten und darauf aufbauen. Aber auch selbst etwas zurückgeben. Zum Beispiel als ehrenamtlicher Helfer beim jährlichen Sommer-, Sport- und Parkfest.

Das Gemeindeleben mitzugestalten, daran hat der junge Mann bereits seinen Anteil. Seit Gründung ist er Mitglied im Zukunftsausschuss der Gemeinde. Dieser setzt sich für die Belange von Kindern und Jugendlichen ein und soll künftig als gewählter Beirat den Gemeinderäten beratend zur Seite stehen. Jüngste Errungenschaft ist das Anschaffen einer Freikegelbahn in Kreba. In diesem Ausschuss reifte die Idee, sich um einen Sitz im Gemeindeparlament zu bewerben. "Ich wurde darauf hin angesprochen, und das passt zu meinem Bestreben, für das Dorf etwas zu tun", sagt der politisch interessierte junge Mann.

Was auf Bundesebene passiert, das verfolgt er interessiert mit. Schließlich beeinflusst das auch sein Leben. Genauso wie lokale Themen. Als Berufsschüler hat er so seine Not mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Kreba nach Görlitz und wieder zurückzukommen. Die Bahn baut auf der Strecke und der Schienenersatzverkehr ab Mücka fährt nur alle zwei Stunden.

Die Abiturientin von den Linken: Miriam Lange

Miriam Lange (20, Die Linke) ist die jüngste Kandidatin für den Görlitzer Stadtrat.
Miriam Lange (20, Die Linke) ist die jüngste Kandidatin für den Görlitzer Stadtrat. © Martin Schneider

Miriam Lange ist gerade 20 Jahre alt geworden und damit die jüngste Kandidatin für den Görlitzer Stadtrat. Geboren und aufgewachsen in Görlitz, wollte sie nie weg: "Ich find´s toll hier." Die Südstädterin machte ihren Zehnte-Klasse-Abschluss an der Oberschule Rauschwalde und jetzt, im Frühsommer 2024, ihr Abitur am Beruflichen Gymnasium in Löbau. Wenn alles klappt, will sie ab Herbst in Görlitz Soziale Arbeit studieren.

"Politisch interessiert war ich von klein auf", sagt Miriam Lange: "Vor allem ab 2015, als es so stark mit der AfD anfing." Das frühe Interesse resultiert auch daher, dass drei ihrer vier Geschwister älter sind als sie: "Da hört man, was los ist, und fängt früh an, sich eine Meinung zu bilden." 2020 entschied sie aktiv, sich politisch zu engagieren: "Damals passierte viel mit Fridays for future, das fand ich sehr gut."

Zu den Grünen ging sie trotzdem nicht, sondern zur Linksjugend: "Die war erreichbarer, es gibt jede Woche ein festes Plenum, zu dem jeder eingeladen ist, und sie hat eine gute Social-Media-Präsenz." Von der Linksjugend kam sie zur Linkspartei und für diese will sie nun in den Stadtrat einziehen.

Wird sie gewählt, will sie sich für drei "Herzensthemen" einsetzen: Jugendbeteiligung, Unterstützung der LGBTQ-Community und Inklusion. LGBTQ ist die englische Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Queer (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und nicht heterosexuell). Diese drei Themen liegen ihr so persönlich am Herzen, weil sie selbst jung und bisexuell ist und es in ihrer Familie mehrere Autisten gibt, die im Alltag viele Hindernisse zu bewältigen haben. "Beim Thema Jugendbeteiligung kann ich im Stadtrat sicher viel bewirken, bei den anderen beiden Themen zumindest für Aufklärung sorgen", sagt Miriam Lange. Familie und Freunde stehen voll hinter ihr und dem Wahlkampf.

Der grüne Firmenberater: Steve Grundig

Steve Grundig (34, Bündnis 90/Die Grünen) tritt für den Görlitzer Stadtrat und den Kreistag an.
Steve Grundig (34, Bündnis 90/Die Grünen) tritt für den Görlitzer Stadtrat und den Kreistag an. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Wenn schon, dann aber richtig. Sagte sich Steve Grundig. Und so steht der Name des 34-Jährigen nicht nur auf dem Stimmzettel zur Stadtratswahl in Görlitz und zur Kreistagswahl im Zittauer Wahlkreis, sondern auch am 1. September auf der grünen Liste für den Landtag in Dresden.

Dresden, Zittau und Görlitz – das sind auch die Wegmarken der vergangenen Jahre für den Nachhaltigkeitsmanager, der ursprünglich aus Bergen auf der Insel Rügen stammt, dort auch aufwuchs, aber zum Studium nach Dresden ging. BWL büffelte er an der TU Dresden, um sich anschließend am IHI in Zittau auf Fragen der Unternehmensethik und der Nachhaltigkeit zu spezialisieren.

Noch zu Studienzeiten in Dresden gründete er mit Kommilitonen eine Beratungsfirma: plant values, auf Deutsch Betriebswerte. Das ist nun fast zehn Jahre her. Mittlerweile sind sie fünf Mitarbeiter und zwei Trainer, beraten Unternehmen, aber auch große Sozialverbände. "Die Unternehmen sind für Fragen ihrer Werte und Kultur offener geworden", sagt Grundig. Sicher auch unter dem Druck der Mitarbeiter. Die Attraktivität von Arbeitgebern – und darum geht es im Kern bei Grundigs Beratung – spielt heute eine deutlich größere Rolle als noch vor Jahren.

Steve Grundig lebt seit fünf Jahren in Görlitz, das Wohnen in der Stadt hat er zunächst auf Probe bei der gleichnamigen Aktion kennengelernt. "Eine bessere Einladung in die Stadt gibt es nicht", ist er überzeugt. Er blieb auch danach, schätzt familiäre Strukturen, schnelle Bindungen und auch offene Netzwerke. Jemanden schnell treffen, sei in Görlitz kein Problem.

Aus seiner Zittauer Studienzeit sind neben der Leidenschaft fürs Wandern auch die Kontakte zu den Grünen im Süden des Kreises geblieben. Ende 2016 trat er der Partei bei, unter dem Eindruck des Wahlerfolgs von Donald Trump in Amerika und der Brexit-Abstimmung in Großbritannien. "Ich fand, da kam etwas ins Rutschen und dagegen reichte es nicht mehr, nur zu diskutieren".

Die Grünen waren ihm sympathisch, weil sie im Zweifel doch bei ökologischen Fragen vorn sind. So wurde er in der Partei schnell heimisch, schätzt auch den Austausch mit Landes- oder Bundespolitikern, um Entscheidungen in Dresden, Berlin oder Brüssel besser zu verstehen. Dass ein Sitz im Stadtrat Görlitz nicht nur vergnügungssteuerpflichtig ist, ist ihm durchaus bewusst. Aber die Stadt klimaneutral zu gestalten, reizt ihn stärker.