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Görlitz: Scheidender Landrat feiert Richtfest im Neubau

Bernd Lange hatte dabei den schweißtreibendsten Job des Tages. Er verteidigte noch einmal den umstrittenen Bau in Görlitz.

Von Matthias Klaus
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Landrat Bernd Lange (links) schlägt beim Richtfest des neuen Landratsamtes in Görlitz einen Nagel in einen Balken. Rechts: Maik Seeliger von Holzbau Seeliger.
Landrat Bernd Lange (links) schlägt beim Richtfest des neuen Landratsamtes in Görlitz einen Nagel in einen Balken. Rechts: Maik Seeliger von Holzbau Seeliger. © Martin Schneider

Bei 49 ist erst einmal Schluss. Landrat Bernd Lange setzt die Axt ab. 49 Schläge auf einen Nagel im Holzbalken und der Nagel schaut immer noch gut zur Hälfte raus. Ja, dass das ein eher schwieriger Job werden würde, das hat der Landrat schon geahnt. "Aber wenigstens", sagt er, "wurde der Nagel nicht vorher erwärmt." Das machen manche Bauleute, um den Bauherren ein bisschen zu ärgern, gerade bei Richtfesten. Ein erhitzter Nagel verformt sich eher. In dem Fall nicht, aber trotzdem hat Bernd Lange alle Mühe.

Das Bemühen des Landrats, den Nagel durch den Balken zu schlagen, es steht fast sinnbildlich für das Bemühen der Kreisspitze, den Bau zwischen Salomon-, Bahnhof- und Berliner Straße zu verwirklichen.

Es sei ihm durchaus bewusst, so der Landrat am Freitag, dass das Vorhaben "draußen" für Diskussionen sorgen würde. "Draußen", das ist die Bevölkerung des Kreises, die wie auch manche politische Vertreter in den vergangenen Jahren etwas misstrauisch darauf schauten, was dort in Görlitz an Neuen auch aus Altem entsteht und welche Auswirkungen es auf die bisherigen Außenstellen des Landratsamtes im gesamten Kreis haben würde. "Ich weiß, dass manche fragen: Brauchen wir das überhaupt?", so der Landrat. Zum Konzept des neuen Landratsamtes gehören zudem Bürgerbüros in allen früheren Kreisstädten, damit es die Bürger für alltägliche Anträge oder Probleme auch nach der Zusammenziehung des Landratsamtes in Görlitz nicht weiter als bislang haben, beispielsweise zum Jugend- und Sozialamt oder zur Kfz-Anmeldung.

Der Landrat ist sich für Görlitz sicher: "Wir verbrennen hier kein Geld." Die Kinder und Kindeskinder werden den Neu- und Ausbau am Ende beurteilen müssen, sagt er. Dass das Projekt auch für die Kreisräte eine Herausforderung sein würde, sei ihm bewusst. Immerhin gab der Kreistag mehrheitlich seine Zustimmung zu den Plänen, die Räte mussten und müssen es immer noch nach außen hin vertreten.

Zeremonie in luftiger Höhe

Mit ihm hat Maik Seeliger vom gleichnamigen Holzbau aus Berthelsdorf ein Erbarmen. Er biegt den doch etwas krummen Nagel im Balken wieder zurecht. Für die Zeremonie des Richtfestes hat sich das Landratsamt nicht lumpen lassen. War es in der Vergangenheit doch schwer, wenn nicht gar unmöglich für die Öffentlichkeit, die Medien die Baustelle zu besichtigen, wurde nun der Nageleinschlag in das oberste Geschoss eines der Altbauten auf der Berliner Straße geladen. Landrat Bernd Lange warnt zwischen zwei Axtschlägen noch, ja nicht hinter die Absperrungen zu treten: "Die Absperrbänder sind nicht ohne Grund da."

Der Kran mit der Richtkrone schwebt über dem neuen Landratsamt in Görlitz.
Der Kran mit der Richtkrone schwebt über dem neuen Landratsamt in Görlitz. © Martin Schneider

"Das neue Landratsamt", sagt er, ist auch eine Art Wirtschaftsförderung. Geld komme von außen, also vom Freistaat. Davon wiederum würden die Baufirmen hier in der Region profitieren. Allein aus Mitteln des Kreises und der Stadt Görlitz hätte das Vorhaben nicht gestemmt werden können.

Wobei ja vor allem auch die Stadt Görlitz von dem Neu- und Umbau profitieren soll. Das Quartier auf der Bahnhofstraße und auf der oberen Berliner Straße soll mit dem Landratsamtsbau aufgewertet werden, das "Eingangstor" vom Bahnhof her für Görlitz neu gestaltet sein.

Für den Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu ist es daher eine "Selbstverständlichkeit", dass er hinter dem Vorhaben steht. Er ist selbst Kreisrat. "Das es eine Mehrheit der Kreisräte für das Projekt gibt, ist hingegen keine Selbstverständlichkeit", sagt er.

Landrat Bernd Lange hat inzwischen am Balken die Seiten gewechselt. Vielleicht geht es von der anderen Seite ja besser mit dem Nagel voran. Maik Seeliger zählt immer noch die Schläge. Nicht jeder trifft den Kopf des Nagels.

Bau wurde teurer als gedacht

Insgesamt kostet die Erweiterung des Landratsamtes aktuell um 69 Millionen Euro für Alt-, Neubau und Tiefgarage. Der Kreis rechnet mit Fördermitteln von 59,3 Millionen Euro. Die Eigenmittel berechnet der Kreis derzeit mit 9,6 Millionen Euro – bei den Altbauten mehr als gedacht, beim Neubau weniger. „Wir sind nicht böse, wenn wir etwas Luft bei den Eigenmitteln haben, da wir im Haushalt keine Luft haben“, sagte Beigeordneter Thomas Gampe im Vorfeld der SZ. Außerdem sei nicht klar, wie sich die Baupreise bis 2025 entwickeln.

Bis 2023, so ist jetzt der Stand der Dinge, sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Ein sportliches Vorhaben. Anfang 2024, so die Pläne, erfolgt der Umzug der Mitarbeiter in die neuen Räumlichkeiten. Den Anfang macht das Jobcenter des Kreises. Es soll auf die Salomonstraße ziehen.

Landrat Bernd Lange müht sich derweil immer noch mit seinem Nagel ab. Fast ist er drin, aber eben noch nicht ganz. Maik Seeliger greift wieder ein. Er wird später auch den Richtspruch für das Haus verlesen und ein Sektglas an der Wand zerdeppern. Aber erst einmal muss der Nagel ganz rein. Landrat Bernd Lange, inzwischen im Gesicht sichtlich gerötet, macht weiter.

Wäre er nicht selbst gern mit in das neue Haus gezogen? Bernd Lange lacht. "Natürlich, wer wäre das denn nicht", sagt er. Seine Amtszeit läuft aber in diesem Jahr ab. Derzeit laufen die Wahlkämpfe der potenziellen Nachfolger.

"Wir hatten gehofft, eher mit dem Neu- und Umbau fertig zu sein", sagt Bernd Lange. Leider habe es nicht geklappt. Maik Seeliger hat inzwischen 100 Schläge gezählt und biegt wieder am Nagel herum. Landrat Bernd Lange holt zu den finalen Schlägen aus. Bei 115 hat er es geschafft. "Ich bin durch", sagt er und meint in dem Fall den Nagel, der unten aus dem Holzbalken lugt.