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Der Mann mit dem Werkzeugkoffer: Meuselwitzer hilft, wo er nur kann

Harry Zeuge wurde im sächsischen Landtag für sein jahrzehntelanges Engagement geehrt. Der 67-Jährige wird sich die Urkunde aber nicht ins Wohnzimmer hängen.

Von Constanze Junghanß
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Harry Zeuge trifft man eher selten auf seinem Sofa an. Meist ist er mit seinem dunklen Golf im Ort unterwegs, um anderen zu helfen.
Harry Zeuge trifft man eher selten auf seinem Sofa an. Meist ist er mit seinem dunklen Golf im Ort unterwegs, um anderen zu helfen. © Constanze Junghanß

Als sich im Sommer 2022 die Flammen mit verheerender Kraft von der Böhmischen in die Sächsische Schweiz fraßen, wollte Harry Zeuge bei den Löscharbeiten helfen. Der heute 67-Jährige wurde jedoch gebeten, die Einsatzbereitschaft zu Hause abzusichern. Da wurde er, der den LKW-Feuerwehrschein kurz vor Beginn des Renteneintritts noch einmal erneuert hatte, gebraucht. Harry Zeuge, der seit 50 Jahren aktive Feuerwehrmann aus dem Meuselwitzer Ortsteil Lehdehäuser, blieb und drückte den anderen Wehrleuten fest die Daumen, dass sie heil wieder nach Hause kommen.

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Still sitzen kann der „Hansdampf in allen Gassen“ aber nicht. Braucht jemand Hilfe, ist Not am Mann bei kleinen Reparaturen, müssen Tische für das Kita-Fest getragen, die Rosenrabatte am Dorfgemeinschaftshaus Meuselwitz gepflegt, der Schnee geschippt oder der Rasen vom Sportplatz gemäht werden: Harry Zeuge ist immer da. Der Mann mit dem stets vorhandenen Werkzeugkoffer, wie ihn manche Einheimische scherzhaft-liebevoll nennen. Auch als Obmann im Fußballverband Oberlausitz ist der Meuselwitzer, der früher aktiv Fußball spielte, nicht wegzudenken. Ein Ehrenamtler, wie er im Buche steht.

Großes Lob will der ehemalige Kfz-Meister, der bis zur Pensionierung in einem Görlitzer Autohaus gearbeitet hat, aber nicht hören. Sein Engagement an die „große Glocke“ zu hängen, ist nicht sein Ding. Er freut sich vielmehr darüber, durch sein Tun mit vielen Menschen in Kontakt zu stehen und über das kleine gesprochene „Dankeschön“ derjenigen, die er so gern unterstützt. Braucht jemand den Schlüssel von Sportplatz oder Feuerwehr, sind die Meuselwitzer bei Harry Zeuge an der richtigen Adresse. Die Schlüssel verwahrt der Vater eines erwachsenen Sohnes und Großvater von zwei Enkeltöchtern gleichfalls ehrenamtlich.

Auch die Ukrainehilfe profitiert

Und wenn irgendwo im Dorf mal etwas kaputtgeht, ist der Unruheständler mit dem Hammer, dem Schraubenzieher, der Säge – je nachdem, was benötigt wird - fix zur Stelle. So reparierte er beispielsweise die Kleiderständer bei der Ukrainehilfe, sorgt für Ordnung auf dem Friedhofsgelände, geht dem Tischler zur Hand, wenn der die Kirchentür auf Vordermann bringt. Ein Nein, wenn der Ehrenamtler um Hilfe gebeten wird, kommt nie aus Harry Zeuges Mund.

Nun ist die Staatsregierung auf den Rentner, der sich so stark im Ort und darüber hinaus engagiert, aufmerksam geworden. Harry Zeuge gehört zu den 57 ausgezeichneten Ehrenamtlichen sachsenweit, die Anfang Dezember im Plenarsaal des Sächsischen Landtages von Sozialministerin Petra Köpping und Landtagsvizepräsidentin Andrea Dombois für ihr großes Engagement gewürdigt wurden. In ihrer Rede betonte Köpping unter anderem: „Die schwierigen Zeiten und damit einhergehend die Sorge um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft bewegen uns nach wie vor. Umso mehr freut es mich, dass wir die Menschen in den Mittelpunkt unseres Ehrenamtsempfangs stellen, die vor Ort einfach da sind und mit anpacken.“ Ehrenamtliche bereicherten das Leben ihrer Mitmenschen, hieß es da auch. Eine Urkunde mit anerkennenden Worten gab es für Harry Zeuge - und eine rote Rose. Die steht jetzt auf dem Küchentisch. Die Urkunde ins Wohnzimmer an die Wand hängen will er nicht. „Sie wird im Schubfach gut aufbewahrt“, sagt er schmunzelnd.

Ehefrau ist auch ehrenamtlich aktiv

Gerechnet hatte Harry Zeuge mit dieser Würdigung keinesfalls, war „sehr überrascht über den Brief aus dem Staatsministerium.“ Doch er hat sich gefreut, wie er sagt. Und mit ihm seine Monika, seine Frau, die immer an seiner Seite steht, sich gleichfalls ehrenamtlich im Dorf einbringt und Mitglied des Kirchengemeinderates ist. Monika Zeuge begleitete ihren Mann nach Dresden. „Ich war fast mehr aufgeregt als Harry“, sagt sie.

Besonders freute sich das Ehepaar über die Schüler des Gymnasiums Dresden-Bühlau, deren Crossover-Ensemble die Auszeichnungsveranstaltung musikalisch begleitete. Im Rahmen eines Unterrichtsprojektes erarbeiteten die Schüler zudem die Laudatio für fünf in Dresden geehrte Ehrenamtler. Dazu gehörte Harry Zeuge, der im Vorfeld von einem Schüler telefonisch dazu befragt wurde. Der Gymnasiast notierte über ihn unter anderem: „Er ist ein Superheld, weil er die Werte unserer Gemeinschaft von Solidarität, Nächstenliebe und Verantwortung jeden Tag aktiv lebt.“

Die Meuselwitzer haben Glück, einen so engagierten Mann in ihrem Ort wohnen zu haben. Das ist den Einwohnern auch bewusst. So heißt es seitens des Ortschaftsrates: „Keine Institution in Meuselwitz kommt ohne Harry aus. Sei es der Sportverein, die Feuerwehr, die Kirchgemeinde – Harry hilft, wo er nur kann und kaum ein Tag vergeht, an dem sein dunkler Golf nicht im Ort steht.“