Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Görlitz

Görlitzer Zoo-Chef denkt an Schließung

Die Besucherzahlen im Tierpark sind dramatisch eingebrochen. Die Stadt erhöht die Zuschüsse. Ob es reicht, weiß Sven Hammer heute noch nicht.

Von Matthias Klaus
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Weiß derzeit nicht so recht, ob und wie es mit dem Tierpark Görlitz weitergeht: Chef Sven Hammer.
Weiß derzeit nicht so recht, ob und wie es mit dem Tierpark Görlitz weitergeht: Chef Sven Hammer. © Tierpark Görlitz

Es ist einer dieser schönen Sommertage in der vergangenen Woche. Im Görlitzer Tierpark tummeln sich vor allem Familien mit Kindern, die Eltern haben alle Mühe, die Sprösslinge im Zaum zu halten. Ein perfekter Tag also für Tierparkdirektor Sven Hammer? Der winkt nur ab.

"Wenn wir 100 solcher Tage hätten und dazu noch 50, an denen der Tierpark richtig voll ist, dann würde es uns gut gehen", sagt er. Derzeit sieht es aber danach nicht aus, im Gegenteil. "Es sieht schlecht aus", sagt Sven Hammer.

Kein Vergleich der Zahlen zu Vor-Corona-Zeiten

Der Vergleich mit Vor-Corona-Zeiten ist schon fast ein wenig unseriös. Um diese Zeit im Jahr 2019 hatte der Görlitzer Tierpark etwa 70.000 Besucher gezählt. Im gleichen Zeitraum dieses Jahr waren es etwa 30.000 Gäste. "Selbst im vergangenen Corona-Jahr kamen noch mehr Besucher. 2020 waren es bis zu diesem Zeitpunkt etwa 45.000", schildert Sven Hammer. Von Zahlen wie 2019 kann er nur träumen. Damals besuchten im gesamten Jahr 156.045 Gäste den Tierpark. Es war das beste Ergebnis nach dem gesellschaftlichem Umbruch 1989.

Ein Lieblingsplatz der Besucher: die Känguruanlage im Tierpark Görlitz.
Ein Lieblingsplatz der Besucher: die Känguruanlage im Tierpark Görlitz. © Naturschutz-Tierpark Görlitz

Sven Hammer weiß inzwischen nicht mehr, wie lange der Betrieb des Tierparks unter den aktuellen Umständen noch aufrechterhalten werden kann. "Wir wissen einfach nicht, was in Zukunft passiert", sagt Sven Hammer.

Woher kommt das Desinteresse der Görlitzer Tierparkbesucher? Der Zoo-Chef hat darauf keine Antwort. "Es ist uns ein Rätsel", sagt er und kann nur Vermutungen anstellen. Ist die Bevölkerung wegen Corona doch noch zu verunsichert? Liegt es an der Urlaubszeit? Am Wetter? "Oder ist ein Tierpark in der heutigen Zeit generell einfach nicht mehr attraktiv genug?", überlegt Sven Hammer.

Fest steht: Der Görlitzer Zoo hat in den vergangenen Monaten ein Hin und Her der Öffnungen hinnehmen müssen, ein wahres Öffnungs-Hickhack. Im vergangenen Jahr war beispielsweise von März bis Anfang Mai geschlossen. Die gesamte Osterzeit, eine Hoch-Zeit für Zoobesucher entfiel. Bei vielen Tierparkbewohnern stellt sich gerade dann Nachwuchs ein, ein Hingucker und Besuchermagnet. Diese Einnahmequelle entfiel komplett.

Ab Mai vergangenen Jahres waren dann zunächst nur 600 Gäste gleichzeitig zugelassen. Die Einrichtung stellte ein umfassendes Hygienekonzept auf die Beine, versucht unter anderem mit allen möglichen angebotenen Patenschaften zusätzliche Gelder hereinzubekommen.

Aber die Inzidenz macht den Bemühungen zunächst einen Strich durch die Rechnung. Werte über 100, der Tierpark muss wieder schließen, dieses mal nur kurzzeitig. Mit Test darf man dann wieder rein. Inzwischen ist das dank sinkender Inzidenz nicht mehr notwendig, es gibt momentan auch keine Maskenpflicht. Dennoch bleibt die große Masse der Besucher aus.

Öffnungs-Hickhack im Tierpark

"Jeder Besucher im Sommer hilft uns, über den Winter zu kommen", sagt Sven Hammer. Er hoffe jetzt auf gute Monate im August, September und vielleicht den Oktober. Wenn es hart auf hart komme, sagt er aber auch, müsse man über eine Schließung des Zoos nachdenken.

"Von Seiten der Stadt ist eine erhebliche Erhöhung des Zuschusses beschlossen worden. Wir hoffen, dass sich die Besucherzahlen erhöhen und dadurch mehr Einnahmen eingenommen werden", heißt es auf eine Anfrage der SZ im Görlitzer Rathaus.

Laut Stadtratsbeschluss liegt die Zuschusserhöhung im Doppelhaushalt 2021/2022:
2021 gegenüber 2020 bei 60.000 Euro. 2022 sind es 90.000 Euro im Vergleich zu 2020. Der Kulturraum wiederum fördert den Tierpark 2021 mit 300.000 Euro, so wie 2020.

Und dann sind ja da noch die Kohlemillionen. Fünf Millionen Euro wurden dem Tierpark aus dem Strukturwandel-Fonds versprochen. Eine schöne Summe, sagt auch Sven Hammer. Aber das Geld ist "nur" für Investitionen vorgesehen, nicht für die laufenden Ausgaben.

Dass sich die Görlitzer aber durchaus Gedanken um die Zukunft des Tierparks machen, zeigt eine Aktion der Humboldt-Apotheke. Chefin Brigitte Westphal hatte zugunsten des Zoos eine Versteigerung organisiert, anlässlich des 150-jährigen Jubiläums. Nicht mehr benötigte Utensilien aus der Apotheke kamen unter den Hammer von Antiquar Hans-Ulrich Leonhardt. Bis zu 20 Personen steigerten mit, knapp 600 Euro kamen so zusammen, Brigitte Westphal rundete auf. Im Herbst soll es eine weitere Versteigerung und eine Lesung mit Stefan Bley geben.

"Ich weiß nicht, worauf die Leute mit einem Zoobesuch warten", sinniert Sven Hammer. Auf ein Ende der Corona-Zeit? Vielleicht, sagt er. Und: "Dann kann es aber sein, dass die Gäste Einrichtungen wie unsere nicht mehr besuchen können. Einfach, weil es sie nicht mehr gibt."