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Kreis Görlitz ist Spitzenreiter bei Krankschreibungen

In keiner anderen Region Sachsens sind Arbeitnehmer so oft krank wie hier. Bundesweit gehen Fehltage zurück. Hier steigt die Zahl weiter.

Von Matthias Klaus
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Rückenschmerzen können auch von Stress auf Arbeit ausgelöst werden.
Rückenschmerzen können auch von Stress auf Arbeit ausgelöst werden. © dpa

Laut der Krankenkasse Barmer sind die Fehlzeiten im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um fast einen Tag gestiegen. „Rund 21,9 Tage fehlten Beschäftigte 2021 krankheitsbedingt im Job", sagt Ronny Scharntke, Regionalgeschäftsführer der Barmer in Görlitz. Sachsenweit sind die Arbeitnehmer im Landkreis damit Spitzenreiter.

Im Jahr 2020 seien die Erwerbstätigen im Kreis Görlitz noch auf durchschnittlich 21,1 Fehltage gekommen. Bundesweit hingegen seien die Fehltage von 18 Tagen im Jahr 2020 auf 17,5 Tage im Jahr 2021 zurückgegangen. „Auch während der Corona-Pandemie waren es die altbekannten Volkskrankheiten, wie zum Beispiel Rückenschmerzen und Depressionen, die für die meisten Fehlzeiten sorgten“, so Ronny Scharntke.

In Görlitz sorgten Muskel-Skelett-Erkrankungen, mit rund 4,5 Fehltagen je Beschäftigten, für die insgesamt meisten Ausfälle. 2020 waren es allerdings noch 5,1 Tage. Allein die Diagnose Rückenschmerzen verursachte im Durchschnitt 1,2 Fehltage je Erwerbsperson. „Acht von zehn Menschen leiden unter Rückenschmerzen, obwohl sich keine Krankheitsursache feststellen lässt. Oftmals sind fehlende Bewegung und Stress schuld. Dabei sind Rückenschmerzen nicht nur eine Frage einer rückengerechten Belastung, sondern auch des persönlichen Lebensstils“, sagt Ronny Scharntke. Die Nationale Bewegungsempfehlung rate Erwachsenen, sich mindestens 150 Minuten pro Woche, zum Beispiel fünfmal 30 Minuten, zu bewegen.

Rückenschmerzen dominieren

Mit rund vier Fehltagen je Beschäftigten seien psychische Erkrankungen in Görlitz der zweithäufigste Grund für eine Krankschreibung gewesen. Insbesondere Depressionen, Angststörungen und Reaktionen auf sonstige Belastungsstörungen seien von Ärzten diagnostiziert worden. Sachsenweit habe es nur im Leipziger Landkreis ebenso viele Betroffene gegeben. 2020 lag die Anzahl bei dieser Erkrankungsart in Görlitz noch bei drei Fehltagen.

„Ob die zusätzlichen seelischen Belastungen durch Pandemie und Lockdowns ursächlich für den Anstieg psychischer Erkrankungen im Jahr 2021 sind, lässt sich mit Krankenkassendaten allein nicht feststellen. Schon vor der Corona-Pandemie haben die Krankschreibungen wegen psychischen Erkrankungen geschlechterübergreifend zugenommen“, sagt Ronny Scharntke. Regional zeichnet sich nach den Auswertungen des Barmer-Gesundheitsreports ein sehr unterschiedliches Bild ab.

Kreis Bautzen folgt Kreis Görlitz

Der Krankenstand in Sachsen lag im Jahr 2021 bei 5,36 Prozent. Beschäftigte in Sachsen fehlten durchschnittlich 19,6 Tage im Job, bundesweit waren es nur 17,5 Fehltage je Erwerbstätigen. Nach dem Kreis Görlitz folgen in Sachsen der Kreis Bautzen und die Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit je 21,2 Fehltagen, Mittelsachsen mit 21 Fehltagen. Die wenigsten Arbeitsunfähigkeitstage im Land gab es in Leipzig mit 17,1 Fehltagen und Dresden mit 17,2 Fehltagen.

Das Ausbleiben der Grippewelle im vergangenen Jahr hatte im Freistaat offensichtlich keine Auswirkungen auf den Krankenstand. Im bundesdeutschen Durchschnitt sank er laut Barmer von 4,92 auf 4,79 Prozent. In Sachsen allerdings blieb er überdurchschnittlich hoch. 2020 und auch 2021 lag er bei 5,36 Prozent. Das heißt, an einem durchschnittlichen Kalendertag waren von 1.000 Erwerbspersonen rund 54 krankgeschrieben.

Eine mögliche Ursache für den hiesigen hohen Krankenstand könne laut Barmer auch in der Beschäftigungsstruktur liegen. So habe Sachsen nach Angaben der Arbeitsagentur deutschlandweit die höchste Beschäftigungsquote bei Frauen. Die meisten von ihnen seien im Gesundheitswesen, in sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen sowie im Handel beschäftigt. Weiterhin seien viele Erwerbstätige laut Aussagen der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH in den Berufsbranchen des Metall- und Maschinenbaus sowie den daran angeschlossenen Logistik- und Lagerwirtschaftsbranchen tätig. Erwerbstätige in diesen Berufen sind vielfach körperlichen Belastungen ausgesetzt und dadurch anfälliger für Muskel-Skelett-Erkrankungen.

Unternehmen sollen helfen

"Unternehmen sollten einen wichtigen Beitrag für bessere Arbeitsbedingungen leisten, indem sie stärker in ihr betriebliches Gesundheitsmanagement investieren,“ fordert Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der Barmer Sachsen. Die gesetzlichen Krankenkassen stünden hierfür als Partner zur Verfügung.

Deutschlandweit sind Krankschreibungen in diesem Jahr ein Problem. Laut einer Studie der Betriebskrankenkassen (BKK) stieg die Zahl in den ersten sechs Monaten des Jahres auf einen Rekordwert. Im Durchschnitt hätten demnach an einem Arbeitstag 5,7 Prozent der Beschäftigten krankheitsbedingt gefehlt. Noch nie seien laut BKK die Zahlen seit 2011 so hoch gewesen.